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kritisch gespielt: Showtime

Showtime von Anna Oppolzer und Stefan Kloß  erschienen bei Pegasus Spiele

Showtime - Box
Foto: Pega­sus Spiele

Nicht nur im Film­ge­schäft ist man heut­zu­ta­ge inter­na­tio­nal unter­wegs, auch in der Brett­spiel-Bran­che ver­sucht man Syn­er­gie­ef­fek­te durch Hin­zu­nah­me von Part­nern aus dem Aus­land zu nut­zen. För­der­lich dabei ist sicher­lich ein grif­fi­ger Titel, der in meh­re­ren Spra­chen funk­tio­niert. Kein Wun­der also, dass dann aus einem ursprüng­li­chen "Film ab!" ein SHOWTIME wird.

The­ma... was macht man an einem ver­reg­ne­ten Abend mit guten Freun­den? Rich­tig, ein Brett­spiel spie­len! Ab und zu könn­te man aber auch ins Kino gehen, was ich lei­der schon viel zu lan­ge nicht mehr gemacht habe. Grund dafür ist aber die feh­len­de Zeit und ganz sicher nicht die Boh­nen­stan­ge, die immer vor einem sitzt. Oder die Grup­pe von gig­geln­den Mädels und knut­schen­den Tee­nies. Alles Vor­ur­tei­le? Stimmt, aber genau mit die­sen Kli­schees spielt SHOWTIME. Drei­mal wird zur einer Film­vor­füh­rung gela­den und die Spie­ler ver­su­chen nun, den Kino­saal ent­spre­chend der Ste­reo­ty­pen auf den eige­nen Kar­ten zu füllen.

Showtime - Kartensatz
unter all den Freaks sind glück­li­cher­wei­se auch noch ein paar Normalos

Illus­tra­tio­nen... sind von der Fio­re GmbH. Dabei wer­den die Ste­reo­ty­pen im comic­haf­ten Stil auf die Lein­wand Spiel­kar­ten gebracht. Das ist ganz nett, aber irgend­wie auch wenig ori­gi­nell. Trotz­dem wird das Set­ting Kino gut getrof­fen, was haupt­säch­lich an der lie­be­vol­len Gestal­tung des Kino-Saals liegt. Die gra­fi­sche Gestal­tung unter­stützt somit das Spiel­ge­sche­hen ohne sich selbst in die Haupt­rol­le zu drän­gen. Die gewähl­te Sym­bol­spra­che funk­tio­niert eben­falls recht gut, wobei mich inter­es­siert, ob die Sym­bo­le von Spie­lern mit einer Rot-Grün-Schwä­che genau­so gut erkannt wer­den kön­nen (hier wür­de ich mich über eine Rück­mel­dung in den Kom­men­ta­ren freuen).

Showtime - Popcorn
Kino ohne Pop­corn? Geht bei den meis­ten gar nicht!

Aus­stat­tung... der Kino­saal als Spiel­plan besteht aus ein­zel­nen Tei­len, die je nach Spie­ler­an­zahl zusam­men gepuz­zelt wer­den. Jeder der vier mög­li­chen Spie­ler erhält einen Kar­ten­satz mit iden­ti­schen Kino­be­su­chern sowie Sieg­punkt-Ein­tritts­kar­ten bei Über­schrei­tung der Sieg­punkt­leis­te (und einen Mar­ker für sel­bi­ge). Stil­echt ist der Start­spiel­stein in Form einer Pop­corn-Tüte. All das (nebst Pla­ka­ten für ein­zel­ne Film-Gen­res) fliegt wild in der Box her­um, da lei­der kei­ne Zipp-Tüten mit­ge­lie­fert wur­den. Der gut sor­tier­te Spie­le-Haus­halt hat so etwas natür­lich vor­rä­tig, aber toll ist ein sol­ches vor­pro­gram­mier­tes Cha­os nicht.

Showtime - leerer Saal
noch leer und auf­ge­räumt – das wird sich aber ändern

Ablauf... ist sehr ein­gän­gig. Denn nach und nach legt man ein Kar­te aus der Hand im Kino­saal ab. Dafür ste­hen einem immer vier zufäl­li­ge Kar­ten zur Ver­fü­gung. Weni­ge Kar­ten bewir­ken sofor­ti­ge Son­der­ef­fek­te, die meis­ten Kar­ten-Effek­te tre­ten aber erst nach voll­stän­di­ger Fül­lung des Kino­saals wäh­rend der Film­vor­füh­rung auf. Hat jeder Spie­le vier Kar­ten gespielt, dann ist das Kino voll und der Film beginnt. Nun erhält jeder Spie­ler Sieg­punk­te je nach gewähl­tem Sitz­platz und ent­spre­chen­der Karteneffekte.

Zusätz­li­che Sieg­punk­te erhält man noch, wenn das gezeig­te Film-Gen­re den Vor­lie­ben der Gäs­te gefällt. Dafür gibt es vier unter­schied­li­che Kate­go­rien. Da über drei Run­den gespielt wird, kom­men somit nur drei der vier Kate­go­rien ins Spiel (und wer­den am Anfang einer Run­de zufäl­lig bestimmt). Am Ende der drei Run­den ist das Kino für die­sen Tag geschlos­sen und das Spiel beendet.

Das gefällt mir nicht so gut: Die Span­nungs­kur­ve von SHOWTIME ist ziem­lich flach. Denn man spielt den glei­chen Ablauf drei­mal hin­ter­ein­an­der durch – ohne Unter­schie­de zwi­schen den ein­zel­nen Run­den. Okay, bei der tak­ti­schen Spiel­va­ri­an­te (bei der die Kar­ten­an­zahl von 16 auf 12 Kar­ten redu­ziert wird), kann man am Ende wis­sen, was die Mit­spie­ler noch auf der Hand haben. Aber auch die­ses Wis­sen ergibt nicht mehr Span­nung, da man selbst kaum noch eige­nen Ein­fluss auf den rest­li­chen Spiel­ver­lauf hat (schließ­lich hat man kaum noch eine Aus­wahl an Kar­ten). Ich fän­de es somit bspw. bes­ser, wenn die Sitz­platz-Sieg­punk­te pro Run­de anstei­gen wür­den, damit die letz­te Run­de eine grö­ße­re Bedeu­tung hät­te als die Run­den davor. Oder aber man wür­de das Spiel­ge­sche­hen auf eine Vor­stel­lung redu­zie­ren. Dann müss­te der Saal natür­lich grö­ßer (und die Kar­ten klei­ner) sein, aber damit wür­den sich auch die ein­zel­nen Ent­schei­dun­gen gewich­ti­ger anfühlen.

Showtime - Detail
das auf­ge­führ­te Film-Gen­re hat eine zu gro­ße Bedeutung

Denn in der aktu­el­len Form hat man das Gefühl, dass der Glücks­an­teil gegen­über den tak­ti­schen Ent­schei­dun­gen deut­lich über­wiegt. Habe ich das Glück, dass mei­ne Per­so­nen­kar­ten gut zum auf­ge­führ­ten Gen­re pas­sen, dann flutscht es mit den Sieg­punk­ten. Habe ich dahin­ge­gen Pech, die Kar­ten zur fal­schen Zeit auf der Hand zu haben, dann kann ich nichts dage­gen tun. Hier wäre es von Vor­teil zu wis­sen, wel­che Gen­res zu wel­cher Zeit auf­ge­führt wer­den. Denn dann könn­te ich auch ech­te tak­ti­sche Ent­schei­dun­gen tref­fen: "Aha, der nächs­te Film wird eine Komö­die, dann las­se ich mein Ben­ni Bla­se noch auf der Hand bis zur nächs­ten Run­de!". Aktu­ell sind sol­che Über­le­gun­gen nicht möglich.

Die gra­fi­sche Gestal­tung ist schon in Ord­nung. Aber ich hat­te andau­ernd das Gefühl, dass hier wesent­lich mehr mög­lich gewe­sen wäre. Sei es durch Par­odien bekann­ter Schauspieler/Rollen oder durch ande­re Anspie­lun­gen. Bspw. hät­te der lan­ge Lulatsch doch durch Fran­ken­steins Mons­ter dar­ge­stellt wer­den kön­nen oder durch den "Bei­ßer" aus den James Bond Fil­men. Hier wur­de in mei­nen Augen Poten­ti­al ver­schenkt. Die Kar­ten mit Ihren Namen und Funk­tio­nen laden schon zum lei­sen Schmun­zeln ein – aber eben nicht zum laut Auf­la­chen oder zum Ent­de­cken von cine­as­ti­schen Anspie­lun­gen (wie bspw. bei GAME OF TRAINS). Das Gra­fik­kon­zept der Kar­ten folgt somit eher dem Holz­ham­mer denn der fei­nen Klinge.

Zu guter Letzt muss ich noch­mals die feh­len­den Zipp-Tüten anspre­chen. Viel­leicht war ich dabei die Aus­nah­me und sie wur­den beim Kon­fek­tio­nie­ren ein­fach ver­ges­sen. Ich befürch­te aber, dass dem nicht so ist und die­se wirk­lich nicht vor­ge­se­hen sind. Das muss in heu­ti­gen Zei­ten eigent­lich nicht mehr sein, oder?

Showtime - voller Saal
ein vol­le Saal bringt Leben in die Bude

Das gefällt mir gut: Bei aller Kri­tik: SHOWTIME funk­tio­niert – und in der wohl anvi­sier­ten Ziel­grup­pe der "Gele­gen­heits­spie­ler" sogar ziem­lich gut. Wenn also die rei­ne (seich­te) Unter­hal­tung im Vor­der­grund steht, dann kann man sich an den klei­nen Zwän­gen und Knif­fen erfreu­en, die SHOWTIME bie­tet. In sol­chen Fäl­len freut man sich, wenn man sei­nen Mit­spie­lern mit ner­vi­gen Kino­be­su­chern ein wenig den Spaß am Film ver­der­ben kann. Aller­dings sind die­se Effek­te auch nicht wirk­lich bös­ar­tig, so dass kein Mit­spie­ler zu schmol­len anfängt oder die Lau­ne ver­liert. Es ist ein klei­nes Ärger­ele­ment, wie man es auch aus Spie­len wie GUILLOTINE oder SITTING DUCKS kennt – wenn es in die­sen Spie­len auch aus­ge­präg­ter und stil­prä­gen­der vor­han­den ist.

Ansons­ten lebt SHOWTIME natür­lich vom The­ma und den klei­nen ange­deu­te­ten Geschich­ten, die jeder von uns im Kino schon erlebt hat. Die ein­zel­nen Kar­ten­funk­tio­nen kor­re­spon­die­ren dabei sehr gut mit dem unver­brauch­ten Thema.

Fazit: Für SHOWTIME bie­ten sich natür­lich Kino-Meta­phern an. Nicht immer hat man Lust auf einen Autoren­film oder eine gesell­schafts­re­le­van­te Doku­men­ta­ti­on. Sehr ger­ne darf es zur rei­nen Ent­span­nung auch mal ein anspruchs­lo­ser Main­stream-Film sein. In die­ser Liga spielt SHOWTIME. Alles ist irgend­wie bekannt und über­for­dert kei­nen. Es wer­den klei­ne Epi­so­den erzählt, die jeder ver­steht und nach­voll­zie­hen kann. Mir fehlt aber ein wenig der spie­le­ri­sche Anspruch. Für einen blo­ßen Main­stream-Film gehe ich nicht mehr ins Kino, denn dafür ist mir mei­ne Zeit zu scha­de. Für SHOWTIME wird das auch zutreffen.

Anmer­kung: In mei­ner Box lag noch ein klei­nes Päck­chen mit Bonus-Kar­ten als Pro­mo-Goo­die bei. Die­se Kar­ten brin­gen neue Per­so­nen ins Spiel, die sich auch har­mo­nisch ins Gesche­hen ein­fü­gen. Alles ganz nett, aber auch kein Muss – eben genau das, was ich von Pro­mo-Spiel­ele­men­ten erwarte.

Showtime - Special Guests
die Spe­cial Guests brin­gen mehr vom bekannten
TitelShow­time
AutorAnna Oppol­zer und Ste­fan Kloß
Illus­tra­tio­nenFio­re GmbH
Dau­er20 bis 40 Minuten
Spie­ler­an­zahl2 bis 4 Spieler
Ziel­grup­pefami­li­en­spie­len­de Cineasten
Ver­lagPega­sus Spiele
Jahr2018

 

Ich bedan­ke mich bei Pega­sus für die Bereit­stel­lung eines Rezen­si­ons­exem­plars. Ich bin mir sicher, dass durch die­se Bereit­stel­lung mei­ne Mei­nung nicht beein­flusst wur­de. Die Bespre­chung spie­gelt mei­ne gemach­te Erfah­rung wider.

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