Spyrium von William Attia – erschienen bei Ystari Games

Manche Spiele gehen in der Öffentlichkeit manchmal etwas unter. Spyrium ist da meiner Meinung nach ein gutes Beispiel dafür. Bekannter Autor (ich sag nur CAYLUS), bekannter Verlag, aktuelles Trendthema (s.u.) – und trotzdem ist das Spiel relativ unbekannt. Erst neulich wieder habe ich es auf einem Spieletreffen dabei gehabt und wurde öfters gefragt, was das denn für eine unbekannte Essen-Neuheit wäre.
Thema... ist schon etwas speziell. Man hat das Gefühl, dass irgendwie das damalige Trendthema Steampunk (das Spiel ist von 2013) in ein Spiel integriert werden sollte. So befinden sich die Spieler nun in einem viktorianischen England im aufkommenden Industriezeitalter. Irgendwie wurde das geheimnisvolle Spyrium-Kristall entdeckt, welches eine hohe Energieeffizienz aufweist, so dass nun versucht wird, die eigene Industrie auf dieses Kristall auszurichten. So müssen Arbeiter angeheuert, Fabriken gebaut und Patente erworben werden. Das ganze hätte sich aber auch thematisch ganz anders einkleiden lassen. Wäre gespannt zu wissen, welches Thema der ursprüngliche Prototyp hatte...

Grafik... ist von Arnaud Demaegd und fängt die Steampunk-Atmosphäre ganz gut ein. Sehr gut funktioniert die Symbol-Sprache, die eigentlich keine Fragen offen lässt. Auch die unterschiedlichen Hintergründe (gepaart mit der unterschiedlichen Art des Aufbaus), machen die Funktionsweise der einzelnen Karten sehr gut deutlich. Ansonsten lässt sich über die "Schönheit" des gewählten Grafikstils sicherlich streiten. Ich finde die Gestaltung ansprechend, hatte aber auch Mitspieler, die das Ganze als hässlich abtaten.

Ausstattung... ist erfreulich kompakt, so dass das Spiel in einer überschaubaren Boxgröße daher kommen kann (vergleichbar mit den mittleren alea-Boxen). Hierin liegt vielleicht auch der Fluch der guten Tat – die Box kommt recht unscheinbar daher und manch einer erwartet darin dann vielleicht kein "tiefgründiges" Spiel. Eyecatcher sind sicherlich die giftgrünen Spyrium-Kristalle. Ansonsten sind noch eine Unmenge Karten, Holzmeeples und diverse Pappplättchen in der Box – alles in guter Qualität.

Ablauf... "ist mal wieder ein Worker-Placement- Spiel", könnte man stöhnen. Allerdings: wer sonst sollte dieses Prinzip nutzen dürfen, wenn nicht William Attia? Außerdem kommt es – wie immer – auf die Details an...
Zentrales Element ist eine Auslage von 3 * 3 Karten, die Personen, Gebäude oder Patentbriefe aufzeigen. In Phase I platzieren die Spieler ihre Arbeiter in die Zwischenräume (!) dieser Karten. In Phase II werden diese Arbeiter wieder nach Hause geschickt und verdienen damit entweder Geld, nutzen die Person auf der Karte oder kaufen Gebäude bzw. Patentbriefe. Bei diesen letzten beiden Optionen werden die entsprechenden Karten aus der Auslage herausgenommen, so dass sich die Auslage ausdünnt. Da fast immer Geldmangel herrscht, ist das Geldverdienen nicht zu unterschätzen. Und wie auch im richtigen Leben, kann das komplizierter sein, als man das gerne hätte. Die Spieler wählen einen Arbeiter und eine benachbarte Karte aus. Nun erhält der Spieler für jeden weiteren Arbeiter um die Karte ein Pfund. Dummerweise läuft es beim Nutzen bzw. Kaufen der Karten ähnlich: man bezahlt den Grundpreis plus ein Pfund für jeden weiteren Arbeiter an dieser Karte.
Spielerisch besonders interessant sind die Patente, da diese einerseits einen Vorteil während des Spiel verschaffen und andererseits auch eine Siegpunktquelle am Ende des Spiels sind. Denn wie so oft, wollen wir am Ende des Spiels mit den meisten Siegpunkte gewonnen haben. Siegpunkte erhält man hauptsächlich über eine Nutzung der Spyrium-Kristalle sowie über den Gebäudebau. Doch auch im Zwischenspiel versucht man schon Siegpunkte zu generieren, da ab einem gewissen Level der jeweilige Spieler noch mit Boni belohnt wird.
Trickreich ist die Unterscheidung zwischen Phase I und II, die jeder Spiele individuell festlegt. Es kann also vorkommen, dass Spiele A noch in Phase I seine Arbeiter einsetzt, während Spieler B sich schon in Phase II befindet und die ersten Karten aus der Auslage weg nimmt. Weitere interessante Spielelemente sind die rundenabhängigen Ereignisse (die einem ausschließlich Vorteile verschaffen, wenn man sie aktivieren kann) sowie die Art und Weise, wie das Einkommen geregelt wird.

Das gefällt mir nicht so gut: Aufgrund des Themas habe ich einige Zeit einen Bogen um das Spiel herum gemacht (mich spricht Steampunk einfach überhaupt nicht an). Allerdings ist das Thema schon sehr aufgesetzt, und man merkt, wie versucht wurde, dass alles irgendwie inhaltlich hinzubiegen. Auch wenn das Spiel durchaus zu zweit spielbar ist, so entfaltet es für mich den eigentlichen Reiz eigentlich erst ab mindestens drei Spielern. Erst dann fängt die Ungewissheit der immer mehr schrumpfenden Auslage an zu wirken. Für mich ist SPYRIUM also ein Spiel, dass immer besser wird, je mehr Spieler mitspielen.
Das gefällt mir gut: Das Spiel ist spannend und erstaunlich interaktiv. Durch den gewählten Arbeiter-Einsetz- (und vor allem dem Zurücknehm-)Mechanismus muss man immer die Mitspieler im Auge behalten. Einerseits wird deren Nähe gesucht, da man nur darüber hohe Geldbeträge einnehmen kann, andererseits machen viele Arbeiter um eine Karte diese auch teurer – und es besteht die Gefahr, dass die gewünschte Karte frühzeitig weg geschnappt wird. Anfänger tun sich ein wenig schwer mit den verschachtelten Spielprinzipien und wünschten sich, dass das Spiel gradliniger wäre. Das empfinde ich nicht so, denn nur darüber bleibt das Spiel flexibel und man kann verschiedene Strategien spielen. Denn zum Glück lässt das Spiel mehrere Siegstrategien zu, so dass man auch noch während der Partie die Strategie ändern kann. Allerdings sollte man seine Strategie schon auf seine erworbenen Patente ausrichten – ganz ohne diese zu gewinnen, wird schwer.
Fazit: Ich mag Worker-Placement-Spiele sehr gerne, weswegen ich immer an weiteren Varianten dieses Prinzips interessiert bin. Und das William Attia diesen Mechanismus in ein gutes Spiel umsetzen kann, hat er schon eindrucksvoll mit CAYLUS bewiesen. In meinen Augen wird SPYRIUM zu Unrecht unterschätzt. Auch wenn das Spiel in einer kleinen kompakten Form daherkommt, so steckt doch eine große Menge an Spielspaß darin. Der Arbeiter-Mechanismus ist spannend verändert worden und es lassen sich viele verschiedene Strategien spielen. Außerdem ist die Interaktion mit den Mitspielern für diese Art Spiel recht hoch (auch wenn nur indirekt interagiert wird).
Sehr schöne, ausführliche, anschauliche und gut begründete Spielkritik!
Das Steampunk-Thema mit den entsprechenden Grafiken vermiesen (mir) leider das sicher sehr tolle Spiel.
LG, Daniel