Beim Schreiben über DIE GÄRTEN VON VERSAILLES habe ich mir ein paar Gedanken zum Auswahlmechanismus gemacht. Diese Gedanken schweiften dann ein wenig ab und landeten schlussendlich bei dieser Top-Liste zu Spielen mit geheimer Rollenauswahl.
Wer sich unter diesem Titel nichts vorstellen kann, eine kurze Erläuterung, was ich damit meine. Es gibt einige Spiele, bei denen gleichzeitig etwas verdeckt ausgewählt wird und erst wenn alle Mitspieler dieses gemacht haben, wird die Auswahl öffentlich gemacht. Die bekanntesten Vertreter davon sind sicherlich 6 NIMMT! oder auch 7 WONDERS. Das Spektrum dieses Mechanismus ist recht weit und es gibt ganz viele Variationen davon. Ich finde ihn am interessantes umgesetzt, wenn damit nicht nur Werte, sondern auch direkte Aktionen verbunden sind – meist umgesetzt als Personen- bzw. Rollenauswahl.
Deswegen habe ich mich bei der nachfolgenden Liste auch sehr schwer getan, eine Reihenfolge zu bilden – ich finde alle dort aufgeführten Spiele äußerst gelungen und spielenswert. Trotzdem hier nun meine Rangfolge:
- DIE GLASSTRASSE von Uwe Rosenberg (erschienen bei Feuerland Spiele)
- BROOM SERVICE von Andreas Pelikan und Alexander Pfister (erschienen bei alea Spiele)
- OHNE FURCHT UND ADEL von Bruno Faidutti (erschienen im Hans im Glück Verlag)
- ROLL FOR THE GALAXY von Wei-Hwa Huang und Tom Lehmann (erschienen bei Pegasus Spiele)
- RAPTOR von Bruno Cathala und Bruno Faidutti (erschienen bei Pegasus Spiele)
DIE GLASSTRASSE hat leider einen etwas zweifelhaften Ruf in der Szene, denn ich finde es großartig. Einerseits wegen des hoch interessanten Produktionsrades, andererseits wegen des Kartenmechanismus mit der verdeckten Rollenauswahl. Dieser wurde übrigens schon gute zehn Jahre davor von Rosenberg in seinem KOSMOS-Zweipersonenspiel WIR SIND SCHWANGER benutzt. Einige Mitspieler stört es, dass dieser vermeintlich zufällige Kartenmechanismus in einem Aufbauspiel benutzt wird, so dass die strategische Planung darunter leidet. Es stimmt schon, dass nicht immer alle Pläne aufgehen – aber genau darin liegt meiner Meinung nach der Reiz. Man muss sich auf wenig sicheres beschränken und dann so in Optionen planen, dass man vielleicht von den Mitspielern profitieren kann. Dabei muss man sich davon lösen, dass einem alle Aktionsmöglichkeiten zur Verfügung stehen und lieber die zweite Möglichkeit als netten Bonus ansehen. Trotzdem kann man sicher seine notwendigen Aktionen durchführen – man erlebt also keine absolut negativen Überraschungen. Toll auch, wie gut das Spiel zu zweit funktioniert (und selbst die Solo-Variante ist gut).
BROOM SERVICE ist die gemeinsame Weiterentwicklung von WIE VERHEXT! von Andreas Pelikan und gewann in meinen Augen damals recht überraschend 2015 den Titel Kennerspiel-des-Jahres. Im Gegensatz zu DIE GLASSTRASSE wird hier die Rollenauswahl in eine Art Stichspiel übertragen – hier kombiniert mit einer Art Reisespiel. War man beim damaligen WIE VERHEXT! manchmal schnell frustriert, hat man bei BROOM SERVICE nun mehr Möglichkeiten und kann auch besser Sicherheitszüge machen. Trotzdem bleiben die Emotionen erhalten, wenn manch mutiger Spieler von den nachfolgenden Mitspieler eingebremst wird.
OHNE FURCHT UND ADEL wurde früher bei uns in der Jugendgruppe rauf und runter gespielt (so sehen mittlerweile auch die Karten aus). Vielleicht bin ich deshalb auch so ein großer Fan des Spiels. Hätte ich es ausschließlich in kleinen Runden gespielt, dann wäre mir der spezielle Reiz wohl verborgen geblieben. Im Unterschied zu DIE GLASSTRASSE oder BROOM SERVICE haben die Mitspieler nicht die volle Auswahl zur Verfügung. Ganz im Gegenteil, denn die anfängliche Rollenauswahl wird von Spieler zu Spieler kleiner. Andererseits werden dadurch aber auch wieder Deduktionsmöglichkeiten eröffnet, da man schon erahnen kann, was der Mitspieler vor bzw. nach einem genommen haben kann. Für mich ist das immer großes Kino, wenn der Meuchler oder Dieb zuschlägt. Und seinen Reiz hat das Spiel über die Jahre nicht verloren – wurde es doch ganz aktuell als CITADELS wieder veröffentlicht.
ROLL FOR THE GALAXY (oder auch RACE FOR THE GALAXY) gehört natürlich auch zu dieser Gruppe von Spielen und löst bei mir einen immensen Spielreiz aus. Warum es nicht auf das Treppchen geschafft hat? Gute Frage. Wahrscheinlich, weil für mich die Rollenauswahl nicht so sehr im Zentrum steht wie in den anderen Spielen. Oder weil auch "nur" fünf verschiedene Rollen / Phasen zur Verfügung stehen. Ist aber auch egal: ROLL FOR THE GALAXY ist ein super Spiel und ich spiele es jederzeit gerne mit. Und natürlich kribbelt es beim Aufdecken und ich frage mich, ob ich meine Mitspieler richtig eingeschätzt habe. Wobei beim Würfelspiel die erschwerende Tatsache hinzu kommt, dass dann der Mitspieler auch noch die richtigen Würfelseiten erwürfelt haben muss. So kann es gerne mal ganz anders kommen, als gedacht.
RAPTOR ist ein Gemeinschaftswerk von Bruno Cathala und Bruno Faidutti – und irgendwie habe ich das Gefühl, dass von letzterem das Element mit der Rollenauswahl vorgeschlagen würde (das ist natürlich völlig spekulativ von mir). Im Gegensatz zu den anderen Spielen dieser Top-Liste hat man allerdings nur eine beschränkte Rollenauswahl zur Verfügung – was aber der Spannung keinen Abbruch tut. So kann nämlich auch böse geblufft werden. Auf alle Fälle werden Emotionen geweckt!
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