Broom Service von Andreas Pelikan und Alexander Pfister – erschienen bei alea (Ravensburger)
Den beiden Autoren Andreas Pelikan und Alexander Pfister ist bisher etwas einmaliges gelungen: sie haben 2016 ihren Kennerspiel-des-Jahres-Titel mit ihrem Spiel ISLE OF SKYE verteidigt. Das Jahr davor gewannen sie mit BROOM SERVICE. Und hätte es sich die Jury im Jahr 2008 anders überlegt, dann wäre schon der Vorgänger zu diesem Spiel (WIE VERHEXT!) Titelträger des "normalen" Preises gewesen. Spricht also alles für ein ausgezeichnetes Spiel. Aber auch ein Spiel ohne Kritikpunkte? Und die Gretchenfrage: wie hält es sich mit dem Spielspaß?
Thema... ist schon eher an den Haaren herbeigezogen. Der neueste Schrei im Reich ist ein Hexen-Lieferservice. Die Spieler sind entsprechende Kleinunternehmer, die Tränke und Zutaten zu einzelnen Hexentürmen liefern, um die dortigen Besitzer glücklich zu machen. Da fragt man sich schon, welches Kraut angeliefert wurde, um sich solch eine Geschichte auszudenken. 😉
Grafik... ist von Vincent Dutrait, der mir zugegebenermaßen bisher kaum ein Begriff war, obwohl er schon einige Spiele illustriert hat. Die einzelnen Rollenkarten sind ganz knuffig gezeichnet, ich finde nur die Gestaltung des Spielbrettes etwas zu knallig bunt. Allerdings wird dieses farbliche Getümmel sicherlich der besseren Spielbarkeit geschuldet sein und erinnert mich immer ein wenig an CLANS. Etwas unglücklich bin allerdings ich mit der Gestaltung der verschiedenen Türme – oder um genauer zu sein, mit deren Zuordnung. Dazu unten bei der Kritik mehr!
Ausstattung... ist typische alea. Viele Pappplätchen, Holzteile und Karten – und seit längerem zum Glück auch kein verrücktes Ausziehteil mehr. Erwähnenswert sind die verschiedenen Module. Im Endeffekt ist eine Erweiterung schon inklusive, da dem Spiel verschiedene Elemente hinzugefügt werden können und auch der Spielplan unterschiedlich doppelseitig bedruckt ist. Sehr spaßig sind die Namen der einzelnen Rollen. Donna Wetta, welch Sprachkünstler dort am Werke war!
Ablauf... ist ganz grob eine Art Stichspiel, mit der Besonderheit, dass man beim Ausspielen seiner Rollenkarten entscheiden muss, ob man diese feige oder mutig ausspielen will. Bevor das eigentliche stechen mit den Karten beginnt, muss jeder Spieler aus einem Satz von zehn identischen Karten vier für die aktuelle Runde auswählen. Dann werden die Karten gespielt und abgehandelt, bis alle Spieler alle ihre Karten ausgespielt haben. Entscheidet man sich dabei für die feige Aktion, dann kann man sofort seine Rolle ohne Bonus nutzen. Entscheidet man sich dahingegen für mutig, dann muss man die aktuelle Stichrunde abwarten. Spielt kein anderer Spieler ebenfalls diese Rolle mutig aus, dann kann man die Rolle mit Bonus nutzen. Doof wird es erst dann, wenn ein anderer Spieler diese Rolle doch mutig ausspielt – denn dann schaut der erste Mutige in die Röhre und er macht nichts. Das Ganze will sich also gut überlegt sein.
Was können die Rollen? Die Hexen fliegen feige in andere Gebiete und können mutig am Ziel ausliefern. Die Druiden können feige vor Ort ausliefern und bekommen mutig noch einen Siegpunktbonus. Die Sammler – oh Wunder – sammeln (feige wenig aber sicher, mutig viel aber eben unsicher). Bleibt noch die Wetterfee, die Wolken wegzaubern kann. Diese bringen am Spielende Punkte – zusätzlich haben Wolken auch die unangenehme Eigenschaft, manche Wege zu blockieren. Erst wenn die Wolken weg sind, kann man manche Gebiete betreten.
So gilt es nun also Tränke und Zauberstäbe zu sammeln und diese abzuliefern. An runden Türmen kann man nur einmalig etwas liefern (für verhältnismäßig viele Punkte), eckige Türme haben dahingegen einen ungesättigten Bedarf (schütten aber auch weniger Punkte aus). Erschwerend kommt noch hinzu, dass in jeder der sieben Durchgänge durch Ereigniskarten andere Rahmenbedingungen bestehen.
Die beigefügten zusätzlichen Module bringen neben neuen Wolken auch Sonder-Plättchen fürs Gebirge, für Wälder und für Hügel ins Spiel, so dass hier bestimmte Eigenschaften freigeschaltet bzw. Belohnungen ausgeschüttet werden.
Das gefällt mir nicht so gut: Die grafische Gestaltung ist gewöhnungsbedürftig. Die kräftigen Farben schrecken ersteinmal ab, sind aber nachvollziehbar gewählt. Denn nichts ist ärgerlicher, als wenn man die falschen Rollenkarten auswählt, weil man sich im falschen Terrain wähnt. Leider sind bei den Rollenkarten die Gebietszuweisungen bei den Druiden nicht ganz geglückt – hier hatten einige Mitspieler Probleme bei der Zuordnung. Die meisten Probleme bereiten aber die Türme und deren Zuordnung zu den Gebieten. Wenn man darauf achtet, welche Grenzen von den Fundamenten berührt werden, dann kann man das schon richtig verorten. Aber nicht immer ist der Blick optimal. Mal stehen Figuren davor, manchmal verhindern Plättchen die optimale Sicht – und ein schneller Blick über das Brett reicht eben nicht aus. Das ist ärgerlich, da dieses Manko ohne viel Aufwand hätte vermieden werden können. So hätten bspw. angedeutete Straßen aus den Wertungsgebieten zum Turm führen können, damit klar ist, aus welchem Gebiet angeliefert werden kann.
Das gefällt mir gut: Man benötigt schon eine gewisse Frusttoleranz. Es ist durchaus Teil des Spielkonzepts, dass nicht alle Pläne aufgehen. Aus diesem Grund ist es eigentlich unabdingbar, immer einen Ersatzplan im Hinterkopf zu haben. Damit solche auch funktionieren können, besitzt jeder Spieler zwei Hexenfiguren – das ist gut durchdacht. Natürlich fällt es nun manchen Spielern leichter, solche Alternativpläne zu entwickeln. Aber auch "Aus-dem-Bauch-heraus-Spieler" haben meist noch ausreichend vernünftige Optionen, so dass sie das Spiel nicht völlig an die Wand fahren lässt. Trotzdem werden Spieler auch für gutes Spielen belohnt.
Ebenfalls gut gefällt mir die Skalierung für verschiedene Spielermengen. Dabei werden je nach Spieleranzahl so genannte verwunschene Rollen aufgedeckt. Wenn man diese benutzen will, dann muss man dafür Siegpunkte abgeben. Somit wandelt sich das Spiel vom leicht chaotischen Funspiel mit fünf Spielern zum sehr taktischen Spiel für zwei Spieler.
Fazit: BROOM SERVICE weckt Emotionen! Das Kernelement um feige und mutig auszuspielende Rollen ist spannend und gibt Raum für Enttäuschungen, Schadenfreude, Unglaube, ekstatischen Jubel oder sonstige Gefühlsregungen. Das alles gab es in ähnlicher Form auch schon beim Vorgänger WIE VERHEXT!. Nun ist aber noch ein taktisches Mehr um diesen Mechanismus entwickelt worden, denn es gilt, den Spielplan zu lesen und sich auf immer neue Ereignisse einzustellen. Diese Mehr bereitet mir auch mehr Spielspaß – zumindest, wenn ich die Zeit dafür habe. Will ich einen schnellen Absacker spielen, dann bleibe ich bei WIE VERHEXT!
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