zuletzt gelesen: Babel von R. F. Kuang
Beim Betrachten des Covers von BABEL musste ich sofort an KRABAT denken. Was einerseits natürlich Quatsch ist, weil BABEL eine ganz andere Art Buch ist. Andererseits gibt es bei der inhaltlichen Kernaussage aber doch überraschende Überschneidungen.
BABEL erzählt die Geschichte eines jungen halbchinesischen Waisenkindes, dass in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts am Königliche Institut für Übersetzung der Universität Oxford – auch bekannt als Babel – studieren wird. Allerdings ist es nicht das bekannte historische Oxford. Denn die Welt von BABEL ist eine alternative Realität, in der das Werken von Silber eine besondere Art von Magie erzeugt. Unverändert ist jedoch das Kolonialsystem unserer Welt inklusive der damit verbundenen Konflikte wie auch der schmerzhafte Übergang in die Zeit der Industrialisierung.
Bevor die Hauptfigur Robin Swift aber die Funktionsweise des Kolonialismus am durchschaut ist er zuerst fasziniert von der Magie der Sprache – und diese Magie wird in dem Buch eindrucksvoll vermittelt. Immer wieder werden die Besonderheiten von Übersetzungen thematisiert, was der deutschen Ausgabe eine zusätzliche Meta-Ebene gibt. Denn immer wieder fragte ich mich, wie wohl der ursprüngliche Text von R. F. Kuang ausgesehen haben wird. Diese eigentlichen Abschweifungen von der Handlung habe ich mir großer Wonne genossen. Die Geschichte als solches konnte da leider nicht mithalten. Ich fand die Charakterentwicklungen nicht nachvollziehbar und ich hatte das Gefühl, dass die Autorin nicht ganz wusste, wie sie den Plot zu einem Ende bringen konnte. So bleiben zu viele Fragen offen. Nicht nur, wie es weiter geht, sondern auch, wie es zu der finalen Situation kommen konnte. Da fehlen mir die Nuancen – insbesondere in den Handlungstrieben der Protagonisten.
Trotzdem bezeichne ich Babel als lesenswert. Vor allem, weil es mir den Blick hinsichtlich des Kolonialismus weitete. Es regte mich zum Nachdenken an und gerne wäre ich noch mehr in die Tiefe dieser Welt abgesunken.
Ich glaube, genau darum geht es beim Übersetzen. Darum geht es beim Sprechen. Einander zuhören und versuchen, an den eigenen Vorurteilen vorbeizugucken, um einen Blick auf das zu erhaschen, was der andere einem sagen will. Ein Stück von sich selbst preisgeben und hoffen, dass jemand anderes es versteht.
R. F. Kuang – Babel, S. 584 (E‑Book)
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