Gerne heißt es, dass nur die inneren Werte wirklich zählen. Aber was sind die inneren Werte eines Brettspiels? Das Material in der Box (was nun mal innen ist) oder eher die Mechanik als inneres Zahnrad? Allerdings ist das gar nicht die Fragestellung der aktuellen #BG2GETHER-Aktion. Denn diese dreht sich um die äußeren Werte. So sieht das entsprechende Fragebündel aus:
"Wie wichtig ist die Ästhetik eines Brettspiels im Vergleich zur Spielmechanik? Wie viel Einfluss haben die beiden auf das jeweilige Thema? Wann verzeiht ihr einem Brettspiel, wenn die Optik oder die Mechanik mal nicht stimmt?"
Ich könnte es kurz machen: die Ästhetik ist wichtig, die Spielmechanik ist mir aber wichtiger. So, fertig, ich könnt euch nun auf den anderen teilnehmenden Blogs umsehen.
Aber halt, ganz so einfach mache ich es mir dann doch nicht. Denn wie immer im Leben gibt es Graubereiche. Und wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, dann muss ich feststellen, dass oftmals die Ästhetik ausschlaggebend dafür ist, ob mich ein Spiel interessiert oder nicht. Ist ja schön und gut, dass mir der Pressetext in blumigen Worten darlegt, wie gut doch Mechanismus X mit Mechanismus Y harmoniert und wie die jeweiligen Stärken dieser Mechanismen herausgearbeitet wurden. Als erstes nehme ich aber das Cover wahr und scanne schon den Text ab, ob weitere Produktbilder zu sehen sind. Erst danach versuche ich den Text mit den Bildern in Einklang zu bringen. Gefällt mir das Gesehene? Passt das zusammen zum angekündigten Thema und zu den Mechanismen? Wenn ich beides bejahen kann, bin ich an der Angel. Gibt es Diskrepanzen oder finde ich das gezeigte Material langweilig oder im schlimmsten Fall sogar hässlich, dann kostet es schon Überwindung, mich mit dem Spiel befassen zu wollen.
Allerdings bin ich dann doch zu sehr Würfelschubser. Wenn mich später die Mechanik überzeugt, dann ist mir die Optik egal. Dann spiele ich mit großer Freude z.B. ein WIZARD, bei dem ich die ikonischen Illustrationen von Franz Vohwinkel als extrem hässlich empfinde (und sich zudem noch die Buchstaben Z und N zu sehr ähneln und Verwirrung stiften können). Allerdings ist das auch ein reines Kartenspielen mit extrem dünnen Thema. Deutlich weniger tolerant bin ich, wenn mir das Spiel ein Thema verkaufen will, dieses dann aber durch die Gestaltung nicht transportiert wird.
Bei der Optik bin ich auch deswegen so verzeihend, weil diese oftmals auch Geschmackssache ist. Mir gefällt z.B. die Gestaltung von WITCHSTONE überhaupt nicht – aber viele Mitspielende fanden diese erstaunlich hübsch. Wer hat nun recht? Einigen wir uns darauf, dass die Spielmechanik in der Summe mehr überzeugt – zumal das Spiel jetzt auch nicht vor Thema trieft. Ich liebe tolle Covergestaltungen! Aber all zu oft habe ich erleben müssen, dass die spielerischen Inhalte nicht mit den Illustrations-Qualitäten mithalten konnten. Und da ich Spiele besitze, um sie auch zu nutzen, ist mir der Inhalt nun einmal wichtiger. Meine Regale sind nicht dafür gedacht, schöne Cover zu präsentieren. Auch aus diesem Grund verzeihe ich einem Spiel ästhetische Mängel – spielmechanische Mängel sind dahingegen ein ziemliches K.o.-Kriterium.
Um so mehr freue ich mich aber, wenn beide Aspekte überzeugen können. Es ist eine Wonne, eine tolle Spielmechanik auch ästhetisch genießen zu können. Manchmal braucht es dafür allerdings den Faktor Zeit. So werde ich mich wohl nie von meiner aktuellen Ausgabe von BRASS BIRMINGHAM trennen, die ich mit Begeisterung als Neuauflage gekauft habe. Bestimmt fünf 5 Jahre zuvor, habe ich meine Pegasus-Version von KOHLE verkauft, weil ich diese nie auf den Tisch bekam – hauptsächlich wegen der Optik. Somit stellt BRASS BIRMINGHAM in meinen Augen ein gutes Beispiel dar, was eine zeitgemäße Optik gepaart mit einer tollen Ausstattung (ich sage nur Iron-Clays) bewirken kann. Natürlich aber nur, wenn das mechanische Grundgerüst stimmt. Nicht ohne Grund war die aktuelle Neuauflage von DIE BURGEN VON BURGUND ein solcher Verkaufsschlager.
Allerdings merke ich bei diesem Thema auch, dass ich langsam alt werde. Denn mittlerweile schleicht sich so etwas wie Nostalgie in mein Denken. Ich sehe Neuauflagen und denke mir: was soll mich daran reizen? Die neue Optik ist vielleicht etwas frischer, aber mit der alten bin ich vertraut. Zusätzlich bin ich mit Old School Holzmaterial leichter zufriedenzustellen als mit bunten Plastikfiguren. Das ist aber keine neue Erkenntnis. Es gab schon Gründe, warum ich mir vor wohl 15 Jahren nicht die Ravensburger-Version von CAN'T STOP besorgt habe. An die gute alte Franjos-Version konnte diese zu keiner Zeit mithalten. Aber das Thema Neuauflagen ist nun schon wieder ein ganz anderes Thema...
Ihr interessiert euch für andere Meinungen? Dann folgt doch mal den nun aufgeführten Links:
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