"Nach der SPIEL, ist vor der SPIEL" oder wie war noch das Zitat von Sepp Herberger? Bevor jetzt aber schon über etwaige Neuheiten im Jahr 2017 spekuliert wird, schnell noch ein persönliches Fazit zur SPIEL 2016 in Essen.
Über einzelne Spiele will ich mich dabei gar nicht auslassen. Dazu werde ich mich sicherlich in den nächsten Wochen noch ausführlich hier im Blog ausleben. Nachfolgend also ein paar gesammelte Gedanken rund um die diesjährige Spielemesse...
3D Elemente
Zum guten Ton eines Crowdfunding-Projekts gehören heutzutage kleine Plastik-Miniaturen – denn dann ist die Kampagne ganz sicher erfolgreich. Aber auch außerhalb von Crowdfunding habe ich den Eindruck, dass immer mehr "Bling-Bling" bei Brettspielen zum Einsatz kommt – was ich durchaus positiv sehe. Um auch "Nichtspielern" einen Anreiz zu geben, sollten Spiele einen hohen Aufforderungscharakter besitzen. Dabei kann es sicherlich nicht schaden, wenn am Ende des Spiels auf einmal ein Colosseum auf dem Tisch zu bestaunen ist (wie es beim schönen neuen Familienspiel von Klaus-Jürgen Wrede Die Baumeister des Colosseum der Fall ist). Auch bei Ulm begleitet uns das Münster als nettes 3D-Modell (und fungiert wie damals bei Die Säulen der Erde als Rundenzähler). Oder auch die tollen Schatztruhen bei Diamant zum Verstauen der Edelsteine haben einen hohen Aufforderungscharakter – in anderen Spielen werden für solche Beutestücke lediglich Sichtschirme zur Verfügung gestellt. Weitere Beispiele gibt es zum Glück viele. Natürlich muss das Spiel dahinter gut sein, aber gerne darf ein Spiel auch mehr haben, als nur ein Spielbrett, ein paar Karten und Holzwürfelchen. Insgeheim bin ich dabei der Meinung, dass hier der geniale 3D-Zug von Colt Express durchaus ein Türöffner in den Köpfen der Verlagsredaktionen war. Hoffentlich bleibt diese Tür offen.
Kartenadaptionen
Gehörte es vor einiger Zeit zum guten Ton, Würfelspieladaptionen bekannter Titel herauszugeben, so spielt die Musik nun bei den Kartenadaptionen. Das kann mal mehr gelingen (Glück auf – Das große Kartenspiel! hat mir beispielsweise sehr gut gefallen) und mal weniger (vom Las Vegas Kartenspiel war ich enttäuscht – hat es aber auch schwer bei seinem genialen großen Bruder). Manchmal ist es wirklich eher eine 1:1 Umsetzung, manchmal steht nur der Name Pate (Im Wandel der Zeiten) und manchmal noch nicht einmal das (First Class: Unterwegs im Orient Express ist sicherlich keine wirklich Kartenadaption von Russian Railroad – fühlt sich aber schon so an).
Der praktische Nutzen ist ambivalent. Manchmal ist der Platzgewinn lediglich im Spieleregal auszumachen – auf dem Tisch braucht man teilweise sogar mehr Platz als bei den ursprünglichen Brettspielen. Meist empfinde ich die Handhabung der Kartenspieladaptionen als umständlicher, denn Karten können leichter verrutschen und sind nicht immer gut zu greifen. Wie immer gilt auch hier: man kann nichts verallgemeinern! Ich bin aber gespannt, was der nächste Adaptionstrend sein wird. Legacy-Spiele?
Ach ja, eine tolle Würfeladaption ist mir auch noch in die Hände gefallen (also ganz entgegen diesem Trend): La Granja: No Siesta von Andreas „ode.“ Odendahl hat mir sehr gut gefallen.
Erweiterungen
Genauso gut wie Adaptionen verkaufen die Verlage scheinbar auch Erweiterungen. Und der Blick in die Einkaufstüten meiner Mitfahrer hat zumindest diesen Eindruck bestätigt. Denn dort lagen nur Erweiterungen drin und kein einziges "neues" Spiel. Kann es sein, dass die Neuheitenflut langsam zu einer inhaltlichen Übersättigung führen? Bevor man sich wieder in unzählig neue Spielewelten einfinden muss, werden diese lieber erweitert, weil man sich dort zumindest schon etwas auskennt? Natürlich sind Erweiterungen kein neues Phänomen. Allerdings war ich schon überrascht, wie groß doch mittlerweile der Anteil von Erweiterungen am Gesamtangebot ist. Und selbst erwische ich mich ja auch immer wieder, dass der Kaufbauch knurrt, wenn ich eine Erweiterung sehe – obwohl ich da mittlerweile auch sehr wählerisch geworden bin.
Tiefziehteile
Ich kann mich noch gut an zahlreiche Diskussionen über alea-Tiefziehteile erinnern. "Tiefziehteile" sind die Inlays in Spieleschachteln, in denen das Spielmaterial untergebracht werden – meist sind diese aus dünnem Kunststoff gegossen. Durch diese Diskussionen wurde ich jedenfalls dafür sensibilisiert, wie teuer diese Dinger sind und warum in neuerer Zeit eigentlich nur noch Spiele mit Pappinlays und einer Menge Zipptüten ausgeliefert werden. Daran hat man sich eigentlich gewöhnt und findet das auch nicht wirklich schlimm – auch wenn es dadurch Raum für Optimierungen gibt. Trotzdem freue ich mich über das Gefühl, dass wieder vermehrt sinnvolle Tiefziehteile in den Boxen zu finden sind. Wie gesagt, das kann nur ein Gefühl sein, aber in der letzten Zeit fiel mir das doch wieder vermehrt auf. Vielleicht liegt das auch daran, dass Spiele gefühlt teurer werden und für so etwas wieder Geld im Budget eingeplant ist. Oder dass bspw. ein Verlag wie die Space Cowboys in der Szene viel Lob dafür bekommen haben und man als Spieler so langsam wieder den Mehrwert eines guten Tiefziehteils schätzt – und dafür eben auch bereit ist, ein paar Euro mehr auszugeben...
Schoko-Kebab
Auch kulinarisch durfte ich auf der SPIEL dieses Jahr wieder etwas neues kennenlernen. Locken mich komisch geringelte Kartoffelscheiben nicht mehr vom Spieletisch weg, habe ich dieses Jahr zum ersten Mal einen Schoko-Kebab wahrgenommen. Scheinbar eine Mischung aus Crêpe und ja, äh geraspelter Schokolade. Wie er geschmeckt hat, kann ich allerdings nicht berichten – die Schlange war mir schlicht weg zu lang. Außerdem war ich mit Süßkram auch gut genug eingedeckt und der Weg zur nächsten Toilette zum anschließenden Hände waschen war auch zu lang (siehe nachfolgenden Punkt).
Toiletten
Mittlerweile hat man sich in den neuen Hallen ja schon ganz gut eingelebt. Problematisch finde ich immer noch die Toilletten-Situation. Okay, die Schlangen sind nicht mehr ganz so lange, aber ich finde immer noch, dass die Wege zu den Toiletten teilweise zu lange sind und die Kapazität nur knapp ausreichend ist. Wie machen das eigentlich die kleinen Standbetreiber, die ihren Stand nicht unterbesetzt sehen wollen? Gibt es eigene Toiletten für die Aussteller? Sind in den Versorgungsgängen Dixi-Klos aufgebaut? Das wäre ohnehin eine Geschäftsidee: mitten in Halle 3 ein mobiles Toillettenhäuschen aufbauen – und die Wartenden können dann noch eine Partie Pecunia non olet spielen...
Verkehr
Brettspiele sind nur ein Hobby von mir – mein Geld zum Leben verdiene ich als Verkehrsingenieur. Da ich schon Verkehrskonzepte für Messen bearbeitet habe, beobachte ich natürlich auch kritisch die bestehenden Konzeptionen einer solchen Großveranstaltung. Dieses Jahr gab es scheinbar einige Neuerungen bei den Parkplatz- bzw. Parkhauszufahrten – mit dem Ergebnis, dass extreme Rückstauungen eintraten. Die Frage, die sich nun stellt: sind das Kinderkrankheiten wie bei der Umstellung des Ticketwesen vor zwei-drei Jahren oder ist das Besucheraufkommen bei dieser Messe höher als bei anderen Veranstaltungen in Essen? Ich kann mir außerdem vorstellen, dass der Anteil der Menschen, die mit dem Auto zur SPIEL fahren, höher ist als bei anderen Veranstaltungen. Schließlich können Spiele schon ganz schön viel Platz einnehmen und jeder, der mal mit der Bahn zur SPIEL gefahren ist, weiß wie nervig der Transport der Einkäufe mit selbiger sein kann. Dieses Jahr war demnach gefühlt das größte "Verkehrschaos", welches ich im Umfeld der SPIEL erleben musste. Dazu beigetragen haben sicherlich auch die vielen Baustellen im Umfeld (die nachvollziehbar in den Herbstferien eingerichtet wurden) und natürlich der erneute Anstieg der Besucherzahlen. Ich bin trotzdem gespannt, wie das Verkehrskonzept im nächsten Jahr aussieht. Dieses Jahr mussten leider zu viele Menschen unnötig im Stau stehen.
Da hast Du aber ein Ulm in den Taschen Deiner Mitfahrer übersehen, aber ansonsten finde ich die Gesamtsituation sehr gut getroffen ; -)
Stimmt, da war was – hätte ich wohl intensiver die Tütenkontrolle durchführen müssen...
Im Nachklapp fallen mir dann aber noch weitere Dinge auf. So habe ich mich gar nicht über die omnipräsenten Themen "Wikinger" und "Mars" ausgelassen. Bei "Luther" bin ich mir da nicht so sicher, ob das nicht nächstes Jahr noch ein größeres Thema wird. Ach ja, und über die Exit-Spiele habe ich auch nichts geschrieben. Mir geht der Stoff für die nächsten Wochen nicht aus!