Coatl von Pascale Brassard und Etienne Dubois-Roy – erschienen bei Synapses Games (bzw. HeidelBär Games)
Ich bin kein großer Freund von zu viel Plastik im Spiel. Insbesondere dann nicht, wenn man die Komponenten problemlos auch mit anderen Material hätte anbieten können. Deswegen mache ich aktuell z.B. einen Bogen um PENDULUM und auch TAPESTRY. Beide reizen mich aufgrund ihrer Aufmachung überhaupt nicht. Auch bei COATL war ich anfangs etwas skeptisch. Braucht es diese komischen Schlangen-Elemente aus Plastik wirklich oder hätte man das nicht anders lösen können?
Thema... zur Abwechslung muss kein neuer König gekrönt werden, sondern dieses Mal ist es ein Hohepriester. Somit sind wir auch nicht im europäischen Mittelalter unterwegs, sondern im Zeitalter der Azteken. Als Anwärter auf den Posten werfen wir nicht etwa den Hut in den Ring, sondern wir erschaffen elegante Cóatl-Skulpturen. Keine Ahnung, was ein Cóatl ist? Die Anleitung klärt uns dahingehend auf, dass dies eine gefiederte Schlange sein soll. Wir würden wohl ganz naiv Drache dazu sagen.
Illustrationen… entstammen der Feder von SillyJellie und haben schon ihren sehr eigenen Stil. Wie ich feststellen konnte, polarisiert dieser. Manche fanden die Karten wunderschön, andere einfach nur hässlich. Ich selbst tendiere im eigenen Befinden eher zum hässlich. Doch auch wenn sie nicht meinem Geschmack entsprechen, empfinde ich die Illustrationen trotzdem als gelungen. Sie bieten etwas Neues und sind in sich stimmig – zumal auch die gewählte Symbolsprache einwandfrei funktioniert. Vor allem in Kombination mit der restlichen, vortrefflichen Gestaltung entfalten die Illustrationen ihre eigene Wirkung.
Ausstattung… wird von den vielen bunten Plastikteilen für die zu bildenden Schlangen-Ketten dominiert. Allerdings hat COATL noch mehr zu bieten. Da sind vor allem die toll gestalteten Beutel zum Nachziehen der Plastikteile zu nennen. Außerdem gibt es noch Ablagetableaus und Karten, die sich in Prophezeiungskarten (kleinteilige Aufträge) und Tempelkarten (größer angelegte Aufträge) unterscheiden. Zusätzlich können alle Mitspielenden noch eigene Opferplättchen bekommen, wenn man mit diesen Spielen will.
Ablauf… ist vom Prinzip schnell erklärt. Set Collection mit bunten Plastikteile und überschaubaren Aktionen. Entweder nimmt man sich aus der offenen Auslage neue Cóatl-Teile in den eigenen Vorrat oder man bedient sich an der offenen Auslage der Prophezeiungskarten. Als dritte Option kann man endlich die Cóatl-Teile aus dem eigenen Vorrat zusammensetzen.
Mehr ist es nicht. Allerdings kommen dann die Detail-Regeln ins Spiel. So darf man bspw. nur Cóatl-Teile aus einem Segment der Auslage nehmen (dort liegen dann entweder ein Kopf, ein Schwanz oder zwei Körper-Teile). Oder man darf nur maximal 5 Prophezeiungskarten auf der Hand halten. Am meisten Erklärbedarf hat man aber beim Zusammensetzen der Cóatl-Teile. Die meisten Regeln dazu sind zwar intuitiv zu erfassen, immer wieder kommt es aber bei den Prophezeiungskarten zu Nachfragen. Diese werten am Ende vollständige Cóatl-Skulpturen für bestimmte Teilaspekte (z.B. bekommt man mal Punkte für eine gewisse Anzahl grüner Steine oder für ein bestimmte Farbfolge). Besteht ein Cóatl vollständig aus Kopf, Schwanz und einer beliebigen Anzahl an Körperteilen, kann man dann noch eine der offen liegenden Tempelkarten für eine zusätzliche Wertung dazu legen. Somit hat man ein zusätzliches interaktives Element in Form eines Wettrennens geschaffen. Sobald eine Person drei Cóatl-Skulpturen fertig gestellt hat, beginnt noch eine finale Aktionsrunde und dann endet die Partie.
Mit den eigenen Opferplättchen kann man bestimmte Regeln einmalig aussetzen. Mal kann man sich direkt aus dem Beutel ein passendes Teil nehmen, mal eine Tempelkarte reservieren oder die Auslage der Prophezeiungskarten neu bilden und Handkarten abwerfen.
Für tüftelnde Solisten gibt es übrigens noch eine eigene Regelvariante, bei der man gegen einen imaginären Gegner antritt, der auf den charmanten Namen Adam hört. Wobei ich eigentlich A.D.A.M. schreiben müsste, was für Automatische-Drachen-Anordnungs-Maschine steht.
Das gefällt mir nicht so gut: Ich halte es für eine unglückliche Idee, im Einsteigerspiel auf die Opferplättchen zu verzichten. Den Sinn hinter dieser Einschränkung verstehe ich, müssten doch damit zusätzlich zu den Standard-Regeln auch noch die einmaligen Ausnahmen erklärt werden. Aber durch die Opferplättchen ist das Spielgefühl weniger strafend, weniger anstrengend. Ich habe Einsteiger-Runden erlebt, die in großem Frust endeten, weil manche ihre Cóatl-Skulpturen nicht mehr beenden konnten und ihnen somit etliche Punkte flöten gingen – bloß, weil sich keine Kopf- oder Schwanzteile mehr in der Auslage befanden. Die Auslage wird nämlich nicht immer automatisch aufgefüllt, sondern nur wenn bestimmte Rahmenbedingungen erfüllt sind. Diese unglückliche Situation kann jedoch durch den Einsatz des entsprechenden Opferplättchens vermieden werden. Mit größerer Spielerfahrung achtet man darauf, dass einem das schon nicht passieren wird. Aber zu dieser größeren Spielerfahrung wird es erfahrungsgemäß nicht kommen, wenn die erste Partie einen total gefrustet hat. In meinen Augen sorgen die Opferplättchen für ein runderes Spiel und gehören deswegen auch von Anfang an mit dazu. Mit diesen Plättchen können unglückliche Situationen vermieden werden und das Spiel fühlt sich etwas freundlicher gesinnt an.
Bei der Gestaltung ist viel bedacht worden. So sind die Ablagetableaus bspw. eine gute Hilfe beim Haushalten der einzelnen Elemente. Leider vermisse ich eine solche Hilfe beim Organisieren der einzelnen Cóatl-Skulpturen. So wäre bspw. ein Ablagebereich auf dem Tableau denkbar, auf dem man die Karten für die einzelnen Cóatls sammelt. So verteilt man diese recht wild vor sich und versucht dabei ein System zu etablieren, wie man später die ausgespielten Karten den Skulpturen zuordnen kann. Das hätte gerne noch etwas eleganter gelöst sein dürfen.
Schon in der Einleitung habe ich deutlich gemacht, dass ich kein großer Fan von Plastik in Spielen bin. Bei COATL bin ich bei dieser Thematik etwas zwiegespalten. Natürlich macht das Zusammenpuzzeln der Teile Spaß und damit werden kindliche Triebe befriedigt. Diese haptische Komponente ist somit nicht zu verachten. Auch die Stabilität der Schlangen ist wichtig, so dass man diese gut auf dem Tisch verschieben kann. Leider wirken aber die einzelnen Plastikteile billig. Wahrscheinlich sind sie das auch, weil ansonsten kein vernünftiger Verkaufspreis für die Zielgruppe zustande käme. Aber wenn man von AZUL verwöhnt ist, dann sprechen einen die leichten Plastik-Cóatl-Teile kaum an und man fühlt sich im Kinderspielsektor geparkt. Der Vergleich mit AZUL drängt sich übrigens auf, da COATL ein ähnliches Spielgefühl vermittelt – wenn auch COATL wesentlich denklastiger ist.
Das gefällt mir gut: Man könnte meinen, dass COATL aufgrund der vielen zu beachtenden Wertungsmöglichkeiten ein stiller Vertreter seiner Zunft ist. Ständig ist man am abwägen, ob man sich nun auf diese Karte oder auf jene konzentrieren soll. Da werden gedanklich eine ganze Menge an Schlangen gebildet. Aber auch wenn man somit den Großteil der Zeit nur für sich hin tüftelt, ist die Interaktion über die offenen Auslagen nicht zu unterschätzen. Ständig flucht man über die Mitspielenden, die einem erst die erhofften Cóatl-Teile wegschnappen, dann die passenden Prophezeiungskarten und schlussendlich auch noch die anvisierte Tempelkarte. Man hat Pläne im Kopf – und die wenigsten lassen sich umsetzen. Somit ist COATL kein konfliktarmes Solitär-Puzzle, sondern ein kleines Hauen und Stechen um begehrte Teile bzw. Wertungskarten.
Damit einher geht immer wieder die spannende Frage: welche Cóatl-Teile werden beim Auffüllen wohl aufgedeckt? Das Angebot dort ist arg begrenzt, so dass man schon einmal bei der Wunschfarbe leer ausgehen kann. Entsprechend spannungsgeladen schaut man zu, was aus den Beuteln heraus geholt wird. Diese Beutel sind übrigens ganz formidabel gestaltet und fühlen sich im Gegensatz zu den Plastikteilen sehr wertig an.
COATL hat einen leichten Kern, ist dann aber aufgrund der kleinteiligen Zusatzregeln und der biestigen Wertungen nicht ganz so leicht zu meistern. Anfangs geht man noch recht unbedarft ans Werk, aber mit jedem neu anzubauenden Teil und jeder Wertungskarte erhöhen sich die Zwänge. Durch die Beschränktheit der aufzunehmenden Teile und Karten muss man sich aber irgendwann entscheiden. Man kann nicht die ganze Zeit sammeln und dann hoffen, daraus etwas zu machen. Sondern man muss in Vorleistung gehen und dann darauf hoffen, dass die weiteren Aktionen dazu passen können. Dieser Mix gefällt mir, da dadurch Emotionen geschürt werden. Man bibbert, man hofft und man erfreut sich an den Geistesblitzen, wenn man auf einmal alles unter einen Hut bringen kann.
Fazit: COATL erfindet das Rad nicht neu, ist aber als Gesamtkonzeption eine runde Sache – auch wenn man mehr Ketten als Kreise bildet. Das etwas andere Thema und die besondere Aufmachung spricht hoffentlich mehr Leute an, als dass es diese abschreckt. Für mich war es jedenfalls eine positive Überraschung, da ich COATL gar nicht auf dem Schirm hatte. An die Klasse von AZUL reicht es zwar nicht ganz heran, aber es muss sich in diesem Spiele-Segment definitiv auch nicht verstecken.
Titel | Coatl |
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Autoren | Pascale Brassard und Etienne Dubois-Roy |
Illustrationen | SillyJellie |
Dauer | 20 Minuten pro Person |
Personenanzahl | 1 bis 4 |
Zielgruppe | tüfftelnde Kennerspielrunden |
Verlag | Synapses Games (bzw. HeidelBär Games) |
Jahr | 2020 |
Hinweis | für die Besprechung wurde vom Verlag ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt |
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