Die Quacksalber von Quedlinburg: Die Kräuterhexen von Wolfgang Warsch – erschienen bei Schmidt Spiele
Ich vertrete weiterhin die Meinung, dass der Frauenanteil in der Brettspiel-Szene erhöht werden sollte. Sei es durch mehr Autorinnen, Redakteurinnen, Medienvertreterinnen oder auch einfach Protagonistinnen in Spielen. Allerdings bin ich mir noch nicht so sicher, ob ich dann damit glücklich bin, dass aufgrund dieser Meinung nun Kräuterhexen in den Mittelpunkt gestellt werden – so wie in dieser Erweiterung zu DIE QUACKSALBER VON QUEDLINBURG. Andererseits sind ihre Vorgänger – die Quacksalber – auch nicht gerade positiv in unserem Sprachgebrauch besetzt. Und dann doch lieber "Die Kräuterhexen von Quedlinburg" als so ein schales Wortspiel wie "Die Quäckerinnen von Quedlinburg".
Thema... auf dem neuntägigen Basar von Quedlinburg lassen sich nun auch Kräuterhexen antreffen. Diese haben nicht nur eine neue Zutat im Angebot (neben praktischen Überlaufschalen), sondern können auch einmalig für besondere Dienste angeworben werden. Nein, nicht das, was ihr nun denkt. Vielmehr geht es um hilfreiche Zauber.
Illustrationen… sind von Dennis Lohausen und bleiben natürlich seinem Stil treu. Dabei wird die gute Symbolsprache beibehalten – genauso wie der positive Ansatz, nicht alles ausschließlich über Symbol abbilden zu wollen. So sind weiterhin die Zutaten-Bücher und Kräuterhexen auch mit entsprechenden Texten versehen.
Ausstattung… neben dem Material für einen fünften Spieler sind nun natürlich die titelgebenden Kräuterhexen in der Box. Wie man es von den Zutaten-Büchern aus dem Grundspiel gewohnt ist, kommen auch die Kräuterhexen mit einer hohen Varianz daher (insgesamt sind es zwölf). Damit man sich deren Dienste sichern kann, erhalten die Spieler nun am Anfang passende Hexenpfennige. Und apropos Varianz der Zutaten-Bücher: auch hier sind acht neue in der Box. Neu sind ebenfalls die Überlaufschalen für die Kessel sowie das Narrenkraut und der 6er-Kürbis.
Das ganze Material ist übrigens abgestimmt auf die Neuauflage des Grundspiels. Das hat nämlich im Laufe des letzten Jahres ein Upgrade erhalten, auf das logischerweise nun auch die Erweiterung aufsattelt. Ganz problemlos ist das für die Besitzer der Erstauflage allerdings nicht, wie ich unten aufzeigen werde.

Ablauf… ändert sich kaum. Die neue Zutat ist eben eine weitere Zutat. Die neuen Zutaten-Bücher bringen neue Funktionen mit sich und erhöhen nochmals die Varianz. Die Überlaufschalen kommen nur dann zum Einsatz, wenn man tatsächlich mal den Kessel voll mit Zutaten bekommen hat. Musste man früher abbrechen, kann man nun noch weiter sein Glück herausfordern.

Wirklich neu sind dahingegen die Kräuterhexen. Von diesen stehen nun in jeder Partie drei mit ihren individuellen Eigenschaften zur Verfügung. Einmal pro Partie kann man jede dieser drei Eigenschaften aktivieren, was durch die Abgabe des farblich passenden Hexenpfennings deutlich gemacht wird.
Das gefällt mir nicht so gut: Die zusätzliche Zutat hätte nicht wirklich sein müssen. Natürlich vergrößert sie das Angebot. Aber das war vorher schon mehr als reichlich. So ist also beim Kauf eine weitere Zutat in den eigenen Überlegungen abzuwägen. Kann man gerne machen, war aber nicht notwendig.
Ärgerlicher für die Besitzer der ersten Auflagen sind die bestehenden Materialunterschiede. Denn in den neuen Auflagen (und somit auch in dieser Erweiterung) sind die Pappteile nicht mehr glänzend beschichtet, sondern matt. Das führt aber dazu, dass man die neuen Zutaten im Sack erfühlen kann. Natürlich nur, wenn man das aktiv auch möchte. Da DIE QUACKSALBER VON QUEDLINBURG schon seit jeher ein Spiel ist, in dem man auch ganz gut schummeln kann, ist nun also eine weitere Mogelmöglichkeit ins Spiel gekommen. Allerdings muss man dazu auch bereit sein. Außerdem kann man dem etwas entgegen wirken. Denn in der Erweiterung sind auch einige Zutaten aus dem Grundspiel dabei (inklusive Knallerbsen). Mischt man diese anständig mit denen aus dem Grundspiel, dann hat man hier schon für ein paar Unwägbarkeiten gesorgt.

Außerdem muss man hier auch den Verlag in Schutz nehmen. Viele Rückmeldungen aus den ersten Auflagen betraf die kleineren Mängel am Material. Diese wurden dankenswerterweise nun behoben, wofür sich die Spieler in Zukunft bedanken. Natürlich mussten diese Veränderungen auch in der Erweiterung fortgesetzt werden, sonst hätte die Änderung keinen Sinn ergeben. Da der Schmidt Verlag recht kulant mit Kundenverlangen umgehen soll, die diese Ungleichheit als unzumutbar ansehen, sollte sich der Unmut in Grenzen halten. Zusätzlich bin ich nicht der Meinung, dass hier für die Erstauflagenbesitzer eine unspielbare Erweiterung vorliegt. Fernab vom ästhetischen Empfinden kann man die Unterschiede recht einfach handeln. Aufgrund der Ästhetik kann ich aber den Ärger im gewissen Maße auch nachvollziehen. Ich finde die Änderungen jedenfalls sinnvoll und gut. Lediglich die neuen Stoffbeutel gefallen mir nicht mehr so gut wie die alten (was hauptsächlich am verwendeten Kunststoff-Material liegt).
Das gefällt mir gut: Die Erweiterung verlängert die Spielzeit nur unwesentlich. Da meistens sowieso simultan gespielt wird, kann ein fünfter Mitstreiter problemlos ins Spielgeschehen integriert werden. Ohnehin spielt man erfahrungsgemäß mehr für sich alleine.
Einzig durch die Hexen kommt nun ein Element hinzu, dass die Spielzeit ein wenig erhöht – dafür werden nun aber auch neue taktische Möglichkeiten eröffnet. Denn bei den zur Verfügung stehenden Eigenschaften sollte man sich schon genau überlegen, wann man diese optimal einsetzt. Dabei sind alle Eigenschaften vorteilhaft für das eigene Spiel (kein Wunder also, dass ich Kräuterhexe Shyla als Mitarbeiterin des Monats März auserkoren habe). Sie können sogar extrem unglückliche Runden ins Gegenteil verkehren, so dass auch eigentlich Pechvögel wieder glücklich sein können. Damit wird auch ein wenig der hohe Glückseinfluss begrenzt. Allerdings auch nicht so stark, dass nun ein komplett anderes Spielgefühl entsteht – schließlich spielt man auch deswegen DIE QUACKSALBER VON QUEDLINBURG.
Aufgrund der neuen Zutaten-Bücher und der Hexeneigenschaften kann es nun bei günstigem Spielverlauf eher vorkommen, dass der Hexenkessel zu voll wird. Die neuen Überlaufschalen tragen dem Rechnung. Hier wird mit einem kleinen eleganten Hilfsmittel eine pragmatische Lösung angeboten – die sich auch noch wunderbar in das tolle Design anpasst. Solche durchdachten Kleinigkeiten weiß ich sehr zu schätzen!
Fazit: DIE KRÄUTERHEXEN sind eine klassische Erweiterung. Es ist ein Angebot für die Fans des Spiels, die neue Möglichkeiten haben wollen. Man verpasst aber auch nichts Elementares, wenn man weiterhin ohne sie spielt. Ich will die Erweiterung allerdings nicht mehr missen – und das nicht deswegen, weil ich mir einen höheren Frauenanteil wünsche. Sondern, weil sie mich mit Inhalten überzeugt hat.
Titel | Die Quacksalber von Quedlinburg: Die Kräuterhexen |
Autor | Wolfgang Warsch |
Illustrationen | Dennis Lohausen |
Dauer | 45 Minuten |
Spieleranzahl | 2 bis 5 Spieler |
Zielgruppe | Kräuterbonbons lutschende Zocker |
Verlag | Schmidt Spiele |
Jahr | 2019 |
Ich bedanke mich bei Schmidt Spiele für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars. Ich bin mir sicher, dass durch diese Bereitstellung meine Meinung nicht beeinflusst wurde. Die Besprechung spiegelt meine gemachte Erfahrung wider.
Schmidt Spiele zeigt sich sehr kulant, wenn es um den Austausch der glänzenden Teile geht. Eine kurze Mail an den Kundenservice schreiben und die matten Teile werden innerhalb von ca. 14 Tagen frei Haus geliefert. 🙂