First Rat von Gabriele Ausiello und Virginio Gigli – erschienen bei Pegasus Spiele
Ratten werden gerne als sehr intelligente Wesen beschrieben. Ich bin mir da nicht so sicher – zumindest, wenn ich die Ratten aus FIRST RAT als Bewertungsgrundlage ansehe. Die sind doch tatsächlich Nick Park auf dem Leim gegangen und denken nun, der Mond ist aus Käse. Dabei weiß ich doch seit Folge 11 von Benjamin Blümchen, dass der Mond aus Zucker ist!
Thema... was machen die Ratten vom Schrottplatz nebenan den lieben langen Tag? Richtig, sich langweilen. Gut also, dass sie irgendwo ein paar alte Comic-Hefte gefunden haben. Denn dadurch hat ihr Leben einen neuen Sinn bekommen: es muss eine Rakete gebaut werden, mit der man zum Mond fliegen kann. Schließlich ist der Käse (s.o.)! Zusätzlich finden sich auch alle benötigten Teile für eine Rakete auf dem Schrottplatz: leere Dosen für den Rumpf, alte Taschenrechner für die Steuerungselektronik und natürlich Zitronensäure-Flaschen, aus denen man die Antriebsraketen herstellen kann. Aber da Ratten tatsächlich nicht doof sind, fällt ihnen auch noch ein, dass man sich auch um den Proviant für einen langen Flug kümmern muss.
Illustrationen... sind mindestens genauso humorvoll wie das Thema – keine Kunst, stammen die Illustrationen doch aus der Feder von Dennis Lohausen. Dieser arbeitet schon immer gerne mit Anspielungen und Easter Eggs und kann sich somit bei FIRST RAT voll ausleben. Und tut das auch!
Ausstattung... die Box ist gut gefüllt mit einem zweiseitig bedruckten Spielplan, ganz vielen Papp-Plättchen und knuffigen Holz-Ratten. Diese sind übrigens so konstruiert, dass sich zwischen Schwanz und Körper ein Charakter-Plättchen schieben lässt, welche aber erst für erfahrene Runden empfohlen werden.
Erfahrene Runden sollten auch die Rückseite des Spielplans nutzen. Auf diesem können nun die einzelnen Felder variiert werden, so dass sich keine festen Verhaltensweisen einschleichen können. Allerdings darf man das nicht missverstehen, denn auch das Grundspiel hat einiges an Varianz zu bieten. Diese zeigt sich in den unterschiedlichen Comics, Rücksäcken und Kronkorken. Alles Elemente, die man einsammeln kann, um dann das Spiel zum eigenen Nutzen zu beeinflussen. Denn auf einmal darf man die Regeln beugen bzw. über die Kronkorken erhält man am Ende noch zusätzliche Siegpunkte.
Ablauf... FIRST RAT kombiniert ein klassisches Laufspiel mit Worker Placement Elementen. Bin ich an der Reihe, bewege ich meine Ratte Richtung Abschussrampe und führe dabei das Feld aus, auf dem ich ankomme. Dafür erhalte ich meistens Rohstoffe, die ich am Ende meines Zuges in Siegpunkte umtauschen kann. Alternativ werden aber auch noch andere Spielelemente ausgelöst, die ich nun gar nicht im Detail alle erklären will. Dabei kann ich auch bereits besetzte Felder ansteuern, muss aber allen andern dort stehenden Ratten etwas von meinem Käse abgeben. Auch kann ich mehr als eine eigene Ratte bewegen. Aber nur dann, wenn diese auf gleichfarbigen aber unterschiedlichen Feldern stehen bleiben. Zusätzlich ist dann die Bewegungsweite im Vergleich zur alleinigen Bewegung eingeschränkt.
Das macht man abwechselnd so lange, bis entweder eine gewisse Anzahl an eigenen Ratten abflugbereit in der Rakete warten oder man die eigenen Wertungssteine für die anderen Elemente aufgebraucht hat. Das Spiel endet dann mit einer umfangreichen Wertung, wofür dankenswerterweise auch ein passender Block beiliegt.
Weiterhin gibt es noch die mittlerweile obligatorische Solo-Variante. Mittels eines eigenen Kartendecks wird eine zweite Person simuliert, gegen die man sich dann duelliert. Dabei sind verschiedene Schwierigkeitsstufen und Herausforderungen möglich.
Das gefällt mir nicht so gut: Trotz aller Varianz und einiger starken Ideen (wie die Superhelden-Comics) wiederholen sich die Spielerlebnisse bei FIRST RAT zu sehr. Es gab keine Partie, bei der mal wirklich etwas überraschendes passiert ist. Den Großteil der Zeit verbringt man eben doch damit, bis drei oder fünf zu zählen und im langweiligsten Fall Ressourcen zu sammeln, die man dann später gegen Punkte eintauscht. Natürlich gibt es auch andere Strategien, aber wenn diese schon von anderen Mitspielenden benutzt werden, dann sollte man sich gefälligst eine eigene Nische suchen, damit man effizient bleibt. Somit ist FIRST RAT auf lange Sicht zwar ein angenehm gefälliges Spiel, es fehlt allerdings das gewisse Extra, um aus der Masse heraus zu stechen.
Damit die unterschiedlichen Strategie-Möglichkeiten zum Tragen kommen, empfehle ich, relativ schnell mit dem variablen Aufbau des Spielplans zu spielen. Mit diesem ergeben sich interessantere Entscheidungen bei den Bewegungen und durch die unterschiedlichen Siegpunkte bei den Wertungen auch neue Akzente. Im Basisplan ist man doch schnell auf vertrauten Wegen unterwegs und die hohen Belohnungen für die Ratten in der Rakete sorgen meist für ein unangenehm hohes Tempo, bei dem die Alternativen gerne mal aus dem Blick geraten.
Den größten Spaß hatte ich mit der vollen Besetzung. Dann passiert dauernd etwas auf dem Spielbrett und die Käsestücke werden hin und her gereicht. Natürlich wird es somit auch etwas chaotischer, aber das tut dem Spiel gut. Trotz guter Balance für die unterschiedlichen Personenanzahlen finde ich FIRST RAT in der 2‑Personen-Konstelation zu eintönig. Positiver ausgedrückt: man kann dabei nun deutlich besser planen und sein Ding durchziehen. Da auch die Solo-Variante dieses 2‑Personen-Spiel simuliert fand ich diese auch entsprechend fad. Aber ich bin ohnehin nicht der passionierte Solo-Spieler. Wenn ich das also schon mache, dann muss mich der Mechanismus überzeugen – und das tut er bei FIRST RAT nicht.
Das gefällt mir gut: Im ersten Moment fühlt man sich in die eigene Kindheit zurück versetzt, in der man bei den Großeltern Leiterspiele auf den Tisch gebracht hat. Denn natürlich bietet der Spielplan von FIRST RAT durch die Tunnel auch die Möglichkeit, Abkürzungen zu wählen. Allerdings sollte man nicht all zu lange in der nostalgischen Erinnerung schwelgen, denn FIRST RAT ist ein modernes Spiel. Die Laufbewegung löst klassische Worker Placement Aktionen aus, durch die Kosten bei Mitbenutzung entsteht auch eine Konkurrenz um die vermeintlich besten Plätze. Dabei bietet das Spiel eine hohe Entscheidungsvielfalt und es gibt schon einiges zu bedenken, weswegen trotz des fluffigen Themas die Einordnung als Kennerspiel nachvollziehbar ist.
Allerdings kann man es auch gut in Runden mit Neulingen spielen. Denn trotz des recht wuseligen Plans wird man doch durch die Anleitung, die Spielhilfen und die klare Symbol-Sprache gut an die Hand genommen. Wobei die größte Hilfe das verrückte Thema ist. Denn erstaunlicherweise lassen sich darüber sehr gut die einzelnen Aktionen erklären. So ein Streichholz-Päckchen-Rucksack ist nun einmal hilfreich, um mehr Zeug verstauen zu können. Und dass das Lesen von Comics hilft, um darüber Superkräfte zu bekommen, habe ich schon damals versucht meinen Lehrern klar zu machen. Natürlich werden manche Leute etwas vom Thema abgeschreckt, aber der Großteil weiß den Mut bei der Themenwahl zu honorieren.

FIRST RAT ist in meinen Augen ein verkapptes Rennspiel. Allerdings nicht nur auf dem Weg zur Rakete, sondern auch bei all den anderen Elementen geht es immer um Schnelligkeit und Effizienz. Wie kann ich geschickt meine Bewegungen auf meine Ratten aufteilen, um so viel wie möglich machen zu können? Aber zu viel Zeit zum Optimieren sollte ich mir auch nicht lassen, weil dann vielleicht schon die hohen Wertungen besetzt sind. Also doch lieber nur mit der einen Ratte nach oben preschen? Es ist schon wichtig ein gewisses Gefühl für das richtige Timing zu haben. Und man sollte immer auch die Comics und Kronkorken bedenken. Ohne deren Möglichkeiten beraubt man sich wertvoller Verbesserungen.
Fazit: Eigentlich macht FIRST RAT alles richtig: unverbrauchtes Thema, schräger Humor, gut funktionierender Mechanismus und ganz viel Varianz. Ich würde mich auch nie gegen eine Partie wehren. Allerdings hat mich das Spiel leider nicht emotional gepackt. Zu sehr ähneln sich die einzelnen Partien, so dass für mich doch recht schnell die Luft raus war. Aber Käse ist es definitiv auch nicht!
Titel | First Rat |
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Autoren | Gabriele Ausiello und Virginio Gigli |
Illustrationen | Dennis Lohausen |
Dauer | 30 bis 75 Minuten |
Personenanzahl | 1 bis 5 Personen |
Zielgruppe | Kennerspielrunden mit Sinn für Humor |
Verlag | Pegasus Spiele |
Jahr | 2022 |
Hinweis | für die Besprechung wurde vom Verlag ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt |
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