Magic Maze von Kasper Lapp – erschienen bei Sit Down! bzw. Pegasus Spiele
Dies ist ein Update des Ersteindrucks!
Manch gut Ding will Weile haben. So wie hoffentlich auch dieser Artikel zu MAGIC MAZE. Denn es hat doch eine ganze Weile gedauert, bis ich mir eine abschließende Meinung zu diesem Spiel zugetraut habe. Warum das so lange gedauert hat? Ungeduldige können nun schnell unten nachschauen. Vielleicht sind diese Ungeduldigen auch das besondere Zielpublikum für dieses Spiel, denn man sollte es schon schnell und wild mögen, um MAGIC MAZE genießen zu können.
Thema... So könnte ein schlechter Fantasy-Witz anfangen: gehen ein Krieger, ein Magier, ein Elf und ein Zwerg in ein Einkaufszentrum... Ja, dass Thema ist schon außergewöhnlich. Denn nachdem vier stattliche Fantasy-Helden ihrer Ausrüstung beraubt wurden, sehen diese sich gezwungen, sich nun im nächsten Einkaufszentrum (mit funktionierenden Rolltreppen und Videokameras!!!) ihre neue Ausrüstung zusammen zu rauben. Also schnell rein, gleichzeitig zuschlagen und schnell wieder raus. Man ahnt: das kann stressig werden.
Illustrationen... sind von Gyom und stehen wahrscheinlich in der Tradition frankophiler Comiczeichner – zumindest denke ich mir das als absoluter Laie auf diesem Gebiet. Es ähnelt jedenfalls in der Gestaltung vielen anderen Spiele aus Belgien bzw. Frankreich (was alles andere als abwertend gemeint ist). So dürfen wir also frische Farben genießen und uns an vielen kleinen Details im Einkaufszentrum erfreuen. Mein Highlight ist die Kinderspielecke mit Bällchenbad – natürlich geleitet von einem herzallerliebsten Monster.
Gut gefällt mir auch, dass bei der Gestaltung auf Spieler mit Farbfehlsichtigkeit geachtet wurde. Jeder im Spiel befindlichen Farbe ist immer auch ein eigenes Symbol zugeordnet. Das ist vielleicht in der Hektik nicht immer sofort gut zu erkennen, aber zumindest hat man die faire Chance dazu.
Ausstattung... besteht aus vielen Labyrinth-Pappplättchen, die das Innere des Einkaufszentrums aufzeigen (mit Wegen, Rolltreppen, Teleportern, Erkundungsfeldern, Ausgängen...). Dann sind noch die vier Helden durch Holzpöppel vertreten und in ihrem Gefolge ist die wichtige "Tu was!"-Spielfigur. Noch wichtiger ist allerdings die Sanduhr, ohne die MAGIC MAZE nicht funktionieren würde. Neben ein paar Pappmarkern sind zu guter Letzt noch Aktionsplättchen im Spiel enthalten, die für unterschiedliche Spieleranzahl skalieren – inklusive eigener Plättchen für das optionale Solo-Spiel. Und wer in fester Gruppe eine Kampagne spielen will, der bekommt für diese noch eine Art Logbuch zur Verfügung gestellt.
Ablauf... zu Beginn des Spiels stehen unsere Helden noch unauffällig im Eingangsbereich des Einkaufszentrum herum. Da keiner von uns vorher schon einmal hier war, wissen wir auch nicht, wie es hinter unserem Blickfeld weitergeht. Weil wir allerdings in einem ganz besonderen Einkaufszentrum gelandet sind, bedarf es fantastischer Kräfte, um über das Ende eines Ganges hinaus schauen zu können – so kann bspw. nur die lila Spielfigur auf einem lila Such-Feld stehend dafür sorgen, dass hier ein weiteres Raumplättchen angelegt wird.
Ziel ist es, dass alle Helden auf ihre entsprechenden Ausrüstungsfelder gelangen, die auf den einzelnen Einkaufszentrum-Plättchen verteilt sind. Befinden sich alle Helden am Ziel, dann klauen sie sich ihren Ausrüstungsgegenstand und müssen nun fluchtartig das Einkaufszentrum verlassen.
Eine Besonderheit an MAGIC MAZE ist nun, dass nicht etwa jeder Spieler einen Helden bewegt, sondern dass die einzelnen Aktionsmöglichkeiten der Helden auf die Mitspieler verteilt sind. Soll also der Zwerg erst nach rechts, dann geradeaus und dann nach links laufen, dann müssen dafür schon drei Mitspieler beteiligt sein (einer kann einen Held nach rechts laufen lassen, der andere geradeaus und der dritte nach links). Genauso sieht es mit den Sonderaktionen Teleporter benutzen, Rolltreppe fahren und Erkunden aus – auch diese Aktionsmöglichkeiten sind auf die einzelnen Mitspieler verteilt.
Das alles wäre sicherlich noch ganz gut machbar und würde in einem lauten Stimmengewirr wie bspw. bei HYSTERYCOACH enden, wenn, ja wenn, man nicht die überwiegende Zeit nicht miteinander kommunizieren dürfte. Also weder reden noch auf etwas deuten. Anstarren darf man – und eben den "Tu was!"-Pöppel vor den entsprechenden Mitspieler knallen. Wobei durch bestimmte Ausnahmesituationen darf man doch mal kurz miteinander reden – aber dabei verrinnt auch der Sand in der Sanduhr unaufhörlich.
Man kann im weiteren Verlauf sehr gut den Schwierigkeitsgrad skalieren. Je sicherer man sich als Gruppe fühlt, mit umso mehr Einschränkungen kann man spielen. So sind manche Durchgänge nur von Zwergen passierbar oder es müssen nun Videokameras beachtet werden. Auch die ohnehin schon rudimentär vorhandene Kommunikation kann noch mehr eingeschränkt werden. Richtig schwer wird es, wenn das Einkaufszentrum fortwährend umgebaut wird oder z.B. keine Gruppen gebildet werden dürfen.
Das gefällt mir nicht so gut: Es war teilweise deprimierend zu beobachten, wie viele potentielle Mitspieler bei der Erklärung abgewunken haben und Alternativen einfordernden. Erfahrungsgemäß haben es Hektikspiele nicht leicht. Aber wie ich nun erfahren musste, haben es Hektikspiele mit einer eingeschränkten Kommunikation noch schwerer (ähnliches erlebe ich auch gerade mit THE MIND). Man muss erst einmal Mitspieler finden, die sich darauf einlassen.
So hat es auch eine Weile gedauert, bis sich eine Gruppe gebildet hat, mit der man die schwereren Level angehen konnte. Ich habe oftmals die Einführungsrunden gespielt, konnte dann aber die Gruppe nicht davon überzeugen, sich tiefer in MAGIC MAZE "einzuarbeiten". Am leichtesten viel mir das mit jüngeren Mitspielern. Die erfreuen sich wohl mehr am Chaos und der Hektik. Allerdings lässt sich schon ganz allgemein feststellen, das der anfängliche Reiz des Neuen bei den meisten recht schnell nachlässt. Ein Phänomen, was ich aber auch bei ähnlichen kooperativen Hektikspielen schon öfters erlebt habe (bspw. bei ESCAPE).
Insgesamt fällt auf, wie viele Mitspieler Schwierigkeiten mit der verbalen Beschränkung hatten. Die fühlten sich teilweise bevormundet, dass sie nicht reden durften. Hier gilt es ein gesundes Fingerspitzengefühl an den Tag zu legen. Denn wird offen kommuniziert, dann ist MAGIC MAZE keine große Herausforderung. Der Autor hat sich schon etwas dabei gedacht, die vorliegenden Regeln so zu fassen, wie sie sind. Allerdings muss man auch nicht zu sklavisch sein – denn schließlich steht der gemeinsame Spaß am Spieletisch im Vordergrund. So sollte jede Gruppe ihr eigenes Maß anlegen. Ich empfehle aber, sich größtenteils an die Regeln zu halten.
Was meiner Meinung nach bei MAGIC MAZE gar nicht überzeugt, ist der Solo-Modus. Den habe ich ganz schnell wieder sein gelassen. Die Besonderheit daran ist, dass man die einzelnen Aktionen über eigene Plättchen aktiviert. Aus diesen Plättchen bildet man einen Stapel, den man nun von oben herunterspielt. Natürlich darf man dabei nur die Aktion machen, die man gerade sieht. Will man danach die Aktion machen, die sich nun aber schon auf dem Ablagestapel befindet, muss man ganz schnell die Plättchen durcharbeiten. Das Ganze hat also noch einen kleinen Memory-Mechanismus und ist wahnsinnig mechanisch, da man dauernd Plättchen ablegt und wieder aufnimmt. Mich hat der Solo-Modus nur genervt und irgendwie fühlte sich das Spielen unbefriedigend an – vor allem wenn man solche Solo-Partien vergleicht mit dem Gruppenerlebnis bei MAGIC MAZE.
Das gefällt mir gut: Denn eine Partie MAGIC MAZE hat viele Emotionen zu bieten. Auch wenn man vielleicht in einer Partie selbst kaum miteinander redet, dann wird dies meist direkt im Anschluss ausgiebig nachgeholt. Dann wird analysiert, nachträglich sein Dilemma erklärt und über die eigene Blindheit gelacht. MAGIC MAZE lässt einen selten kalt. Auch während der Partien kochen die Emotionen hoch. Der "Tu was!"-Pöppel wird auf den Tisch geknallt – und bewirkt damit meist nur das Gegenteil. Denn je mehr man sich dabei unter Druck gesetzt fühlt, um so langsamer denkt man. Das wiederum macht die anderen wahnsinnig und so wird gelitten. Das ist Stress pur – aber mir macht so etwas mehr Spaß, als bspw. minutenlang einem Mitspieler beim Durchrechnen des vermeintlich optimalen Zuges zusehen zu müssen.
Hat man die erste Kennenlernphase überwunden und wagt sich an die schwierigeren Level heran, dann merkt man, wie die Lernkurve ansteigt. Man wird zielgerichteter und strukturierter. Dann kommt das erhabene Gefühl auf, Teil einer gut geschmierten Maschinerie zu sein. Man wächst als Gruppe. Aufgrund der Zeitnot und der Konzeption kommt es dabei auch nicht zu dem Problem, dass sich einer als Führer aufspielen kann. Die Gruppe kann das Spiel nur als Gruppe meistern.
Doch auch wenn es dazu eher selten kommen wird, so lohnt sich MAGIC MAZE auch in den Einsteigerszenarien als guter Start in einen Spieleabend. Sind noch nicht alle da und braucht man noch etwas schnelles: eine Runde MAGIC MAZE geht immer – auch weil sich gut, neu hinzukommende Spieler integrieren lassen. Für öffentliche Spieletreffs oder andere Veranstaltungen ist MAGIC MAZE somit ideal.
Fazit: MAGIC MAZE ist sicherlich kein Spiel für jedermann. Doch hat man Spaß an Hektik und kooperativen Spielideen, dann ist es sicherlich eine sehr gute Wahl. Meine damalige Einschätzung, dass das Spiel regelrecht nach Erweiterungen schreit, hat sich auch bewahrheitet. Besonders interessant finde ich aber die Ankündigung, eine eigene Kinderversion auf den Markt zu bringen. Meiner Meinung nach müsste das gut passen. Denn meine Erfahrungen haben gezeigt, dass sich besonders Kinder von dem wilden Trubel bei MAGIC MAZE begeistern lassen.
Titel | Magic Maze |
Autor | Kasper Lapp |
Illustrationen | Gyom |
Dauer | 1 – 20 Minuten |
Spieleranzahl | 1 bis 8 Spieler (gut ab ≥ 3 Spieler) |
Zielgruppe | kooperatives Funspiel / Familienspiel |
Verlag | Pegasus / Sit Down! |
Jahr | 2017 |
Ich bedanke mich bei Pegasus für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars. Ich bin mir sicher, dass durch diese Bereitstellung meine Meinung nicht beeinflusst wurde. Die Besprechung spiegelt meine gemachte Erfahrung wider.
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