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kritisch gespielt: The Gang

The Gang von John Cooper und Kory Heath – erschienen im KOSMOS Verlag

The Gang - Box
Bild: KOSMOS Verlag

In der Musik gehört ein "The" im Band­na­men zum guten Ton. Die­ses Kon­zept scheint der KOSMOS Ver­lag auch für Spie­le­ti­tel über­neh­men zu wol­len. Nach THE CREW ist nun THE GANG am Werk.

The­ma... Dan­ny Oce­an und sei­ne Kum­pa­nen las­sen grü­ßen: unse­re berüch­tig­te Gang plant eine Serie an Über­fäl­len. Bevor drei­mal der Hahn kräht die Alarm­si­re­ne ertönt, wol­len wir drei unter­schied­li­che Tre­so­re geknackt haben. Doch was hat das alles mit Poker zu tun? Kei­ne Ahnung, viel­leicht die Asso­zia­ti­on mit den über­fal­le­nen Casi­nos bei Ocean's Ele­ven. Zwei­fels­oh­ne ist in die­sem The­men­ge­wand bei­spiels­wei­se BURGLE BROS. das deut­lich immersi­ve­re Spiel, aber inter­es­san­ter­wei­se ver­fängt das Set­ting trotz­dem und fühlt sich stim­mig an.

Illus­tra­tio­nen… wur­den stil­echt von der Fio­re GmbH in Sze­ne gesetzt. Der Look passt per­fekt zum Set­ting: die Kar­ten sehen klas­sisch aus, haben aber auch das gewis­se Extra. Und die Cover­ge­stal­tung strahlt im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes auf­grund der vie­len Goldeffekte.

The Gang - Übersicht
damit lässt sich varia­bel pokern

Aus­stat­tung… da wir in THE GANG koope­ra­tiv Poker spie­len, war­tet logi­scher­wei­se ein 52 Kar­ten umfas­sen­des Poker­blatt auf uns. Zusätz­lich sind noch wei­te­re Kar­ten in der Box: Über­sich­ten, drei Tre­so­re, drei Alarm­si­re­nen sowie Chall­enge- und Spe­zia­lis­ten­kar­ten. Und natür­lich dür­fen auch Chips nicht fehlen.

Ablauf… wir spie­len gemein­sam einen Durch­gang Texas Hold’em – mit der beson­de­ren Auf­ga­be, dass wir am Ende genau vor­her­ge­sagt haben, wie wer­tig unse­re Kom­bi­na­tio­nen im Ver­gleich zuein­an­der sind. Natür­lich ohne über unse­re Kar­ten­wer­te spre­chen zu dürfen.

The Gang - Start
die zwei­te Run­de hat begonnen

Auch bei THE GANG geht ein Durch­gang über vier Wett­run­den. In der ers­ten Run­de haben wir ledig­lich zwei Kar­ten auf der Hand. Dann wer­den drei Kar­ten offen in die Mit­te gespielt, die für alle gemein­sam als zusätz­li­che Hand­kar­ten gel­ten. In der drit­ten Wett­run­de wird eine wei­te­re Kar­te offen in die Mit­te aus­ge­spielt und in der vier­ten und letz­ten Run­de kommt noch eine fünf­te Kar­te hin­zu. Aus den somit sie­ben zur Ver­fü­gung ste­hen­den Kar­ten bil­den wir die für uns höchs­te Poker-Kom­bi­na­ti­on. Doch wie sol­len wir unse­re Kar­ten ein­schät­zen kön­nen, wenn wir doch nicht über die Kar­ten­wer­te reden dür­fen? Dafür kom­men nun die Chips zum Ein­satz. Am Ende jeder Run­de neh­men wir uns einen Chip aus der Mit­te und kom­mu­ni­zie­ren dar­über, wie gut oder schlecht wir unse­re Kom­bi­na­ti­on einschätzen.

Lie­gen wir damit am Ende rich­tig, öff­net sich ein Tre­sor. Lie­gen wir falsch, geht ein Alarm los. Wir gewin­nen die Par­tie, wenn wir durch drei erfolg­rei­che Durch­gän­ge alle Tre­so­re geöff­net haben, bevor drei­mal die Alarm­si­re­ne ertönt.

The Gang - Spielhilfe
es feh­len Hin­wei­se zur tat­säch­li­chen Wahrscheinlichkeit

Das gefällt mir nicht so gut: Poker-Neu­lin­gen wird gut gehol­fen. So wer­den Fach­be­grif­fe erklärt, auch wenn die­se im eigent­li­chen Spiel­ver­lauf gar nicht not­wen­dig sind. Zusätz­lich wird über eine klei­ne Spiel­hil­fe die Wer­tig­keit der ein­zel­nen Kom­bi­na­tio­nen erläu­tert. Aller­dings ver­lei­tet die gewähl­te Dar­stel­lung zum fal­schen Schluss, dass die Wahr­schein­lich­kei­ten die­ser Kom­bi­na­tio­nen line­ar zuein­an­der ste­hen. Ich habe Par­tien erlebt, da besaß jemand am Ende ein Dril­ling und hat sich damit weit hin­ten gese­hen, "weil das doch schließ­lich die dritt schlech­tes­te Kom­bi­na­ti­on" sei – die höchs­te Ein­zel­kar­te wird dabei nicht als Kom­bi­na­ti­on wahr­ge­nom­men. Dass die Wahr­schein­lich­keit eines Dril­lings jedoch ohne­hin nur bei 4,82 % liegt, wird durch die Spiel­hil­fe nicht wirk­lich ver­mit­telt. Wahr­schein­li­cher wäre eine Dar­stel­lung über eine Pyra­mi­de hilf­rei­cher oder zumin­dest die Zah­len­an­ga­be der Wahrscheinlichkeit.

THE GANG ist nicht Poker! Das bekom­me ich nach­drück­lich von Per­so­nen gesagt, die sehr ger­ne Poker spie­len. Manch­mal beglei­tet mit der Auf­zäh­lung, was bei THE GANG alles zum eigent­li­chen Poker feh­len wür­de: kei­ne Wett­ein­sät­ze, kein Bluf­fen und kein Metagame. In gewis­ser Wei­se kann ich dem nicht wider­spre­chen. Soll­ten die­se Punk­te der Grund sein, war­um ger­ne Poker gespielt wird, dann wird sich THE GANG sicher­lich ent­täu­schend anfüh­len. Spiel­me­cha­nisch ist THE GANG ledig­lich eine koope­ra­ti­ve Abschät­zung mög­li­cher Wahr­schein­lich­kei­ten. Und die ist deut­lich ein­fa­cher, wenn nur zu dritt gespielt als wenn sich zu sechst die­ser Her­aus­for­de­rung gestellt wird. Ich wür­de dar­aus nicht ablei­ten, dass THE GANG bei die­sen genann­ten Per­so­nen­men­gen reiz­los wäre. Es muss jedoch klar sein, dass in sol­chen Run­den das Spiel deut­lich anders erlebt wird. So spie­le ich es mitt­ler­wei­le am liebs­ten in 4er- oder 5er-Runden.

Das gefällt mir gut: THE GANG ist nicht Poker! Denn bei THE GANG bin die gan­ze Zeit am Spiel betei­ligt. Auch – teil­wei­se auch ins­be­son­de­re – wenn ich kei­ne hohe Kom­bi­na­ti­on bil­den kann. Im Poker-Nor­mal­fall wird früh mit einer schlech­ten Hand aus­ge­stie­gen und den ande­ren zuge­schaut, bis end­lich wie­der neue Kar­ten aus­ge­teilt wer­den. Bei THE GANG bin ich immer invol­viert. Auch wenn sich viel­leicht nichts an mei­ner Hand ändern soll­te, so blei­be ich wich­tig. Denn auch die­se Aus­sa­ge will ver­mit­telt wer­den. Im Kern ist THE GANG somit ein Kom­mu­ni­ka­ti­ons­spiel. Wie kann ich über das Neh­men bestimm­ter Chips mit­tei­len, wie sich mein Blatt ver­än­dert hat? So kann es einen Unter­schied machen, ob ich zöger­lich zum höchs­ten Chips grei­fe oder sehr bestimmt. Und wie reagie­ren die ande­ren dar­auf? Wird mir der Chip strei­tig gemacht oder wird mei­ne Wahl hin­ge­nom­men. Auf recht beson­de­re Wei­se groo­ven wir uns als Grup­pe ein. Oft­mals sind die ers­ten zwei-drei Run­den von Miss­erfolg geprägt. Wir müs­sen uns erst auf­ein­an­der ein­spie­len. Wie bewer­tet Jan sein Ass am Anfang? Wie zöger­lich ist Stef­fi, obwohl sie ein Dop­pel hat? Was hat die Ände­rung der Chip­wahl zu bedeu­ten, wenn neue Kar­ten in der Mit­te auf­tau­chen? Vor allem bei der letz­ten Fra­ge ist durch­aus Deduk­ti­on gefor­dert. Was kann die "Karo 9" für Ände­run­gen bewir­ken? Sind dadurch neue Kom­bi­na­tio­nen mög­lich? Und was bedeu­tet das für mich, wenn ich z.B. schon ein Buben-Dop­pel habe? Wie zei­ge ich an, dass ich immer noch ein gutes Blatt habe?

The Gang - Entscheidung
der nächs­te Durch­gang bringt die fina­le Entscheidung

Es ist erstaun­lich zu beob­ach­ten, wie sehr THE GANG die Leu­te in einen Bann zie­hen kann. Aus einer "Lass-uns-mal-aus­pro­bie­ren-Run­de" kann schnell eine abend­fül­len­de Ange­le­gen­heit wer­den. Dabei haben mich am meis­ten Grup­pen über­rascht, die selbst von sich behaup­tet haben, mit Poker nichts anfan­gen zu kön­nen. Die dann aber gefes­selt wur­den vom Spiel mit den Wahr­schein­lich­kei­ten. Die Jubel­tän­ze auf­führ­ten, weil die 7, 8 und 9 als aus­schlag­ge­ben­de Kar­ten­wer­te rich­tig ein­ge­ord­net wur­den. Die­se Grup­pen ver­mis­sen kei­ne Wett­ein­sät­ze und Bluf­fing-Spiel­chen. Die sehen die gemein­schaft­li­che Auf­ga­be und las­sen sich voll dar­auf ein. Zumal die Poker-Kom­bi­na­tio­nen alle irgend­wie auch bekannt sind – und sei es nur aus dem guten alten KNIFFEL. Der Zugang zum Spiel ist dem­entspre­chend über­ra­schend nie­der­schwel­lig. Anfangs hat­te ich das Spiel im Ken­ner­be­reich gese­hen, war dann aber über­rascht, wie schnell es sich auch bei Wenig­spie­len­den ver­fängt. Natür­lich wer­den die ers­ten Run­den noch von Miss­erfol­gen geprägt sein. Aber durch die Kür­ze der Run­den und die oft­mals span­nen­den Ent­wick­lun­gen inner­halb einer Run­de wird ein hohes Maß an Moti­va­ti­on gezo­gen, es end­lich schaf­fen zu wollen.

The Gang - Zusatz
Spe­zia­lis­ten hel­fen uns bei Miss­erfolg – bei zu viel Erfolg erhal­ten wir Herausforderungen

Hat sich eine Grup­pe erfolg­reich ein­ge­groovt, kön­nen nun über die Chall­enge- und Spe­zia­lis­ten­kar­ten neue Her­aus­for­de­run­gen gesucht wer­den. Durch die­se Kar­ten wer­den wir nach einem erfolg­rei­chen Coup im nach­fol­gen­den Ver­such etwas ein­ge­schränkt oder bekom­men Unter­stüt­zung, wenn im Ver­such davor die Alarm­si­re­ne schrill­te. Die­se Kar­ten erzeu­gen somit Vari­anz und ich kann mir vor­stel­len, dass die­ser Kar­ten­pool in Zukunft noch erwei­ter­bar ist. Wie schnell man die­se Kar­ten hin­zu­zie­hen will, kann jede Grup­pe für sich selbst ent­schei­den. Für noch mehr Abwechs­lung sind in der Anlei­tung noch Vari­an­ten mit wei­te­ren Her­aus­for­de­run­gen angegeben.

The Gang - Einschätzung
ich feie­re das hap­ti­sche Erlebnis

Was wäre Pokern ohne Chips? Wahr­schein­lich nur halb so viel Spiel­spaß. Des­we­gen war es cle­ver, auch in THE GANG Chips zu benut­zen. Denn selbst­re­dend hät­te die Ein­schät­zung der eige­nen Kar­ten­hand bei­spiels­wei­se auch über Kar­ten oder Pappplätt­chen erfol­gen kön­nen. Aber zum Poker gehört auch das hap­ti­sche Erleb­nis der Chips. Und so haben wir bei THE GANG eben­falls dau­ernd die Din­ger in der Hand. Wir spie­len damit, wir las­sen sie in der Auf­re­gung durch die Hän­de glei­ten und wir kämp­fen dar­über mit Nach­druck für unse­re Mei­nung. Ohne die Chips wäre auch bei THE GANG der Spiel­spaß wahr­schein­lich nur halb so groß. Ich wage sogar die Behaup­tung, dass eine digi­ta­le Umset­zung sicher­lich funk­tio­niert, aber dann (wie so oft) viel vom eigent­li­chen Spiel­reiz ver­lo­ren ginge.

Fazit: THE GANG schafft Erstaun­li­ches: Poker-Muf­fel büf­feln mit Feu­er-Eifer Poker-Kom­bi­na­tio­nen und ler­nen Wahr­schein­lich­kei­ten abschät­zen. Und selbst vie­le Poker-Begeis­ter­te freu­en sich über ein neu erleb­tes Spiel­ge­fühl mit die­sem Kartenspiel-Klassiker.

Titel The Gang
AutorenJohn Coo­per und Kory Heath
Illus­tra­tio­nenFio­re GmbH
Dau­er20 bis 30 Minuten
Per­so­nen­an­zahl3 bis 6 Personen
Ziel­grup­pepokeraf­fi­ne Familienspielrunden
Ver­lagKOSMOS
Jahr2024
Hin­weisVie­len Dank an den Ver­lag für die Bereit­stel­lung
eines Rezen­si­ons­exem­plars!

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