Cantaloop – Buch 1: Einbruch in den Knast von Friedemann Findeisen – erschienen bei Lookout Spiele
[Obacht, die Einleitung kann einen leichten Wikipedia-Overkill verursachen!] Okay, ich gebe gleich zu Anfang zu: ich habe früher am PC keine Point-and-Click-Adventures gespielt. Es sei denn, man zählt die Myst-Reihe dazu, die ich inklusive der Bücher mit Begeisterung verschlungen habe. Aber in meinen Augen ist Myst eher eine Art Escape-Spiel als ein Adventure. Ich hatte lediglich für meinen Game Boy ein Adventure als Robin Hood Spiel und bei einem Kumpel auf dessen Amiga ein Indiana Jones angefangen. Am Ende sind wir aber doch bei Sensible Soccer und diversen Fußballmanagern hängen geblieben. Somit kann ich jedenfalls nicht mit nostalgischer Verklärung CANTALOOP besprechen – und werde wohl auch den ein oder anderen Gag nicht verstanden haben.
Thema... Der Kleinkriminelle Oz "Hook" Carpenter ist nach einer Dekade Abwesenheit wieder im Städtchen Cantaloop angekommen. Allerdings ist der Grund für seine Rückkehr kein freudiger: er will Rache nehmen an der Person, die ihn damals hintergangen hat. Dabei benötigt er allerdings Unterstützung. Doch unglücklicherweise sitzt der benötigte beste Hacker der Stadt noch hinter Schloss und Riegel. Deswegen muss Oz erst einmal in das Gefängnis einbrechen, um dann gemeinsam ausbrechen zu können. Klingt im ersten Moment originell, habe ich aber so vor kurzem schon einmal spielerisch erleben dürfen.
Illustrationen… sind von Kerstin 'noody' Buzelan, die sich um die Personen und Gegenstände gekümmert hat, und von Johannes Lott, der für die Hintergründe verantwortlich ist. Da ich bekennender Kunstbanause bin und mich auch im Comic-Genre nur rudimentär auskenne, kann ich den Stil nicht wirklich fachgerecht beschreiben. Ich kann nur ganz laienhaft sagen: er passt wie die Faust aufs Auge!
Ausstattung… in erster Linie ist CANTALOOP ein Buch. Dort sind auf der einen Hälfte meist Orte abgebildet und auf der anderen Seite dann Textfragmente, die man allerdings nur mit Hilfe einer Rotfolie lesen kann (es sei denn, man leidet unter einer Farb-Fehlsichtigkeit, dann geht das auch ohne dieses Hilfsmittel). Außerdem sind auch einige Dialoge sowie ein Hilfesystem auf den Buch-Seiten zu finden.
Im Deckel sind neben der Rotfolie aber noch andere nützliche Komponenten zu finden, die auch äußerst stylisch verpackt sind. Denn in drei Taschen-Schubern verstaut werden uns bis zu 60 Karten früher oder später an die Hand gegeben. Die Lupe ist davon die wichtigste Karte und die darf man sich sofort im Tutorial nehmen. Damit untersucht man die Orte und spricht Leute an – oder man kombiniert sie mit weiteren Gegenstände, wofür u.a. die ebenfalls beiliegende Inventarliste benötigt wird. Außerdem liegt noch eine Postkarte von Cantaloop bei und ein Spielbogen, auf dem man frei gespielte Meilensteine ankreuzen kann.
Ablauf… nachdem man das Tutorial durchgegangen ist und dabei die richtige Handhabung des Materials gelernt hat, erkundet man nach und nach die einzelnen Schauplätze. Dazu hält man die Lupe an die Markierungen, wodurch ein Code erzeugt wird, den man dann im Textteil mit der Rotfolie lesen kann. So erfährt man schrittweise die einzelnen Zusammenhänge und findet Gegenstände, die man wiederum miteinander kombinieren kann. Dabei sind auch manche Rätsel zu lösen, wobei es grundsätzlich mehr um die Frage geht, wie kann man clevererweise Dinge in Zusammenhang bringen kann, um daraus neue Situationen entstehen zu lassen. Das hat dann manchmal auch zur Folge, dass mit Abdeckkarten der Schauplatz verändert wird (so wird bspw. eine vorher geschlossene Tür durch eine offene ersetzt). Ein wenig erinnert dieses Verfahren an die ADVENTURE GAMES bzw. die UNLOCK-Reihe.
Während des Abenteuers trifft man auch einige Personen, mit denen man dann launige Dialoge führt. Diese darf man meist nur bis zu einer bestimmten Stelle lesen und den Rest kann man sich erst zu Gemüte führen, wenn man einen bestimmten Meilenstein in der Geschichte erreicht hat. Diese besonderen Ereignisse kreuzt man im beiliegenden Spielbogen ab, so dass hier der Überblick gewahrt bleibt. Über diese Meilensteine funktioniert auch die dreistufige Hilfe am Ende des Buches. Wenn man an einem bestimmten Punkt hängt, dann kann man sich nach und nach Tipps geben lassen, wie man diesen Meilenstein erreichen kann.
Das gefällt mir nicht so gut: Man sollte nicht dem Irrglauben unterliegen, dass man mit CANTALOOP nun ein Point-and-Click-Adventure gemütlich auf dem Sofa spielen kann – zumindest mir ist das aufgrund des notwendigen Platzbedarfes nicht gelungen. Ich verstehe schon, warum das Buch das gewählte Format aufweist. Ich hätte jedenfalls nicht die einzelnen Schauplätze in der Hochansicht erforschen wollen. Allerdings hat man somit nun ein eher unhandliches Machwerk an der Hand und somit am besten vor sich liegen. Dem analogen Wesen geschuldet blättert man ziemlich oft hin und her und vergisst dabei manchmal auch, dass mittlerweile Karten auf einzelnen Schauplätzen liegen. Man sollte sich somit also eine gewisse Ordnung angewöhnen und vielleicht die ein oder andere Zipptüte bereit legen, um die Karten vernünftig zu organisieren. Denn im Spielverlauf werden manche Karten ganz aus dem Spiel entfernt, manche nur kurzzeitig zur Seite gelegt und wenn man eine Pause einlegen will, muss man sich noch merken, welche man aktuell zur Verfügung hat.
Wobei das mit der Pause einlegen so eine Sache ist. Anfangs hatte ich mir vorgenommen, immer dann CANTALOOP zu spielen, wenn es die Familiensituation her gibt. Also hier mal eine halbe Stunde und dort auch mal wieder. Das funktioniert so aber nicht (also zumindest bei mir). Denn man kommt nicht in den Sog hinein, den einen optimalerweise erwischt, wenn man mal in der Story gefangen ist. Deswegen lautet mein Tipp: nehmt euch Zeit für CANTALOOP und versucht relativ zügig am Stück dran bleiben. Zusätzlich ist es hilfreich, sich Notizen zu machen. Wo wurde mir eine Einschränkung auferlegt, weil ich noch nicht den entsprechenden Meilenstein abgekreuzt habe? Was ist mir aufgefallen, was vielleicht nicht in das Szenario passt und dadurch vielleicht ein Hinweis ist? Zusätzlich lohnt sich der Notizzettel auch, um frei gespielte Codes aufzuschreiben. Manchmal bekommt man nämlich den Hinweis, nun auf Seite X den Code A7B8 zu lesen. Wer nicht über das perfekte Kurzzeitgedächtnis verfügt, der blättert sich dann gerne mal 'nen Wolf.
Dabei gibt es natürlich auch die ein oder andere Stelle zu überwinden, die etwas holprig oder gezwungen ist. Aufgrund der zwei Handlungsstränge kommt es in meinen Augen bspw. zu einem zeitlichen Paradox, wenn man mit dem falschen Strang beginnt und man dann nicht mehr weiterkommt. Gefühlt werden dann die Szenen zeitlich eingefroren, bis man soweit ist, dort wieder weitermachen zu können (wobei ich vollauf konform damit gehe, dass der Tag des Abenteuers nie enden sollte). Aber das ist der Preis, dann man bezahlen muss, wenn man vom System nicht all zu sehr geführt werden will. Wobei es auch Szenen gibt, bei denen man sich gerne mehr Freiheiten gewünscht hätte ("du hast zwar die richtige Lösung, aber das ist jetzt noch zu früh dafür – du musst erst noch dieses oder jenes machen"). Das ist aber in meinen Augen alles problemlos zu verkraften und natürlich auch dem Medium geschuldet. Man bewegt sich eben nicht in einer freien Welt, sondern man will einer Handlung folgen.
Das gefällt mir gut: der Humor!
Das finde ich in unserer Brettspielblase so besonders, dass ich diesen Punkt so deutlich herausgestellt wissen möchte. Bei CANTALOOP kann man sich nämlich herrlich beeumeln. Die Dialoge sind einerseits lebensecht, andererseits aber auch voll von trockenen Sprüchen. Die Texte zu den Code-Schnipseln sind teilweise auch sehr direkt, so dass einem die eigene Unfähigkeit schon deutlich gemacht wird. Zusätzlich wurde sich richtig viel Arbeit gemacht und für viele nicht zielführende Kombinationen wurden passende Texte geschrieben. So macht das Ausprobieren trotzdem Spaß, auch wenn man vielleicht gerade auf dem Schlauch steht.
Wenn man aber nicht im Nebel herum stochern will, kann man auch problemlos die gute Hilfe benutzen. Das ist glücklicherweise jedem selbst überlassen, wie sehr man sich mit den Lösungen anstrengen will oder nicht. Ich bin da je nach Tagesstimmung schmerzfrei. Mal verbeiße ich mich in ein Rätsel, mal bin ich schnell von der erfolglosen Suche genervt und bevor ich mich langweile, nutze ich eben die Hilfe – die dann dafür auch den passenden launigen Spruch parat hat. Aber so wird man nicht im Regen stehen gelassen und kann auch zielführend spielen, ohne alles wie wild ausprobieren zu müssen. Denn das ist auch im analogen Zustand manchmal eben ziemlich nervig. Wobei im analogen Modus zugegebenermaßen das Cheaten einen gewissen Reiz ausübt, dem man sich schwer entziehen kann: Wie? Diese Kombination wird auch angeboten? Was benötige ich denn dafür? Vielleicht sollte ich mal mehr in diese oder jene Richtung denken...
Wenn man völlig abwegig unterwegs ist oder absolut geniale Geistesblitze hat, wird man übrigens mit besonderen Karten beglückt. Dieses Auszeichnungen bringen einen zwar nicht wirklich weiter, sorgen aber für großes Gelächter – und durchaus für den Ansporn, noch mehr davon zu entdecken. Dieses Element zeigt wieder eindrucksvoll die Liebe zum Genre. Man merkt den Beteiligten das investierte Herzblut für CANTALOOP an. Und wenn man anderen, kompetenteren Stimmen dazu lauscht, dann wird wohl auch wunderbar der besondere Charme der alten PC-Spiele eingefangen.
Das Herzblut spürt man übrigens auch an der Aufmachung von CANTALOOP. Das beginnt bei der stimmigen grafischen Gestaltung und endet bei den praktischen Aufbewahrungshilfen im Deckel. Die Rotfolie hätte gerne noch einen Einfassung spendiert bekommen können, aber da kann ich mir zur Not auch aus BREACK IN aushelfen. Da nichts dauerhaft verändert wird, kann man das Buch auch problemlos weitergeben – zumal auf der Verlagswebsite auch der Abkreuz-Zettel als Download angeboten wird. Ich werde wohl im Herbst in Vorbereitung auf Buch 2 nochmals dieses Abenteuer erleben. Mal schauen, an wie viel ich mich dann noch erinnern kann – und wie viele Auszeichnungen ich dann entdecken werde.
Fazit: Mission erfüllt! Doch wie geht es nun weiter? Schade, dass wir nun ein halbes Jahr warten müssen, um CANTALOOP weiter erforschen zu können. Buch 1 hat mir jedenfalls so viel Freude bereitet, dass ich ganz sicher auch den weiteren Abenteuern von Oz und Konsorten folgen werde.
Titel | Cantaloop – Buch 1: Einbruch in den Knast |
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Autor | Friedemann Findeisen |
Illustrationen | Kerstin 'noody' Buzelan und Johannes Lott |
Dauer | etwa 300+ Minuten |
Personenanzahl | 1 Person |
Zielgruppe | analoge PC-Spieler |
Verlag | Lookout Spiele |
Jahr | 2021 |
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