Die Abenteuer des Robin Hood von Michael Menzel – erschienen im KOSMOS Verlag
Denke ich an Robin Hood, denke ich automatisch an folgende Lied-Zeilen:
Robin Hood und Little John geh´n im Wald spazieren,
und sie lachen und sind fröhlich, weil jeder das gern mag.
Sie erinnern sich gern an Dinge, die sie amüsieren.
Oo-De-Lally, Oo-De-Lally, welch ein schöner Tag!
Oder auch:
Drück den Gegner an die Wand, mit Verstand, mit Verstand!
Thema... Überraschung! Wir erleben als Robin Hood zusammen mit Little Jon, Maid Marian sowie Will Scarlet das ein oder andere Kapitel der Abenteuer im Sherwood Forrest. Im Laufe dieser Kampagne erkennt man viele bekannte Versatzstücke der Sage wieder, so dass DIE ABENTEUER DES ROBIN HOOD in einem ganz klassischen Gewand daher kommen.
Illustrationen… stammen natürlich auch von Michael Menzel. In seinem gewohnten Stil zeigt der voluminöse Spielplan einen Teil von Sherwood Forrest sowie die Burg und das angrenzende Dorf in farbenfroher Pracht. Wie man es von ihm gewohnt ist, lassen sich dabei viele kleine Details entdecken. Und wie man es ebenfalls von Michael Menzel gewohnt ist, lässt die gewählte Symbol-Sprache auch keine Fragen offen.
Ausstattung… bietet etwas Neues. Denn der Spielplan ist doppellagig und besitzt mehrere "Türchen", die man im Spielverlauf öffnen kann, damit dann eine neue Situation gezeigt wird. Ganz oft wird diese Mechanik mit der Funktion eines Adventskalenders verglichen, womit der Effekt auch sehr gut erklärt wird. Aber das ist nicht der einzige Hingucker. Denn zusätzlich ist auch noch ein gebundenes Abenteuerbuch in der Box sowie eine Menge verschiedener Holzteile: Spielfiguren, dicke Holzscheiben und Klötzchen in verschiedenen Farben.
Diese Teile müssen zum Glück aber nicht geordnet werden, sondern werden ganz praktisch in einem Beutel aufbewahrt – der allerdings auch für die Spielmechanik wichtig ist. Zu Spielbeginn schüttet man einfach all den Inhalt des Beutels auf einen Haufen. Dann wird der Beutel mit ein paar Klötzchen bestückt und immer wenn man bestimmtes Material benötigt, nimmt man sich dieses von dem Haufen. Allerdings muss zu Beginn schnell auch noch der Spielplan vorbereitet werden. Dazu puzzelt man die einzelnen Teile zusammen und dreht noch das ein oder andere Türchen um. Welche das sind, erklärt das Abenteuerbuch und ist abhängig davon, wo wir uns in der Kampagne befinden.
Ablauf… ist recht einfach gehalten und erinnert ein wenig an die alten Abenteuerbücher oder die neueren Spiele-Comics. Wenn man einen Ort entdeckt oder eine Person trifft, dann liest man im Buch unter dem entsprechenden Eintrag einen kurzen Text und hat oftmals die Wahl zwischen zwei-drei Entscheidungsmöglichkeiten. Das Besondere an DIE ABENTEUER DES ROBIN HOOD ist dahingegen, wie wir zu den Orten oder Personen gelangen. Denn dafür wird mit Hilfe von Abstandsfiguren der Weg auf dem Spielplan nachgestellt. Das bedeutet, dass man sich sehr frei auf dem Spielplan bewegen kann.
Bewegt werden nicht nur die eigenen Figuren, sondern auch die bösen Schergen des Prinz John. Schließlich spielen wir ein kooperatives Spiel und der Gruppengegner will simuliert werden. Die Reihenfolge der einzelnen Personen wird dabei zufällig durch das Ziehen von Aktionsscheiben aus dem Beutel bestimmt. Der Beutel ist auch ein wichtiges Utensil bei den Kämpfen oder bei manchen Ereignissen. Denn dann zieht man aus diesem eine bestimmte Anzahl kleiner Holzklötzchen. Hat man dann die notwendige Zahl an weißen Klötzchen gezogen, war man erfolgreich. Dabei lohnt es sich natürlich immer, ein wenig den Überblick über den Beutel-Inhalt zu behalten.
Im Hintergrund ist noch ein Zeitmechanismus verankert, wie man ihn ähnlich aus DIE LEGENDEN VON ANDOR kennt. Schafft man die Kapitel-Aufgabe nicht rechtzeitig zu erfüllen, dann hat man verloren und soll einen Neustart angehen. Dieser ist dann leicht verändert zum ersten Durchlauf, so dass man nicht alles 1:1 nachspielt.
Insgesamt umfasst Die Kampagne von DIE ABENTEUER DES ROBIN HOOD sieben Kapitel, wobei es zwei unterschiedliche Story-Zweige gibt, so dass neun unterschiedliche Kapitel zu spielen gibt. Hat man die Kampagne beendet, kann man nun in einem etwas komplexeren Plus-Modus die einzelnen Kapitel nochmals spielen. Zusätzlich gibt es schon die ersten kleinen Erweiterungen und man muss kein Prophet sein, um zu wissen, das hier noch einiges nachgeschoben werden wird.
Das gefällt mir nicht so gut: Die einzelnen Aufgaben empfanden wir als recht seicht und immer einem gewissen Prinzip folgend. Anfangs muss man sich bei bestimmten Personen umhören, dann gibt es eine finale Aufgabe und die erfüllt man dann. Diesbezüglich hätte gerne mehr Vielfalt herrschen dürfen. Zusätzlich waren die Arbeitsaufträge in der Gruppe oftmals klar verteilt. Eine Person war für die Hauptaufgabe zuständig, eine zweite unterstütze sie und die dritte beschäftigte die Schergen. Gut daran war, dass nicht immer Robin Hood die Person sein musste, die die Hauptaufgabe zu erfüllen hatte. Aber es wäre z.B. schöner gewesen, wenn konsequent alle Personen eine kleine Unteraufgabe für sich lösen müssten, damit alle auch das Gefühl haben, wirklich am Abenteuer beteiligt zu sein. Ein wenig irritiert war ich auch, wie unterschiedlich lang die einzelnen Kapitel gedauert haben. Manche waren recht lang, manche hätte man gerne abgekürzt, weil man wusste worauf alles hinaus läuft, und andere waren schneller vorbei, als man das erwartet hat.
Jede Gruppe muss für sich entscheiden, wie sie mit Misserfolgen umgehen will. An für sich sind die Abenteuer auch auf der normalen Stufe recht leicht zu meistern. Hat man aber dauerhaftes Pech beim Ziehen aus dem Beutel, kann es auch hoffnungslos werden. Wenn man dabei das ganze Abenteuer schon gespielt hat und am Ende lediglich eine 50:50-Entscheidung zum eigenen Ungunsten gefallen ist, dann kann man auch entschließen, die Partie als gewonnen zu werten und ohne Wiederholung das nächste Kapitel zu spielen. Denn so groß ist der spielerische Mehrwert in der Wiederholungsschleife auch nicht. Zumal ohnehin nur eine recht bekannte Geschichte nachgespielt wird. Es müssen dabei keine Rätsel gelöst werden und die zu entdeckenden Geheimnisse sind auch überschaubar.
Die literarische Qualität der Geschichte ist dabei übrigens auch überschaubar. Vielleicht hätte der Verlag (wie auch mittlerweile bei den ADVENTURE GAMES) den Weg gehen und die einzelnen Texte einer Person in die Hand legen sollen, die das schon öfter gemacht hat. Die einzelnen Textpassagen hätten nämlich gerne noch etwas stimmungsvoller und weniger plakativ sein dürfen. Mit etwas mehr Verve, Esprit und Humor bei den Texten würde sich vielleicht auch nicht so sehr das Gefühl einstellen, dass diese Passagen nur unnötig Zeit kosten. Zusätzlich ist die Ansprache der mitspielenden Personen leider zu wenig inklusiv. Dass die Rollenverteilung nicht geschlechtergleich ist, kann ich verstehen. Es gibt im Robin Hood Kosmos nun einmal keine zweite weibliche Figur, die ansatzweise für die Rolle einer Hauptfigur in Frage kommt. Aber zumindest hätte man über eine sensiblere Sprache diese Begebenheit besser auffangen können.
Beim Material darf man sich nichts vormachen. Das dauernde Umdrehen von bestimmten Plättchen (bspw. den Wachen) hinterlässt Spuren. Ich habe mir anfangs die Arbeit gemacht und alle Türchen einmal mit Gegendruck rausgetrennt und wieder eingesetzt, so dass diese dann zum späteren Zeitpunkt besser zu lösen waren. Aber trotzdem sieht man den Plättchen den Gebrauch an. Aber ist das ein Mangel? Nur wenn man ein Spiel als Spekulationsobjekt ansieht. Für mich darf Spielmaterial gerne auch gebraucht aussehen, so lange es die Funktion nicht einschränkt, was bei DIE ABENTEUER DES ROBIN HOOD nicht der Fall ist. Gerne hätte das Buch auch etwas hochwertiger gebunden sein dürfen, aber im Großen und Ganzen passt das schon alles. Auch die durchbiegenden Spielplanteile bekommt man mit etwas Gegendruck in den Griff, aber dieses Problem besteht nun einmal bei doppellagiger Pappe und eventuell großen Temperaturunterschieden bspw. durch eine nahe Beleuchtung.
Das gefällt mir gut: DIE ABENTEUER DES ROBIN HOOD vermitteln einem Freiheit. Der clevere Bewegungsmechanismus gibt keine Wege vor, sondern wir können selbst entscheiden, ob wir uns lieber dort noch in den Schatten quetschen oder versuchen, den Heuwagen als Versteck zu erreichen. Dabei wird vielleicht auch mal ein wenig geschummelt, weil der letzte Millimeter durch geschicktes Platzieren der Figuren doch noch erreicht wird. Aber bei einem kooperativen Spiel muss die Gruppe selbst entscheiden, wie streng sie solche Regeln auslegen will. Der Bewegungsmechanismus lädt jedenfalls zum Entdecken und Ausprobieren ein. Spannend wird es in Situationen, wenn man sich bei der Entfernung verschätzt hat. Doch insgesamt wird daraus kein Sandbox-Spiel. Denn die Aufgabe ist klar definiert und aufgrund der verrinnenden Zeit muss man sich auch wirklich ran halten.
Der große Trumpf von DIE ABENTEUER DES ROBIN HOOD ist der leichte Zugang. Die Regeln lernt man nach und nach im ersten Kapitel bzw. durch das weitere Erleben der Geschichte. Zum Nachschlagen gibt es dann eine zusätzliche Anleitung, aber auch das Buch ist sehr gut konzipiert, um schnell Regelfragen klären zu können. Allerdings passiert das nicht oft, da das Grundprinzip nicht verändert wird: es werden Klötzchen und Scheiben aus dem Beutel gezogen. Natürlich kann man nun der Meinung sein, dass es dabei zu wenig Varianz gibt. Aber die Mechanik ist bewusst einfach gehalten. DIE ABENTEUER DES ROBIN HOOD sollen eine Geschichte erzählen und will nicht durch immer neue Mechanik-Volten glänzen.
Die Geschichte ist dabei größtenteils bekannt. Das wird aber von den Spielenden eher positiv aufgenommen, da man sich dadurch in dieser Welt heimisch fühlt. Ich habe dabei die Kritik vernommen, dass insgesamt die einzelnen Personen zu schablonenhaft wirken und kaum einen eigenen Charakter entwickeln. Dem kann ich in gewisser Weise zustimmen. Allerdings muss man auch bedenken, dass nicht alle die Kampagne in einem Stück durch zocken werden. Wenn drei Wochen Pause zwischen einzelnen Kapitel liegen, dann wäre es meiner Meinung nach zu viel verlangt, wenn man sich auf einmal noch daran erinnern muss, dass die Frau vom Schmied Ann heißt und gerade von den Wachen Joseph und Bill belästigt wurde. Diese fehlenden Profile kommen erst dann zum Vorschein, wenn man in kurzer Folge die einzelnen Kapitel spielt. Genauso ist es mit manch wiederkehrenden Elementen. Der Spielplan gibt zwar viele Freiheiten, aber trotzdem ist er natürlich beschränkt. Ich kann nicht erwarten, dass es zehn unterschiedliche Arten gibt, die Burg verlassen zu können. Langfristig geht das nur über (Spielplan-)Erweiterungen, die sicherlich auch kommen werden.
Lange habe ich überlegt, ob ich es nun gut oder schlecht finde, dass die Texte nicht professionell eingesprochen und über die bekannte KOSMOS-App zur Verfügung gestellt wurden. Der Verlag selbst sagt, dass sie sich dagegen entschieden haben, weil sie das gemeinschaftliche Lesen am Tisch als wichtiges Erlebnis eines analogen Spiel empfinden. Das kann ich nachvollziehen und auch bestätigen. Es ist schon eine anderes Gefühl vorhanden, ob man nun eine App füttert oder ein Buch weiterreicht. Dabei ist das Buch natürlich ein wichtiges Element beim Vermitteln dieses Gefühls. Deswegen freue ich mich, dass ein solches auch zur Verfügung gestellt wurde und nicht über Karten oder kleine Heftchen gearbeitet wurde. Das Buch – insbesondere mit den sinnvollen Lesezeichen – ist schon eine tolle Sache. Aber ich bin diesbezüglich als Buchliebhaber wohl auch ein wenig befangen.
Fazit: Mit dem Thema Robin Hood fängt man mich leicht. Allerdings wurde ich dadurch auch schon all zu oft enttäuscht. Das gilt allerdings nicht für DIE ABENTEUER DES ROBIN HOOD. Denn auch wenn es noch ein paar Verbesserungsmöglichkeiten hat, so sehe ich doch großes Potenzial für dieses Spielsystem. Ich bin mir sicher, dass mich dieser Robin noch länger begleiten wird.
Titel | Die Abenteuer des Robin Hood |
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Autor | Michael Menzel |
Illustrationen | Michael Menzel |
Dauer | 60 Minuten |
Personenanzahl | 2 bis 4 Personen |
Zielgruppe | vorlesende Familienspielrunden |
Verlag | KOSMOS |
Jahr | 2021 |
Hinweis | für die Besprechung wurde vom Verlag ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt |
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