Fantastische Reiche von Bruce Glassco – erschienen bei Strohmann Games
Schon in der Schule habe ich meine Englisch-Lehrerinnen mit meinen eigenwilligen Aussprachen zur Verzweiflung getrieben. Wenn ich meiner Familie glauben mag, dann war das in der frühen Kindheit auch mit der deutschen Sprache ähnlich – nur habe ich das besser in den Griff bekommen. Jedenfalls hat es einige Podcast-Folgen benötigt, bis ich endlich das "realms" in STAR REALMS richtig ausgesprochen habe. Das hat dann aber in der Folge aufgrund des plötzlichen Aussprache-Wechsels bei meiner Familie für Irritationen gesorgt. Dank Strohmann Games ist mit das bei FANTASY REALMS erspart geblieben, da dieses schon 2017 erschienene Spiel nun aussprachefreundlicher als FANTASTISCHE REICHE veröffentlicht wurde.
Thema... wir lassen ein Königreich entstehen. Also zumindest in der Theorie. In Wirklichkeit sammeln wir bloß sieben Karten. Diese können dann zwar König und Königin oder auch eine Zwergeninfanterie zeigen. Man kann aber auch ein Reich mit einem Buschfeuer, einem Einhorn und einer Kerze bilden. Sprich: das Thema ist total aufgesetzt und meist lediglich nur der Rahmen, damit die Karten ein paar bunte...
Illustrationen… zeigen. Diese wurden vom Studio Octographics beigetragen und begeistern mich nicht nachhaltig. Irgendwie fehlt mir dabei der eigene Charakter. So wirr wie das Thema kommen auch die Illustrationen daher. Für jedes Stichwort gibt es eine passende Illustration, aber irgendwie fehlt mir der verbindende Rahmen.
Ausstattung… bietet reichlich Luft. Denn die 53 Karten sowie der Auswerteblock passen mehr als komfortabel in die Box. Manche Karten gehören dabei gemeinsamen Gruppen an ("Wetter", Anführer", "Armee"...), aber ansonsten sind alle Karten einzigartig. Die Karten zeigen dabei alle einen speziellen Grundpunktwert. Zusätzlich besitzen sie aber auch noch weitere Effekte, die entweder Punkte bringen oder aber Boni oder Einschränkungen zur Folge haben.
Ablauf… ist eine besondere Form des Drafting. Alle Mitspielenden bekommen zu Beginn sieben Karten auf die Hand. Ist man am Zug, tauscht man entweder eine Karte gegen eine Karte in der offen liegenden Auslage aus. Oder man zieht eine Karte vom verdeckten Nachziehstapel, muss dann aber eine Karte in die Mitte legen. Die Partie endet, wenn nach einem solchen Spielzug zehn Karten in der Mitte platziert sind. Danach wertet man die eigenen sieben Karten aus und hofft, damit die meisten Punkte erzielt zu haben.
Das 2‑Personen-Spiel funktioniert ein wenig anders, da man sich dabei erst nach und nach die eigene Hand von sieben Karten aufbaut. Diese Anpassung ist sinnvoll, auch wenn sich dadurch das Spielgefühl ein klein wenig ändert.
Das gefällt mir nicht so gut: Vor allem als Neuling ist FANTASTISCHE REICHE ziemlich hakelig. Wenn man die Karten noch nicht kennt, muss man sich jede Karte erst einmal ansehen, den Effekt verstehen, diesen in Zusammenhang zu den anderen Karten bringen und dann entscheiden, welche Karte man wieder los werden will. Jede Karte bedeutet, eine durchaus komplexe Entscheidung treffen zu müssen. Das geht später deutlich(!) schneller, aber anfangs muss man erst alles lernen. In diesem Zusammenhang wäre es übrigens ungemein hilfreich, wenn die Kartenauflistung nicht nur am Ende der Anleitung auftauchen würde. Da hätte ich mir schon gerne eigene Spielhilfen für jede Person gewünscht. Auch die Anleitung als solches hätte gerne manchmal noch etwas präziser ausformuliert sein können.
Ist man später im Flow angekommen, entsteht ein anderes Problem. Man rattert dann die Karten nur noch so durch und spielt auf Speed. Zu Anfang erkennt man schon das Potenzial der Starthand und rechnet sich mal bessere und schlechtere Chancen aus. Dadurch wird das Spiel aber fast schon ein wenig belanglos, weil man nicht mehr wirklich überrascht wird. Man hofft auf diese oder jene Kombination und ärgert sich, wenn die entsprechende Karte nicht kommt. Aber es fehlen dann die Aha-Erlebnisse. Ich freue mich jedenfalls schon auf die angekündigte Erweiterung, weil ich mir davon neue Reize erhoffe.
Das gefällt mir gut: FANTASTISCHE REICHE entwickelt einen unglaublichen Sog. Eine Partie ist so schnell gespielt, dass man eigentlich immer noch eine weitere Partie nach schiebt – und noch eine und noch eine. Denn immer hat man den Drang, beim nächsten Mal noch mehr Punkte zu erzielen. Aufgrund der Spielgeschwindigkeit ist es auch ein perfekter Füller. Noch ein schnelles Spiel vor dem Abendessen gewünscht? Zack, es werden die Karten zu FANTASTISCHE REICHE ausgepackt...
Aufgrund der Schnelligkeit gehe ich auch immer gerne voll ins Risiko. Entweder verliere ich mit einer blamablen Punktzahl – oder aber ich mache einen High-Score-Wert, den ich anderen noch wochenlang unter die Nase reiben kann. Der Weg dorthin ist aber mit Höhen und Tiefen belegt. Je größer die Gruppe, um so geringer wird der Einfluss. Denn immer schwebt das Damoklesschwert der zehn Karten in der Auslage über einen. Man hofft und bangt, dass die anderen das Tempo raus nehmen, damit man noch eifrig die eigene Hand umbauen kann. Aber natürlich beschleunigt man das Tempo, wenn man das Stöhnen und Ächzen der anderen vernimmt. Die haben bestimmt noch ein viel schlechteres Blatt als man selbst: also her mit der Karte vom Nachziehstapel!
Wirklich strategisch kann man übrigens nicht spielen, da man nie weiß, welche Karten überhaupt im Spiel sind. Man legt sich anfangs ein Grundgerüst zurecht und hofft, dass dazu die passenden Karten kommen. Aber in jeder Runde muss man sich dabei hinterfragen. Der Reiz des Spiels liegt in den Mutmaßungen, die man anstellt. Über das Spielverhalten der anderen versucht man herauszufinden, welche Karten dort auf der Hand zu finden sind. Man muss also genau beobachten: Was für Karten haben die anderen genommen? Welche Karten wurden dafür abgeworfen? Was bedeutet das für mich?
Für die End-Wertung steht einem nicht nur der Block zur Verfügung, sondern auch eine eigene App. Bei dieser gab es nun ein wenig Verwirrung, ob diese nun jeden Sonderfall korrekt wertet oder nicht. Scheinbar sind diese Probleme aber nun geheilt. So ganz weiß ich das nicht, da mir das in gewisser Weise egal ist – und das nicht, weil ich sie nicht nutze. Nein, aber mir ist das Thema jetzt nicht so wichtig, dass ich nun seitenweise irgendwelchen Foren hinterher laufe, um zu wissen, ob die App nun korrekt zählt oder nicht. In der Zeit spiele ich lieber – und zur Not auch leicht fehlerhaft! Die App macht die Wertung jedenfalls wunderbar einfach und man kann darüber noch besser die komplexen Verknüpfungen erkennen. Aber auch die Auswertung über den Block kann Spaß machen, wenn man die einzelnen Eintragungen entsprechend zelebriert.
Fazit: Kein Spiel haben wir in letzter Zeit häufiger gespielt als FANTASTISCHE REICHE. Wir sind es nun fast schon ein wenig über. Aber dass es dazu überhaupt kommen konnte, zeigt doch nur, wie gut es mir gefällt.
Titel | Fantastische Reiche |
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Autor | Bruce Glassco |
Illustrationen | Octographics |
Dauer | 15 Minuten |
Personenanzahl | 2 bis 6 Personen |
Zielgruppe | Kennerspielrunden auf Speed |
Verlag | Strohmann Games |
Jahr | 2021 |
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