Das Kinogeschäft kriselt. Aus diesem Grund müssen sich findige Geschäftsleute nach neuen Möglichkeiten für ihr Invest umsehen. Warum nicht alternativ die Gastronomie ins Auge fassen? Ins Restaurant gehen die Leute doch immer noch und außerdem ist es dort auch viel geselliger. Ob solche Überlegungen auch ein Spieleverlag anstellt? Keine Ahnung! Aber nachdem im letztem Jahr beim Pegasus Verlag alles unter dem Motto Kino lief (aufgrund der damaligen Top-Familienspiel-Neuheit SHOWTIME), stand das Pegasus Presse-Event 2019 unter dem Einfluss kulinarischer Künste. Promiköche waren zwar keine anwesend (schließlich grillte Henssler damals bei der Konkurrenz), trotzdem wurde viel über Essen und Trinken geredet.
Im Mittelpunkt standen aber natürlich die Neuheiten von Pegasus bzw. deren vielen Partnerverlagen. Die meisten Spiele waren schon fertig produziert, die ein oder andere weiße Schachtel war aber auch noch im Umlauf. Zusätzlich zum gemeinsamen Spielen gab es auch genügend Zeit und Raum zum Fachsimpeln und einfach nur zum miteinander Spaß haben. Deswegen geht der Dank an Pegasus nicht nur wegen einer perfekten Organisation, sondern auch dafür, dass sie uns Medienschaffenden dieses "Vortreffens vor der SPIEL" ermöglichten.
Doch genug vom einleitenden Palaver, in Wirklichkeit wollt ihr doch nur wissen, was ich so spielen konnte. Na gut, dann will ich nicht länger auf die Folter spannen...
Selbstredend sind alle Meinungen zu den nun folgenden Spielen Ersteindrücke!
KITCHEN RUSH von Vangelis Bagiartakis und Dávid Turczi
Mit KITCHEN RUSH wurde gleich zu Beginn ein echter Wachmacher auf den Tisch gebracht. Denn KITCHEN RUSH ist ein kooperatives Spiel, bei dem alle Spieler simultan ihre Aktionen ausführen. Der Clou daran ist: die einzelnen Aktionen werden mit Sanduhren belegt. Erst wenn dort der Sand durchgelaufen ist, darf die Sanduhr wieder auf ein anderes Aktionsfeld versetzt werden. Thematisch befinden wir uns dabei in einem Restaurant, was im Verlaufe einer kleinen Kampagne ausgebaut werden kann.
KITCHEN RUSH ist eine komplette Neuauflage des gleichnamigen Spiels von Artipia Games aus dem Jahr 2017. Pegasus hat aber nicht bloß die Texte und die Regel ins Deutsche übersetzt, sondern das Spiel grundlegend lokalisiert. So sind nun bspw. acht unterschiedliche Szenarien vorgesehen. Im Stile von MAGIC MAZE werden mithilfe dieser Szenarien die Spieler nach und nach an neue Regeln herangeführt. Dabei wird das Spiel nicht nur komplexer, sondern es wird thematisch auch das eigene Restaurant ausgebaut. Zusätzlich sind die einzelnen Szenarien in eine überzeugende Hintergrundgeschichte eingebettet, die von den tollen Illustrationen von Bartłomiej Kordowski und Natalia Kordowska abgerundet wird (wer bei den Namen kein Bild vor Augen hat, der sollte sich MEIN TRAUMHAUS ansehen).
Aber nicht nur die thematische Integration der ungewöhnlichen Mechanik hat mich überzeugt, sondern auch das Spiel als solches. Ich war damals ein wenig skeptisch, als ich vernahm, dass Pegasus sich KITCHEN RUSH annehmen würde. Aber das Endprodukt hat mich doch positiv überrascht. KITCHEN RUSH macht Spaß, weil es eben nicht ausschließlich hektisch daher kommt, sondern weil man durchaus auch planvoll vorgehen kann und muss. Natürlich wird es dabei auch mal laut unter den Mitspielern, weil man bspw. verzweifelt den Gewürzbeutel sucht – aber so stelle ich mir das Arbeiten in einer Großküche auch vor.
ERA: DAS MITTELALTER von Matt Leacock – erscheint bei eggertspiele
Wie eine Neuauflage fühlt sich auch ERA: DAS MITTELALTER an. Denn jeder, der IM WANDER DER ZEITEN DAS WÜRFELSPIEL – BRONZEZEIT kennt, der findet sich recht schnell in ERA zurecht. Was auch nicht wirklich verwunderlich ist, schließlich bezeichnet Autor Matt Leacock ERA selbst als Weiterentwicklung der eigenen Idee.
Allerdings ist ERA nur noch bedingt ein Roll-and-Write-Spiel. Es wird zwar weiterhin gewürfelt, nun werden aber echte kleine 3D-Gebäude auf den Spielplan gesetzt. Inwieweit man diese Gebäude als hübsch oder hässlich bezeichnen will, das liegt sicherlich im Auge des Betrachters. Mir haben sie jedenfalls nur so lala gefallen. Viel ärgerlicher fand ich eher die gelbe Farbe des Bordes, die nicht gut zu manch gelben Gebäude passte. Da hätte ich eher ein dezentes Grün oder Braun erwartet. Glücklicherweise sind mittlerweile aber schon Aufkleber in der Box, welche die sehr schwach ausgeprägten Bezeichnungen am oberen und seitlichen Rand des Bordes überhaupt erst lesbar machen.
Auch spielerisch hat mich ERA nicht vom Hocker gerissen – was vielleicht aber auch daran liegt, dass ich IM WANDER DER ZEITEN DAS WÜRFELSPIEL – BRONZEZEIT schlicht großartig finde. Für mich hätte es demnach gar keine Weiterentwicklung benötigt und ich würde wohl im Zweifel eher zum alten Spiel greifen. Denn das Mehr an Gebäuden brachte für mich nicht ein Mehr an Spielfreude. Die Gebäude bringen neue Würfel ins Spiel oder aber erhöhen die Erträge der anderen Würfel. Wieder gibt es Totenköpfe, die sich auch auf die anderen Spieler auswirken können. Allerdings ist die Interaktion gefühlt noch geringer als im alten Spiel. Das liegt vielleicht auch daran, dass nun alle gleichzeitig hinter ihren Sichtschirmen würfeln. Für manche Spieler ich das schon ein No-Go, weil natürlich keiner überprüfen kann, ob da hinter den Sichtschirmen nicht Schindluder getrieben wird. Damit habe ich weniger ein Problem. Mir fehlte allerdings das Mitfiebern während der Würfe meiner Mitspieler. Ich habe mich somit meist nur auf mich selbst konzentriert. Auch das Mehr an Phasen zwischen den Spielzügen war eher ein Mehr an Verwaltungsaufwand als an Spielspaß. Zu guter Letzt fand ich noch, dass man doch ein wenig zu sehr den Würfeln ausgesetzt war. Da konnte man Rohstoffe ohne Ende haben. Fehlt der Würfel, der einem das Bauen ermöglicht, bringen diese einem kaum etwas. Nein, so richtig überzeugt hat mich ERA: DAS MITTELALTER nicht.
IMPERIAL SETTLERS: EMPIRES OF THE NORTH von Joanna Kijanka und Ignacy Trzewiczek
Gleich vorne weg, um meine Meinung besser einschätzen zu können. Ich bin kein großer Fan von IMPERIAL SETTLERS. Da verwundert es nicht, dass ich auch auf EMPIRES OF THE NORTH eher verhalten reagiere. Auch kann ich deswegen schlecht in kurzen Worten die Unterschiede dieses Spin-Offs zum Vorbild benennen. Da fehlt es mir schlicht an Spielerfahrung mit IMPERIAL SETTLERS.
EMPIRES OF THE NORTH ist allerdings wieder ein reinrassiger Engine-Builder. Über ein Aktionsrad hat man fünf Optionen, die man optimalerweise noch dadurch verstärkt, dass man eine zur Aktion passende Karte ausspielt. Gegen Abgabe von Rohstoffen kann man aber auch unabhängig davon Karten ausspielen, die man (so oder so ausgelegt) einmal pro Runde aktivieren kann. Siegpunkte erhält man entweder durch Rohstoff tauschen oder durch Plünderungen im Nordmeer, was eine eigene Spielphase ist.
Neben den wirklich knuffigen Illustrationen von Roman Kucharski erkennt man auch noch manch andere Parallele zu IMPERIAL SETTLERS. Jeder Mitspieler hat nämlich einen individuellen Völker-Kartensatz mit zum Teil doch sehr unterschiedlichen Eigenschaften. Allerdings war bei uns in der Partie die Interaktion erstaunlich gering. In meiner Erinnerung an IMPERIAL SETTLERS war das immer eine sehr direkte Interaktion zu den Mitspielern – das war bei EMPIRES OF THE NORTH definitiv anders. Für manch einen wird das eine großartige Neuigkeit sein, weil man nicht mehr so leicht zur Weißglut getrieben werden kann.
Mich hat EMPIRES OF THE NORTH zumindest nicht abgeschreckt und ich würde gerne noch einmal eine Partie angehen. Allerdings bin ich mir recht sicher, dass ich es auch nicht so oft spielen würde, wie es die vielen unterschiedlichen Völker eigentlich verdient hätten. Meiner Meinung nach wird EMPIRES OF THE NORTH seine Fans finden – ich bin wohl eher nicht mit dabei.
DER KARTOGRAPH von Jordy Adan
Dahingegen ist DER KATOGRAPH nun recht weit nach oben auf meiner Wunschliste gerückt. Denn dieses Flip-and-Write-Spiel hat es mir doch sehr angetan. Im Grunde genommen ist es wenig innovativ, kombiniert es doch lediglich viele bekannte Elemente. Das allerdings äußerst überzeugend, was eben doch eine anerkennenswerte Leistung ist.
Bei DER KARTOGRAPH werden nach und nach Karten aufgedeckt, die unterschiedliche Geländetypen in Tetris-Formen zeigen. Diese zeichnet man in seinem Plan ein, um damit bei den einzelnen Wertungen möglichst viele Punkte zu generieren. Die Wertungen erinnern dabei an ISLE OF SKYE, da immer zwei verschiedene Wertungseigenschaften als Paar gebildet werden. So ist man gezwungen, flexibel bzw. weitsichtig zu agieren, damit man sich den wechselnden Gegebenheiten anpassen kann. Zusätzlich kommt auch noch ein interaktives Element dazu: die Monster. Diese darf man nämlich bei den Mitspielern einzeichnen (PENNY PAPERS lässt grüßen) – und muss dabei überhaupt nicht nett sein! So werden einige Pläne durchkreuzt, was entsprechende Emotionen nach sich zieht. Aufgrund der Kürze der Spielzeit wird man sich aber sicherlich schnell wieder vertragen.
Mir hat DER KARTOGRAPH außerordentlich gut gefallen. Und wenn ich meinen Kollegen richtig zugehört habe, dann war ich nicht alleine mit dieser Meinung.
Die folgenden Fotos zeigen nicht das eigentliche Material, sondern eine "Großspiel-Ausgabe" für Veranstaltungen. Die Box und deren Inhalt kommt ganz klassisch klein daher.
NOVA LUNA von Uwe Rosenberg und Corné van Moorsel – erscheint bei Edition Spielwiese
NOVA LUNA ist die "große" Neuheit der Edition Spielwiese. Ganz kurz zusammengefasst könnte man sagen: PATCHWORK trifft HABITATS – was bei den beiden beteiligten Autoren auch ein wenig auf der Hand liegt.
Von einem Thema habe ich nichts mitbekommen, aber das wird bei diesem abstrakten Spiel auch nicht vermisst. Bei NOVA LUNA versucht man farbige Flächen zu bilden und damit einzelne Vorgaben auf den jeweiligen Plättchen zu erfüllen. Die Plättchen wiederum erlangt man durch einen Auswahlmechanismus, den man aus PATCHWORK kennt.
NOVA LUNA spielte sich sehr gefällig. Die Regeln sind eingängig und das Spielprinzip ist leicht verstanden. Wir hatten allerdings das Problem, dass am Ende eine Königmacher-Situation auftrat. Keine Ahnung, wie oft das passieren kann. Aber so war das ein etwas unbefriedigendes Ende.
Der eigene Anspruch, keine gewöhnlichen Illustrationen anzubieten, kann die Edition Spielwiese auf alle Fälle erfüllen. NOVA LUNA sieht toll aus, da hat Lukas Siegmon wieder eindrucksvoll gewirkt. Ungünstig war lediglich, dass die einzelnen Spielscheiben gerne etwas größer sein dürften, um sie besser greifen zu können. Da das Spiel aber nicht im Endproduktionsstand vorlag, kann es sein, dass diese auch noch größer werden.
Die nachfolgenden Fotos zeigen noch einen weit fortgeschrittenen Prototypen und nicht die finalen Komponenten.
COOPER ISLAND von ode. – erscheint bei Frosted Games
Da ich mich am Abend noch erstaunlich fit fühlte, wagte ich mich tatsächlich noch an ein Expertenspiel heran. Denn ein solches ist COOPER ISLAND ohne Frage. Auch wenn die eigentlichen Aktionsmöglichkeiten halbwegs überschaubar sind, steckt die Spieltiefe dann in vielen folgenden Details. Ganz grob beschrieben, entdeckt man nach und nach eine eigene Halbinsel. Dazu werden Landschaftsplättchen ausgelegt, die dann wiederum sofort Rohstoffe produzieren. Diese nutzt man um Gebäude, Statuen oder Schiffe zu bauen bzw. um Warenlieferungen durchzuführen.
Die zentrale Aktionsauswahl erfolgt über einen Worker-Placement-Mechanismus, der allerdings nicht all zu streng ist. Denn man kann besetzte Felder trotzdem benutzen, wenn man dafür den Vorgänger auf diesem Feld bezahlt. Allerdings hat man anfangs nur überschaubare zwei Arbeiter zur Verfügung. Das können später mehr werden, wobei dummerweise alle Arbeiter auch ernährt werden wollen.
Wer sich ein wenig mit Spielen dieser Kragenweite auskennt, wird recht schnell in COOPER ISLAND hinein finden. Die Schwierigkeiten liegen meiner Meinung nach nicht in der Fülle der Regeln, sondern im sinnvollen Kombinieren der Möglichkeiten. Die Illustrationen von Javier González Cava sind ansprechend, die Symbol-Sprache in sich schlüssig. Manchmal fand ich die Handhabung zwar etwas fitzelig, aber irgendwie will man das ganze Material auch auf einen normalen Tisch bringen. Die Spielzeit war mit etwa 2 Stunden in einem Vier-Personen-Spiel noch recht moderat – da hatte ich vorher mehr befürchtet. Allerdings waren wir auch eher von der schnellen Truppe. Ich kann mir vorstellen, dass manch einer dieses Spiel auch tot grübeln kann. Das ist dann aber kein Problem des Spiels, sondern eher des Mitspielers. Insgesamt fand ich COOPER ISLAND anregend und im positiven Sinne fordernd. Das muss ich sicherlich auch nochmals auf den Tisch bringen.
TINY TOWNS von Peter McPherson
Mit einem COOPER ISLAND wollte ich den Tag aber nicht ausklingen lassen, weswegen wir noch mit TINY TOWNS ein kleines Spiel als Absacker auf den Tisch brachten. Wobei klein sich mehr auf den Titel bezieht als auf den Boxumfang. Diese ist nämlich durchaus groß, was auch an den vielen bunten Holzteilen liegt, die in der Box verstaut werden.
TINY TOWNS entpuppte sich dann als gefälliges Stadtbauspiel, bei dem ein 4*4‑Raster nach und nach mit Gebäuden gefüllt werden. Der Clou liegt darin, dass jedes Gebäude eine bestimmte Kombination von Baustoffen verlangt. Die muss man aber nicht nur lediglich abgeben, sondern diese müssen auch in der richtigen Kombination auf dem Raster liegen. Wenn man sich doof anstellt (was ich gemacht habe), kann man sich damit recht schnell ins Aus bugsieren.
Wobei ich mir gar nicht so sicher bin, ob ich wirklich unklug gespielt habe oder ob ich nicht einfach Pech mit den ins Spiel gebrachten Rohstoffen hatte. Diese werden nämlich nach und nach über Karten ins Spiel gebracht und bei mir kam immer genau die falsche Karte, was ich aber auch nicht wirklich beeinflussen konnte. TINY TOWNS lebt sicherlich einerseits von der tollen Gestaltung (die Holzgebäude sind eine Augenweide), andererseits aber auch von einer hohen Varianz. Denn für die einzelnen Gebäude gibt es recht viele unterschiedliche Bauvorlagen und Funktionsweisen, so dass viele verschiedene Partien stattfinden können. Auch TINY TOWNS will ich gerne nochmals spielen, um dessen Potential besser einschätzen zu können.
Abschließend möchte ich mich nochmals bei Pegasus bedanken! Man darf nicht unterschätzen, was so eine Veranstaltung an Arbeit macht. Man hat schon gemerkt, was nebenbei hinter den Kulissen so alles lief (insbesondere im Lager) – kein Wunder, in gut eineinhalb Wochen beginnt die SPIEL in Essen. Trotzdem hat man sich für uns Zeit genommen und mit viel Leidenschaft (aber auch erfrischende Selbstironie) die Spiele präsentiert. Trotz der mittlerweile beachtlichen Größe des Verlages merkt man den Machern das Herzblut für Brettspiele an. Danke dafür!
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