"Aus, aus, die SPIEL ist aus!" Es wird Zeit für die positiven Überraschungen auf der SPIEL 2017 als Top-Liste
Aufgrund des Namens der Spielemesse in Essen bieten sich einfach Wortspiele aus dem Fußball an. Letztes Jahr war Sepp Herberger an der Reihe, dieses Jahr muss eben Herbert Zimmermann für die positiven Überraschungen auf der Spiel 2017 herhalten.
Das allgemeine Fazit (also eher die Meta-Ebene) habe ich schon vor zwei Tagen formuliert. Heute möchte ich zusätzlich einen kleine Nachschau auf einzelne Spiele bieten, die mich positiv überrascht haben. Meine Vorfreude-Liste hatte schon eine Menge Spiele beinhaltet. Einen Großteil davon konnte ich anspielen und dabei haben sich meistens meine Erwartungen bestätigt.
Darüber hinaus habe ich aber natürlich noch eine Menge anderer Spiele unter die Lupe nehmen können. Dabei waren dann auch Spiele, die ich vorher so nicht mitbekommen bzw. anders eingeschätzt habe – sprich: sie haben mich positiv überrascht.Um wieder auf alt bekannten Pfaden zu wandeln, habe ich mich auf fünf Spiele beschränkt.
An dieser Stelle muss ich allerdings noch einmal betonen, dass ich bekennender "Würfelschubser" bin. Ich suche nicht das exotische Spiel mit ausgefallen Spielmaterial und einer Regel in einer Sprache, die ich nicht verstehe – nein, ich will ausgereifte Spiele, die ich in meinen Gruppen problemlos spielen kann. Also "voll Mainstream" – aber dazu stehe ich.
RAJAS OF THE GANGES von Inka & Markus Brand (erschienen bei Huch!)
Dieses Spiel war mir natürlich schon vorher bekannt, aber ich wollte es nicht wirklich wahr nehmen. Schuld daran war das Cover, welches ich einfach nur abstoßend fand – und das, obwohl es von einem meiner Lieblings-Grafiker (Dennis Lohausen) gestaltet wurde. Auch die Autoren stehen für Qualität, aber Thema und Cover-Grafik haben mich im Vorfeld so abgeturned, dass ich mich nicht näher damit befassen wollte.
Ein Fehler, wie ich dann erfahren durfte! Ausgepackt und aufgebaut sieht das Spiel nämlich überhaupt nicht hässlich aus. Die vielen verschieden farbigen Würfel sind eine echte Augenweide und auch den Spielplan fand ich auf einmal ansprechend. Hingucker sind natürlich die Kali-Figuren als Würfelvorrat.
Aber unabhängig von der Grafik, hat mich auch die Spielmechanik nachhaltig begeistert. Das Spielende wird trickreich durch das Zusammenführen zweier gegenläufiger Leisten erzeugt und so sollte das Spiel auch verschiedene Strategien zulassen. Die Würfel spielen natürlich eine große Rolle – können aber sinnvoll manipuliert werden. Doch, doch, RAJAS OF THE GANGES hat mich wirklich nachhaltig positiv überrascht. Davon werde ich sicherlich noch ausführlicher berichten.
MAJESTY von Marc André (erschienen bei Hans im Glück Verlag)
Bei Hans im Glück weiß man nie vorher so genau, was einen erwartet. Wirklich schlechte Spiele sind zwar selten dabei, aber viele Spiele der letzten Jahre haben mich nicht nachhaltig überzeugt (das sehen allerdings viele bei RUSSIAN RAILROAD oder FIRST CLASS anders).
Die diesjährige Neuheit MAJESTY kam mir im Vorfeld etwas zu unscheinbar daher. Mit Marc André hatte man einen Autor an Bord, der mit SPLENDOR ein Spiel entwickelt hat, dass mich auch nur bedingt vom Hocker haut. Allerdings lässt sich da mittlerweile wohl eine Handschrift erkennen, denn MAJESTY spielt sich ähnlich leicht von der Hand wie SPLENDOR. Manche werden das vielleicht als belanglos bezeichnen, aber mit so einem Urteil wäre ich nach nur einer Partie vorsichtig.
Ich kann mir nämlich gut vorstellen, dass MAJESTY trotz einfachen Spielprinzips und kurzer Spielzeit eine gute Spieltiefe erzeugt. Gut gefällt mir, dass eine direkte Interaktion im Spiel vorhanden ist. Daran scheiden sich allerdings auch wieder die Geister. Es wird immer Interaktion gefordert, aber diese darf dann bitte nicht weh tun. Warum eigentlich nicht? In einem 30 Minuten Spiel habe ich damit jedenfalls keine Probleme. In MAJESTY erkenne ich jedenfalls einiges an Potenzial, was nun entdeckt werden will.
THE GAME – FACE TO FACE von Steffen Benndorf und Reinhard Staupe (erschienen im Nürnberger-Spielkarten-Verlag)
Über THE GAME streiten sich auch die Geister. Weniger wegen des Spielprinzips, sondern mehr wegen der Aufmachung. Ich finde diese mutig und deswegen auch gut. Allerdings ist der Name unpraktisch für Suchanfragen jeglicher Art.
Mussten man bisher gemeinsam das Spiel besiegen, geht es nun kompetitiv zu. Somit bekommt das nun vorliegende 2‑Personen-Spiel auch seine Berechtigung, denn das eigentliche THE GAME lässt sich problemlos auch zu zweit spielen.
Der Clou an FACE TO FACE ist, dass man nun seine 60 Handkarten als erster los werden will. Dabei darf man auch Karten auf die Stapel des Mitspielers legen – aber nur, wenn es für diesen von Vorteil ist. Allerdings ist das relativ, denn auf diesem Weg können auch Sprungmarken verbaut werden, so dass sich die Freude in Grenzen halten kann. Im Ergebnis liegt ein spannendes 2‑Personen-Spiel vor, das gekonnt den tollen Mechanismus verändert und ein neues Spielgefühl erzeugt. Hat mich wirklich begeistert!
BANDIDO von Martin Nedergaard Andersen (erschienen bei Helvetiq)
In BANDIDO gilt es, einen Häftling an einem Ausbruch aus dem Gefängnis zu hindern. Als die Wärter nämlich die Zelle ziemlich verlassen vorfinden, erkennen sie viele verschiedene Zugänge zu einem Tunnelsystem. Dieses wird nun von den Spieler ausgestaltet – mit dem Hintersinn, Sackgassen zu bilden und das System zu schließen.
BANDIDO ist ein kooperativen Spiel, dass in in einer kleinen Schachtel daher kommt. Es besticht neben der netten Spielidee mit einer schönen minimalistischen Grafik. Allerdings benötigt man einiges an Platz, denn dass Tunnelsystem kann ganz schön ausufern. Somit ist BANDIDO z.B. nicht geeignet, um es im Zug zu spielen. Für mich ist es jedenfalls mehr als nur ein kooperativen Kinderspiel. Hoffentlich sehen das meine erwachsenen Mitspieler ebenfalls so.
SAFEHOUSE von Marco Teubner (erschienen im Moses Verlag)
SAFEHOUSE war schon ein großer Renner (ups, war das ein Wortwitz?) auf der Frankfurter Buchmesse. Entgegen der Meinung bei Betrachten des Covers ist das Spiel aber nicht primär vom bekannten Autor Sebastian Fitzek entwickelt worden, sondern von Marco Teubner. Allerdings hatte Ftzek die Idee dazu und ich finde es ein gutes Zeichen, dass ein Buch-Autor der Spiele-Szene Impulse gibt.
Das Spiel selbst ist jetzt nicht unbedingt innovativ, da es eben ein kooperatives Flucht-Spiel ist. Allerdings sehe ich das Gesamtkonzept als hoch interessant an. Der Moses Verlag hat wieder ein wahres Kunstwerk ausgearbeitet. Der Spielplan lässt sich wie ein Buch umblättern und überrascht am Ende sogar mit einem tollen Pop-Up-Haus. Hier spielt das Auge mit!
Ich hoffe, dass von der Kombination bekannter Bestseller-Autor und Schauwert des Spiels ganz viele "Nicht-Spieler" angesprochen werden. Primäres Zielpublikum werden wohl Besucher von Buchhandlungen sein – die auch schon die Spiele von Marc-Uwe Kling (HALT MAL KURZ und GAME OF QUOTES) zu Verkaufserfolgen machten. Auch so wird das Kulturgut Spiel gefördert!














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