Glück Auf – Das große Kartenspiel von Wolfgang Kramer und Michael Kiesling erschienen bei eggertspiele

Von Kartenspielumsetzungen bekannter Brettspiele erwartet man oft, dass diese den Kernmechanismus in kompakter Form auf den Tisch bringen. Diese Erwartungshaltung ist wohl ein Grund dafür, warum sich die Redaktion von eggertspiele für den Zusatz "große" im Spieletitel entschieden hat. Denn bei GLÜCK AUF – DAS GROẞE KARTENSPIEL geht es nicht unbedingt kompakt zu und man benötigt mindestens einen genauso großen Tisch wie beim ursprünglichen Brettspiel GLÜCK AUF. Ach, und wer sich eben über das "ẞ" im DAS GROẞE KARTENSPIEL wunderte, der sollte mal beim Rat für deutsche Rechtschreibung vorbei schauen – oder öfters Spiegel Online lesen. Ich weiß aber nicht, ob ich das durchziehe, da es doch sehr ungewohnt aussieht.
Thema... wie auch beim großen(?) Bruder spielt sich das Geschehen wieder in Essen am Ende des 19. Jahrhunderts ab. Allerdings haben die jetzigen Minenbetreiber einen Exklusivvertrag mit der Bahn abgeschlossen, da nun sämtliche geförderte Kohle auf entsprechende Transportwaggons geladen werden. Hier herrschen aber seltsame Beschränktheiten und Zwänge, die sich nicht wirklich über das Thema ableiten lassen. Wer also der Meinung war, dass GLÜCK AUF nur ein schönes, aber durchaus aufgesetztes Thema hatte, der wird mit dem GROẞEN KARTENSPIEL nicht glücklicher sein.
Illustrationen... sind wieder von Dennis Lohausen und – man kann es nur so sagen – wie man es von Lohausen glücklicherweise gewohnt ist, sind sie wieder äußerst gut gelungen. Allerdings fehlen aufgrund des beschränkten Materials die vielen kleinen Wimmelbilder-Details vom Brettspiel. Manche Mitspieler meinten auch, dass sich die Lokomotiven nicht ausreichend unterscheiden würden – damit hatte ich aber eigentlich nie Probleme.

Ausstattung... besteht – oh Wunder – aus ganz vielen Karten (244 wenn ich mich nicht verrechnet habe). Diese sind mit einem spartanisch anmutenden aber doch sehr clever durchdachten Papp-Inlay gut in der Box zu lagern. Zusätzlich liegen in der Box noch vier Spielerablagen, sieben kleine Schichtmarker und ein Wertungsblock. Letzterer ist ein toller Service – leider hat er die unangenehme Eigenschaft, dafür zu sorgen, dass der Deckel nicht richtig schließt (oder ich versage beim Tetris-Anordnen). Man hat das Gefühl, dass er noch schnell am Ende hinzugefügt wurde, weil man den Spielern etwas Gutes tun wollte. Das hat nun ein wenig etwas vom Fluch der guten Tat.
Alle Karten werden jedenfalls nach einer festen Ordnung als Kartenauslage auf den Tisch gebracht. Darunter sollte man Platz lassen, damit man dort später die Arbeiterkarten der Spieler anlegen kann. Zusätzlich kommen noch eigene Ablagen direkt vor die Spieler. Links davon sollte man Platz für ausgelegte Lorenkarten lassen und rechts für die späteren Waggonkarten.

Ablauf... wie beim Brettspiel haben wir es wieder mit einem Worker-Placement-Mechanismus zu tun. Nun ist die Kohle aber nicht mehr an Farben zu unterscheiden, sondern an verschiedenen Wappen auf den Loren. Scheinbar haben wir uns darauf spezialisiert, dass nur bestimmte Kohle an besondere Orte geliefert werden, denn diese Wappen sind auch auf einzelnen Waggons zu sehen – und diese dürfen wiederum nur auf bestimmten Gleisen stehen. Hier machen Anfänger gerne Zuordnungsfehler bzw. denken, dass ein Zug nur mit Waggons eines Wappens bestückt werden darf. Ist aber nicht so. Allerdings ist zu beachten, dass für das Rad- und das Klee-Wappen zwei Gleise zur Verfügung stehen während für das Turm- und Fuchs-Wappen nur jeweils ein Gleis möglich ist. Glücklicherweise gibt es noch Joker-Waggons, die alle vier Wappen zeigen. Auch die anderen Karten haben solche Varianzen (so gibt es bspw. vier verschiedene Lok-Farben bzw. die Aufträge zeigen vier verschiedene Bestimmungsorte).

An die Karten aus der Auslage gelangt man, in dem man Arbeiter an diese legt. Auf der Hand hat man einen Pool von Arbeiterkarten mit verschiedener Stückelung. Meistens ist nur ein Arbeiter abgebildet, es können aber auch bis zu fünf derer auf der Karte vertreten sein. Wie beim Brettspiel werden Aktionsplätze nicht blockiert, sondern können ebenfalls genutzt werden, wenn man einen Arbeiter mehr an diesen Platz legt. Durch die unterschiedliche Arbeiteranzahl auf den Karten kann es hier zu interessanten Entscheidungen kommen. Denn es muss immer genau ein Arbeiter mehr angelegt werden. Liegen an einem Aktionsplatz bspw. drei Arbeiter und man hat auf der Hand aber nur noch Karten mit zwei oder vier Arbeitern, dann kann dieser Platz nicht besucht werden. Glücklicherweise kann man aber Karten kombinieren (so hätten in dem Beispiel bspw. eine 1er- zusammen mit einer 2er-Karte gelegt werden dürfen). Prinzipiell nimmt man immer die oberste Karte (für Loren und Waggons stehen zwei Stapel zur Auswahl). Es besteht aber über einen Aktionsplatz auch die Möglichkeit, sich aus den obersten vier Karten eine auszusuchen.
Wofür macht man das Ganze? Um Aufträge zu erfüllen, über die am Ende Siegpunkte ausgeschüttet werden. Diese Aufträge kann man sich aus der Auslage holen. Außerdem gibt es noch Anteilskarten, die man später Aufträgen zuordnen kann, um damit die Siegpunkte zu erhöhen. Weiterhin stehen einem noch Innovationskarten (machen den eigenen Spielzug flexibler) und Geschäftszielkarten (ergeben am Ende Siegpunkte für bestimmte Bedingungen) zur Verfügung.

Einen tollen Aufzug sucht man beim Kartenspiel vergebens. Dieses Mal werden die Loren direkt von der Warteliste auf der linken Seite in die entsprechenden Waggons befördert. Dafür stehen einem entsprechende Aktionskarten zur Verfügung (die immer liegen bleiben und nicht aufgenommen werden). Ebenfalls über eine solche Aktionskarte sorgt man dafür, dass alle Lokomotiven einer Farbe abfahren – und damit die Aufträge erfüllen.
Gespielt wird über fünf bis sieben Schichten (abhängig von der Spieleranzahl) und am Ende werden ganz einfach die Siegpunkte aus den verschiedenen Bereichen zusammengezählt – dafür gibt es ja den schönen Wertungsblock.
Das gefällt mir nicht so gut: Die leichte Abwandlung beim Arbeiter einsetzen ist anfangs sehr reizvoll. Es ist schon lustig zu sehen, wenn Mitspieler auf ihrer hohen Vier sitzen bleiben, weil sie keine Möglichkeiten zum Anlegen haben. Allerdings schränkt mich dieser Mechanismus auf die Dauer zu sehr ein. Denn wenn man Pech hat, liegen gerade keine brauchbaren Karten für meine verbliebenen Arbeiter aus. Dann macht meine eine halbwegs sinnfreie Aktion (damit man etwas macht). Doch durch die Mitspieler wird danach auf einmal eine interessante Option möglich – nur fehlt einem dann die Arbeiter-Karte, um diese auch zu nutzen. Das ist frustrierend und man kommt sich dann arg gespielt vor. Verschärft wird das dadurch, dass man beim Passen automatisch die ganze Schicht passt – man kann also nicht zu einem späteren Zeitpunkt wieder einsteigen.

Ohnehin ist der Glücksanteil nicht zu unterschätzen. Natürlich hat man die Möglichkeit, sich aus den ersten vier Karten eines Stapel eine auszusuchen. Aber erstens wird diese Möglichkeit schnell durch die Mitspieler sehr teuer und zweitens ist das immer noch keine Garantie für eine brauchbare Karte – insbesondere dann, wenn man das Gefühl hat, dass schlecht gemischt wurde [Exkurs: gutes Mischen beim Aufbauen einer Partie ist sehr wichtig!!!]. Im Gegensatz zum Brettspiel hat man beim Kartenspiel eine wesentlich geringere Auswahl an offenen Optionen. Beim Spiel zu zweit wird das am deutlichsten, weil es dann auch viel seltener zu neuen Auslagen kommt (weswegen ich es zu zweit nicht mehr würde spielen wollen).
Wie auch beim Brettspiel verläuft die Spannungskurve verhältnismäßig flach. Es kommen im Laufe der Partie keine wertvolleren Karten ins Spiel oder neue Aktionsmöglichkeiten werden frei geschaltet. Man macht in jeder Runde das Gleiche, was dann im Spiel zu viert über sieben Schichten schon arg repetitiv ist. Auffällig wird das auch in der letzten Schicht. Wenn man mit Sicherheiten geplant hat, dann ist man eventuell schon am Anfang dieser Schicht mit seinen notwendigen Sachen durch und kann keine neue Auftragskette starten. Damit man überhaupt noch etwas macht, nimmt man sich nun Anteils- oder Geschäftszielkarten mit der Hoffnung auf einen passenden Glückstreffer. Oder man versucht, den Mitspielern Salz in deren Getriebe zu streuen, was aber auch ein doofes Spielgefühl ist. Ich habe jedenfalls oft erlebt, dass in der letzten Runde schon die Luft draußen war (bzw. durch das destruktive Spiel der Mitspieler die eigenen Ziele nicht mehr erreicht werden konnten).
Etwas schade finde ich auch, dass die gewohnt guten kleinen Details von eggertspiele dieses Mal etwas fehlten. So hätte man bspw. die Spielertableaus wieder irgendwie mit den Spielerfarben versehen können, um auf einen Blick sehen zu können, wer welche Farbe spielt (zumal hier keine personengebundenen Elemente mit Spielerfarbe herumliegen). Ganz sicher kein großes Ding und eher normal. Allerdings haben mich solche kleinen Details ansonsten bei eggerstpiele immer sehr erfreut.

Das gefällt mir gut: Wenn man meine Kritikpunkte so liest, könnte man zu dem Schluss kommen, dass GLÜCK AUF – DAS GROẞE KARTENSPIEL bei mir völlig durchgefallen ist. Ist es aber nicht! Gerade beim Kennenlernen des Spiels hatte ich großen Spaß. Ich fand die Beschränkung der Arbeiterkarten reizvoll und spannend – hier wurden Emotionen ausgelöst. Kann ich noch meine Fünf spielen oder wird dieser Slot von anderen Mitspielern belegt. Erst beim gezielteren Spielen fand ich das dann nervig. Aber in der Entdeckerphase war das ein tolles prickelndes Gefühl.
Zusätzlich ist GLÜCK AUF – DAS GROẞE KARTENSPIEL wesentlich direkter als sein Brettspielbruder. Die zu erzielenden Siegpunkte sind besser planbar und man ist dabei unabhängiger von seinen Mitspieler. Durch die fehlende Mehrheitenwertung am Ende einer Schicht ist das Kartenspiel flüssiger. Außerdem ist man nicht dem Druck ausgesetzt, in jeder Schicht Aufträge erfüllen zu müssen. So hat man das Gefühl, man kann sich im Spiel etwas aufbauen.
Dabei können auch sehr befriedigende Spielzüge entstehen. Kann man in einem Rutsch drei Aufträge erfüllen (weil alle Züge die gleiche Lokfarbe haben), dann fühlt sich das einfach überragend an. Um das zu erleben, braucht man zwar ein wenig Glück, aber man muss auch ein gutes Timing aufweisen. Einen guten Flow für die Karten zu bekommen, das ist die eigentliche Kunst in diesem Spiel.
Dabei sind die Mitspieler unbedingt zu beachten. Auch wenn das Spiel keine direkte Interaktion aufweist, ist es beileibe nicht egal, was die Mitspieler machen. Ganz im Gegenteil. So können ganz schnell neue Situation entstehen, auf die man reagieren will. Somit sollte man schon bedenken, was die Mitspieler als nächstes vorhaben und sich der dadurch ergebenden Möglichkeiten bewusst sein.
Fazit: Anfangs war ich schon sehr angefixt von GLÜCK AUF – DAS GROẞE KARTENSPIEL und war mir sicher, dass es viel besser sei als das Brettspiel. Das Kartenspiel ist direkter und fühlt sich dadurch etwas griffiger an. Mit mehr Partien auf dem Buckel (und dem nochmaligen Spielen des Brettspiels) bin ich mir nicht mehr so sicher, ob es wirklich auch besser ist. Beide haben reizvolle Aspekte und somit sicherlich ihre Berechtigung, beide haben aber auch ihre Schwachpunkte. Mir scheint, dass beide nicht das eigentliche Potenzial des Mechanismus und Themas ausreizen. Immer habe ich das unterschwellige Gefühl, hier wäre noch mehr drin gewesen.
Titel | Glück Auf – Das große Kartenspiel |
Autor | Wolfgang Kramer und Michael Kiesling |
Illustrationen | Dennis Lohausen |
Dauer | 50 – 80 Minuten |
Spieleranzahl | 2 bis 4 Spieler |
Zielgruppe | Kennerspiel |
Verlag | eggertspiele (Pegasus) |
Jahr | 2016 |
Ich bedanke mich bei Pegasus für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars. Ich bin mir sicher, dass durch diese Bereitstellung meine Meinung nicht beeinflusst wurde. Die Besprechung spiegelt meine gemachte Erfahrung wider.
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