Gutenberg von Katarzyna Cioch und Wojciech Wisniewski – erschienen bei HUCH!
Als gebürtiger Mainzer habe ich zwangsläufig einen persönlichen Bezug zu Johannes Gutenberg. Trotz der Mainzelmännchen müsste Gutenberg der bekannteste Sohn dieser Stadt sein – und da mir glücklicherweise kein Größenwahn unterstellt wird, glaube ich auch, dass sich so schnell nichts an dieser Einschätzung ändern wird. Denn die Erfindung des modernen Buchdrucks wird an manchen Stellen nach der Ausbildung der Sprache und der Erfindung komplexer Schriftsysteme als dritte Medienrevolution angesehen, die großen Einfluss auf unsere moderne Welt hatte.
Thema... überraschenderweise wollen wir Bücher drucken. Wir nehmen dafür Aufträge an, beschaffen uns Tinte, Lettern und hilfreiche Maschinen und heimsen damit etwas Geld und am Ende hoffentlich den meisten Ruhm ein. Das passt alles schon sehr gut – auch weil die Details stimmen. Tinte verbrauche ich und muss diese im Spiel bei der Auftrags-Erfüllung ausgeben. Bei den Lettern reicht es aber aus, diese lediglich zu besitzen. Ich kann sie also später neu zusammenstellen und wieder benutzen. Genau dieses System der beweglichen und wiederverwendbaren Lettern im Vergleich zum starren Holzdruck machte Gutenberg berühmt.
Illustrationen... sind von Rafał Szłapa und passen gut zum Thema. Mir gefallen der mittelalterlich anmutende Stil und die vielen kleinen Ornament-Details. Bei der Siegpunktleiste wurde zwar mit der Verspieltheit übertrieben, aber im Großen und Ganzen kann ich sehr gut mit der grafischen Gestaltung leben. Zumal auch die Symbolsprache zweckmäßig und verhältnismäßig leicht zu lernen ist.
Ausstattung... bietet echte Highlights, denn die einzelnen Lettern sind aus Holz – auch wenn sie historisch korrekt eigentlich aus Blei sein müssten, wie ich im Gutenberg-Museum gelernt habe. Die persönlichen Tableaus sind ebenfalls eine haptische Freude, weil dort im Spielverlauf Zahnräder positioniert werden, die dann um kleine Holzkuben rotieren. Der Rest ist klassische Euro-Kost: ein großer doppelseitig bedruckter Spielplan, Sichtschirme, Planungsmarker, Planungstafeln sowie viele Karten (Aufträge, Verbesserungen, Belohnungen...) und viel Pappe (Tinte, Geld, Charakterplättchen...). Das ganze Material kann in den beigefügten kleinen Pappschachteln aufbewahrt werden. Denn wie schon bei ZWERGAR hat der ursprüngliche Granna Verlag vollständig auf Plastikkram verzichtet, was eben auch Zipp-Tütchen einschließt. Und wie es heutzutage üblich ist, wird übrigens auch das Solo-Spiel mithilfe eines Automa-Kartendecks ermöglicht.
Ablauf... Das spielerische Herzstück von GUTENBERG ist die Planungsphase, welche man als verkappte geheime Auktion beschreiben könnte. Denn in dieser Phase setze ich zeitgleich mit meinen Mitspielenden meine Planungsmarker für die fünf nachfolgenden Aktionen. Das mache ich geheim hinter meinem Sichtschirm, so dass die anderen nicht wissen, was ich für Pläne schmiede. Wenn alle damit fertig sind, werden die Sichtschirme gelüftet und in der nächsten Spielphase werden nun die einzelnen Planbereiche in Worker-Placement-Manier abgehandelt. Wer in welchem Bereich zuerst agieren darf, bestimmt die Anzahl der vorher gesetzten Planungsmarker. Möchte ich bspw. also zuerst Zugriff auf die ausliegenden Aufträge haben, dann muss ich viele Planungsmarker für diesen Bereich investieren. Bei Gleichstand der Marker hat immer die startende Person Erstzugriff. Allerdings muss diese auch mit dem Malus leben, weniger Planungsmarker zur Verfügung zu haben.
Die Aktionsbereiche sind dann klassischer Natur: ich besorge mir neue Aufträge und neue Tinte, ich verbessere eigene Spezialisierungen sowie die Druckerei mit Zahnrädern. Zu guter Letzt kann ich noch eine Gunst erbitten, was anfangs jeweils kleine Hilfen sind, ab der dritten Spielrunde aber auch Siegpunkte einbringen, wenn ich die notwendigen Voraussetzungen erfülle. Am Ende der insgesamt sechs Runden kann ich dann noch vorher angenommen Aufträge erfüllen, was mit Geld und Siegpunkten belohnt wird.
Das gefällt mir nicht so gut: Ich mache es kurz: GUTENBERG dauert zu lang. In voller Besetzung sind die zu treffenden Entscheidungen durchaus reizvoll, ich konkurriere mit den Mitspielenden um den ersten Zugriff und betreibe auch noch ein wenig Engine-Building. Alles wunderbar. Aber nach der vierten von sechs Runden habe ich das Gefühl, mich nur noch zu wiederholen. Zwar gibt es vielleicht noch die ein oder andere Gunstkarte, die erst später frei geschaltet wird, aber dadurch erhöht sich nicht der Spannungsbogen. Wie auch schon bei ZWERGAR hat es die Redaktion von Granna nicht geschafft, den richtigen Zeitpunkt für das Ende zu finden. Das ist schade, denn ansonsten wurde vieles richtig gemacht. Ich habe somit die Hoffnung, dass vielleicht irgendwann noch eine Regelvariante veröffentlicht wird, die dieses Problem aufgreift und löst.

Ansonsten muss GUTENBERG mit dem Vorwurf leben, ein kleiner Blender zu sein. Das Material ist fantastisch, spielerisch ist alles aber eher gewohnte Hausmannskost. Vor allem im Spiel zu zweit (oder auch solo), sind die Entscheidungen aufgrund mangelnder Alternativen eigentlich immer sehr einfach zu treffen. Erst in größeren Gruppen besteht mehr Auswahl und die Konkurrenz zwingt mich, mein Denken an die Gruppe anzupassen. Aus diesem Grund spiele ich GUTENBERG am liebten in Vollbesetzung.

Der Blendervorwurf schließt übrigens explizit nicht die Tintentropfen ein. Die haben schon in der ersten Auflage aufgrund einer ungünstigen Farbwahl für Aufregung gesorgt. Dieses Problem wurde in der deutschen Version erfolgreich gelöst. Aber irgendwie fühlen sich die Papp-Plättchen im Vergleich zu den Holzlettern unbefriedigend an. Hier hätte ich mir gerne ebenfalls Tropfen aus Holz gewünscht. Solche hatte ich leider auf dem Sekundärmarkt nicht in den entsprechenden Farben gefunden, weswegen ich auf Tropfen aus durchscheinenden Ressin ausgewichen bin. Mein ökologisches Gewissen hat aber sehr darunter gelitten und ich bin mir nicht sicher, ob ich das wieder machen würde. Die neuen Tropfen sehen zwar toll aus, aber ehrlicherweise sind sie unnötig, weil die Pappplättchen auch ihre Arbeit getan haben. Hier versuche ich, in Zukunft den Verlockungen zu entkommen.
Das gefällt mir gut: Mein Highlight des Spiels ist die verdeckte Planungsphase. Mir macht es jedenfalls irre viel Spaß, die Planungsmarker von der einen in die anderen Leiste zu schieben und dabei die verschiedenen Szenarien im Kopf durchzugehen. Bei den Aufträgen kann ich gerne auch später zugreifen, aber dieses eine Zahnrad brauche ich unbedingt. Auch bei den Spezialisierungen sollte ich besser früh an der Reihe sein und vielleicht kann ich noch etwas beim Tinten-Markt abgreifen. An dem System gefällt mir vor allem die Gleichstandregel, die sehr gut gelöst ist. Denn bei einem solchen haben zwar die Personen in der Spielreihenfolge immer zuerst Zugriff, aber dafür haben diese auch weniger Planungsmarker zur Verfügung. Die in der Runde startende Person hat davon nur 7 Stück zur Verfügung, die letzte in einer 4er-Partie dahingegen 10 Stück. So gleicht sich das alles gut aus und alle Positionen sind interessant zu spielen.
GUTENBERG ist ausgesprochen gut strukturiert, so dass der Einstieg verhältnismäßig leicht ist. Dabei helfen auch die guten Spielhilfen, die klare Anleitung und die Aktionsabfolge auf dem Spielplan. Dabei bauen die Abläufe vernünftig aufeinander auf, so dass man gut geleitet wird und recht flüssig spielen kann. Die obligatorischen Sonderregeln halten sich dabei glücklicherweise in Grenzen. Das einzig vertrakte System sind die Zahnräder, da man ein Gefühl dafür entwickeln muss, wie diese sich drehen und welche Boni-Aktionen damit frei geschaltet werden. Bei der Entschlüsselung der dort abgebildeten Symbole hilft glücklicherweise wieder die Kurzreferenz auf dem Sichtschirm, so dass diese Klippe erfolgreich umschifft werden kann.
Selbst wenn dem Spiel etwas die Spannungskurve fehlt, so sorgen zumindest die einzelnen Charaktere für Variabilität. Diese haben alle kleine Besonderheiten und geben mir ein ganz klein wenig die Richtung vor, wie ich am besten spielen sollte. Diese historischen Charaktere werden übrigens vorbildlich am Ende der Anleitung vorgestellt, so dass zusätzlich ein wenig Wissen vermittelt wird.
Fazit: Aufgrund der stimmigen Themenumsetzung und der tollen Ausstattung darf GUTENBERG vorerst bei mir bleiben, auch wenn ich es aufgrund der spielerischen Längen eher selten auf den Tisch bringen werde. Aber vielleicht kommt irgendwann noch eine Erweiterung, die sich diesem Problem annimmt. Es wäre zu hoffen.
Titel | Gutenberg |
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Autoren | Katarzyna Cioch und Wojciech Wiśniewski |
Illustrationen | Rafał Szłapa |
Dauer | 60 bis 120 Minuten |
Personenanzahl | 1 bis 4 Personen |
Zielgruppe | entspannte Kennerspielrunden |
Verlag | HUCH! |
Jahr | 2022 |
Hinweis | für die Besprechung wurde vom Verlag ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt |
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