Spiele-Comic Noir: Gefangen! von Manuro und MC – erschienen bei Pegasus Spiele
In Deutschland hört man immer noch zu oft die Meinung, dass Comics Kinderkram sind – und deswegen diese doch gefälligst was anderes, "richtiges" lesen sollen. Absoluter Quatsch! Auch wenn ich selbst als Kind und auch als Erwachsener recht wenig Comics gelesen habe, sollte man Comics nicht auf "Witzbildchen" reduzieren. Zusätzliche sehe ich an meinen Kindern den hohen Aufforderungscharakter von Comics. Insbesondere für Leseanfänger können Comics somit ein idealer Einstieg sein. Allerdings sollte man schon prüfen, welche Comics vom Inhalt her für welches Alter geeignet ist. So ist im Gegensatz zu den bisher bei Pegasus erschienenen SPIELE-COMICS (RITTER und SHERLOCK HOLMES) der nun vorgestellte SPIELE-COMIC NOIR: GEFANGEN! definitiv nichts für die Jüngeren unter uns.
Thema... ist wenig erfreulich. Unsere Tochter wurde entführt! Man soll sich mit dem Lösegeld und dem vererbten Siegelring zur Übergabe in ein verlassenes Herrenhaus begeben. Gegen die Absprache kommt der zu spielende Held aber nicht alleine – und er hat auch seine Pistole dabei. Diese wird nicht ungenutzt bleiben.
Illustrationen... sind von MC. Da ich keine wirkliche Ahnung von Comics habe, weiß ich somit leider nicht, wer sich hinter dieser Bezeichnung verbirgt. Eine erste schnelle Suche im Internet hat mich auch nicht wirklich weitergebracht. Vergebt mir also bitte meine Unwissenheit. Seine/Ihre Arbeiten haben mich jedenfalls nicht ganz überzeugt. Alles ist zwar schön düster gezeichnet, so dass man gut in die Geschichte eintauchen kann. Wer allerdings farbenfrohe Bilder sucht, der ist hier falsch. Außerdem kommen die Figuren recht eindimensional daher, was sich auch dadurch zeigt, dass der Held (also wir) scheinbar nur eine Pose kenne.
Ausstattung... ist puristisch: wir halten ein Buch in der Hand. Man sollte beim Lesen/Spielen aber noch ein Stift parat haben, da man die Erlebnisse auf einem Charakterbogen dokumentiert. Neben manchen dort festgehaltenen Eigenschaften (Stärke, Geschicklichkeit und Willenskraft), führt man auch über seine Gesundheit Buch. Ist diese beim Wert 0 angekommen, dann muss man von vorne beginnen.
Um flexibler zu sein, lohnt es sich deswegen die Vorlage des Charakterbogens auf der Website von Pegasus herunterzuladen. Erfahrungsgemäß benötigt man nämlich mehr als einen.
Ablauf... wer den Ablauf ausführlicher beschrieben haben will oder dessen Willenskraft kleiner oder gleich Wert 5 aufweist, der gehe zu [42]. Wenn du keine Zeit verlieren willst, dann gehe zu [88].
[88] Das gefällt mir nicht so gut: Natürlich erinnern die SPIELE-COMICS etwas an frühere Point-and-Click-Adventures auf dem PC. Allerdings ist das Gefühl bei dem vorliegenden Medium Buch weniger dicht. Man kann zwar auch eine entsprechende Musik im Hintergrund laufen lassen, aber das ständige hin und her Blättern bleibt natürlich bestehen. Dass man dabei schon gewisse Handlungsstränge sieht, löst bei mir gemischte Gefühle aus. Einerseits wird man ein wenig der Überraschung beraubt, andererseits kann das aber auch den Erkundungsreiz fördern.
Bei diesem SPIELE-COMIC NOIR: GEFANGEN! fiel mir zudem noch auf, dass man kaum eine räumliche Orientierung aufbauen kann. Früher am PC ist man notfalls immer in eine Richtung gelaufen. Das Anwesen ist aber ziemlich verwinkelt und durch das viele Blättern habe ich immer recht schnell den räumlichen Zusammenhang verloren. Am Ende habe ich mir dann eine Skizze des Grundrisses angefertigt und dann ging es besser.
Leider gibt es auch wieder eine Skala am Ende, die meine Erlebnisse in Erfolge umrechnet. Wirklich benötigen tue ich das nicht, zumal ich ohnehin nicht auf High-Score-Jagd bin. Ich will eine Geschichte erleben und keinen Punkterekord einfahren. Glücklicherweise wird diese Punktevergabe am Ende selbst verbal etwas eingeschränkt. Aber meiner Meinung nach hätte man dieses Abhaken sehr gut einfach ganz weglassen können.
Ansonsten darf man keine wirkliche Tiefe der einzelnen Figuren erwarten. Schon unser Held kommt recht eindimensional daher – die anderen Charaktere sind noch schemenhafter dargestellt. Ich kann das noch akzeptieren, da in meinen Augen dieser Comic eine Art Ego-Shooter ist und ich da nicht viel erwartet habe. Aber die anderen Comics der Reihe haben schon eine bessere Bindung zu den Charakteren erzeugt.
Ein ganz klein wenig stört mich übrigens noch die Bezeichnung "Noir". Aufgrund dieser hatte ich mir eher eine Art Hardboiled-Krimi-Geschichte vorgestellt. "Mystery" oder gar "Horror" empfinde ich als eine passendere Bezeichnung.
Das gefällt mir gut: Im Vergleich zu den anderen vorliegenden SPIELE-COMICS bei Pegasus besticht NOIR: GEFANGEN! durch seine intensivere Story. Einerseits ist diese spannend von Manuro erzählt, andererseits verstärken die Illustrationen von MC diese Empfindungen ungemein. Dieses Mal passt auch die Altersangabe mit "ab 16 Jahren". Denn manche Bilder sind definitiv nichts für jüngere Kinder.
Das liegt auch daran, dass der eigene Charakter eine hohe Sterblichkeitsrate aufweist. Ich habe einige Anläufe gebraucht, bis ich das Abenteuer überlebte. Natürlich ist es dabei ein wenig nervig, dass man noch einmal alles durchspielen muss. Aber ich wüsste auch nicht, wie man das hätte anderes regeln sollen. Außerdem sollte man einen solchen Neustart als Chance sehen. Alles blind nachspielen bis zur tödlichen Situation, würde diesen "Das kenn ich schon alles"-Effekt nur verstärken. Da ist es natürlich interessanter, gleich ab Beginn neue Optionen zu versuchen und dann zu einem späteren Zeitpunkt beide Wege optimal zu vereinen.
Neben der spannenden Story sind sogar auch ein paar kleinere Rätsel zu lösen. Nicht in einem Umfang wie bei den darauf konzipierten SHERLOCK HOLMES Fällen, aber die ein oder andere kleine Nuss ist schon zu knacken. Allerdings liegt der Fokus bei NOIR: GEFANGEN! ganz deutlich auf das Erleben des Abenteuers – und dieses ist clever und stimmig aufgebaut.
Bei den Kritikpunkten sprach ich schon vom zwiegespaltenen Gefühl, dass man beim Blättern schon Bilder aus der Zukunft wahrnimmt. Das ist nachvollziehbarerweise dem Medium Comic geschuldet. Allerdings haben die Macher gut darauf geachtet, dass die einzelnen Handlungsstränge halbwegs als Block auftreten. Das minimierte das Problem recht erfolgreich.
Fazit: Die SPIELE-COMICS sind erwachsen geworden. Vorbei die Zeit der kleinen Späßchen und grafischen Spielereien, denn nun geht es knallhart um das eigene Überleben. Oft genug war ich nicht erfolgreich, was aber den Reiz der Story nur verstärkte. Somit geht dieser SPIELE-COMIC NOIR: GEFANGEN! neue Wege – denen ich sicherlich weiter folgen werde.
Titel | Spiele-Comic Noir: Gefangen! |
Autor | Manuro |
Illustrationen | MD |
Dauer | 60 bis 180 Minuten |
Spieleranzahl | 1 Spieler |
Zielgruppe | rätselnde erwachsene Comicfreunde |
Verlag | Pegasus |
Jahr | 2018 |
Ich bedanke mich bei Pegasus für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars. Ich bin mir sicher, dass durch diese Bereitstellung meine Meinung nicht beeinflusst wurde. Die Besprechung spiegelt meine gemachte Erfahrung wider.
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