Tippi Toppi von Ken Gruhl – erschienen bei Schmidt Spiele
Ich kann mir gut vorstellen, wie die Redaktionsrunde bei Schmidt Spiele einen Tag nach dem Gewinn des Kennerspielpreises für DIE QUACKSALBER VON QUEDLINBURG verlief. Nach feucht-fröhlicher Nacht wurde ersteinmal noch mit einem Sekt auf den Erfolg angestoßen. Doch dann ging es wieder an die Arbeit. Einleitender Satz: "Ich habe hier ein Spiel, das ich wirklich empfehlen kann. Das ist tippi-toppi. Mir fällt nur kein Name dafür ein." "Dann nennen wir es halt so ... TIPPI TOPPI!" "Gebongt!" Und schon konnte weiter gefeiert werden...
Thema... gibt es keines und braucht es keines.
Gestaltung... stammt von der VISID GmbH, die schön häufiger für Schmidt Spiele aktiv war und dabei gute Arbeit abgeliefert hat. So kommt nun auch TIPPI TOPPI in frischer Aufmachung daher, die aufgrund der markanten Farben entgegen des Titels alles andere als altbacken wirkt.

Ausstattung… folgt dem Motto des nicht vorhandenen Themas: 110 Karten – und sonst nichts. Allerdings lohnt sich doch ein zweiter Blick. Denn die Karten unterteilen sich in Auftrags- und Zahlenkarten (sowie eine Übersichtskarte).

Ablauf… erinnert ein wenig an THE GAME. Denn wieder müssen kooperativ Karten auf vier Stapel abgelegt werden. Dabei gilt es, die vorher abgezählten Aufträge nach und nach zu erfüllen, von denen ebenfalls immer vier ausliegen. Die Ablageregeln kennt jeder aus UNO oder MAU MAU, denn man kann auf eine bestehende Karte entweder die gleiche Farbe oder den gleichen Zahlenwert ablegen.
Man gewinnt gemeinsam, wenn alle Aufträge erfüllt wurden, bevor alle Zahlenkarten gespielt wurden (der Nachziehstapel wird nicht neu gebildet). Man verliert vorher schon, wenn eine Person es nicht schafft, eine Karte nach den Regeln abzulegen. Eine gewisse Kommunikation ist erlaubt, selbstredend dürfen dabei aber keine direkten Hinweise gegeben werden (oder man spielt gleich mit offenen Karten).

Das gefällt mir nicht so gut: abgesehen vom Titel nicht all zu viel. Für manch farbfehlsichtige Person wäre es vorteilhaft, wenn die einzelnen Farben noch durch jeweils eigene Symbole unterstützt würden. Aufgrund der knalligen Farben ist diese Problematik zwar nicht all zu groß, aber bei manchen reichen die farbliche Unterschiede trotzdem nicht aus. Im Gegensatz zu den Karten hätte die Farbgebung der Anleitung dahingegen gerne etwas reduzierter daher kommen dürfen.
Apropos die Anleitung: durch eine eindeutigere Formulierung dieser oder bestimmter Karten hätte manche Diskussion abgekürzt werden können. Dabei geht es z.B. um den Auftragstyp von "die Summe der Farbe X ist gleich der Summe von Farbe Y". Jetzt kann man sich nämlich trefflich darüber streiten, ob keine vorhandene Farbe somit der Summe = 0 bedeutet oder nicht. Mich hat diese Diskussion überrascht. Mir war im Sinne des Spiels immer klar, dass man dabei mindestens eine Karte der entsprechenden Farbe ausgespielt haben sollte. Manch spitzfindige Mitspieler sahen das aber anders. Weitere Fragezeichen ergaben sich im Spiel auch bei so Formulierungen wie "nicht benachbart" oder "abwechselnd". Im Endeffekt sind diese Uneindeutigkeiten aber egal, denn man einigt sich da schnell im Sinne des Spiels. Schlussendlich will man gemeinsam Spaß haben – und den hat man mit TIPPI TOPPI.
Das gefällt mir gut: TIPPI TOPPI kommt recht unspektakulär daher – und ist es eigentlich auch. Allerdings darf man nicht den Fehler machen, unspektakulär mit langweilig gleich zu setzen. Denn es ist erstaunlich, in welchen Flow man mit TIPPI TOPPI kommen kann. Durch die unterschiedlichen Schwierigkeitsgrade wird man bei einem Erfolg herausgefordert, es sofort in der nächst schwereren Stufe zu versuchen. Und war man nicht erfolgreich, so will man es ohnehin gleich noch einmal besser machen. Die vielen verschiedenen Aufträge sorgen übrigens dafür, dass man nicht das Gefühl hat, immer das gleiche zu machen.
Man sollte sich allerdings nicht den Spaß nehmen, die Auftragskarten zu Beginn abzuzählen. Natürlich könnte man eine Partie auch derartig spielen, dass man so viele Aufträge wie möglich erfüllt und dann schaut, welche Schwierigkeitsstufe man erreicht hätte. Funktioniert natürlich und man hat dabei den Vorteil, dass man selten verlieren kann. Aber genau diese Spannung fehlt dann auch, womit meiner Meinung nach ein wenig der Spielreiz verloren geht. Dieser speist sich aus den Emotionen, die im Verlaufe einer Partie entstehen. Da freut man sich diebisch, wenn man durch eine abgelegte Karte zwei Aufträge auf einmal erfüllen kann – und dann idealerweise ein neu aufgedeckter Auftrag noch zusätzlich erfüllt wird. Auf der anderen Seite flucht man herzlich, wenn man bis eben noch grüne und lila Karten sammeln musste und auf einmal sollen alle Karten orange sein.
Im Gegensatz zu vielen anderen aus der Szene, bin ich nicht als Lehrer aktiv. Aber ich könnte mir gut vorstellen, dass TIPPI TOPPI sehr gut im Mathe-Unterricht benutzt werden kann. Was sind gerade Zahlen und was sind ungerade? Was ist eine Summe und wie bilde ich diese? Das klingt im ersten Moment anstrengend, ist es aber überhaupt nicht. Bei meinen vielen Partien mit jüngeren Kinder hat sich zumindest nie ein Kind darüber beschwert. Vielmehr waren immer alle mit Eifer dabei, die Karten zusammen zu rechnen und die eigene Kartenhand dazu in Einklang zu bringen – zumal dabei auch kein Zeitdruck herrscht und man diese Rechnungen alleine durchführen muss.
Überraschenderweise hat mir auch der Solo-Modus recht gut gefallen. Eigentlich wollte ich den nur einmal kurz ausprobieren, damit ich im Zuge dieses Beitrags auch ein paar Worte dazu verlieren kann. Doch schwupps, schon hatte ich drei Partien absolviert! Auch danach habe ich TIPPI TOPPI immer mal wieder solo gespielt. Dabei besteht die größere Herausforderung darin, immer Karten ausspielen zu können. Auf der anderen Seite kann man natürlich etwas strategischer vorgehen.
Fazit: Kurz gesagt: blöder Titel – tolles Spiel (und dabei verkneife ich mir ein Wortspiel in der Art, dass es tippi-toppi ist). Für mich eine der positiven Überraschungen, die ich fast im ganzen Neuheiten-Dschungel übersehen hätte.
Titel | Tippi Toppi |
Autor | Ken Gruhl |
Illustrationen | VISID GmbH |
Dauer | 20 Minuten |
Personenanzahl | 1 bis 4 |
Zielgruppe | entspannte Familienspielrunden |
Verlag | Schmidt-Spiele |
Jahr | 2019 |
Ich bedanke mich bei Schmidt Spiele für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars. Ich bin mir sicher, dass durch diese Bereitstellung meine Meinung nicht beeinflusst wurde. Die Besprechung spiegelt meine gemachte Erfahrung wider.
Fage: Muss immer eine Karte abgelegt werden?, oder was mache ich, wenn ich keine passende Farbe oder Zahl auf der Hand habe, auch wenn diese nicht die auftragskarte erfüllt, aber auf den Ablagrstapel passt.
Ist das Spiel zu Ende, auch wenn es noch Zahlen Karten gibt, aber keine auf den Ablagrstapel passt? Oder darf ich passen und der nächste Spieler ist an der Reihe.
Danke für eine Antwort.
Lieben Gruß
Ursula Kurtenbach
Hallo Ursula!
Ich versuche dann mal die Fragen nach und nach zu beantworten. Erstens: ja, man muss immer eine Karte auf einen der vier Stapel ablegen. Kann man das nicht, dann hat das Spiel gegen uns gewonnen (und wir entsprechend verloren). Wenn man noch Karten auf der Hand hat, ist das egal. Man kann nicht passen, sondern man muss eine Karte ablegen.
Allerdings muss man nicht in jeder Runde einen Auftrag erfüllen. Ganz oft legt man eine Karte ab, nur damit man dies macht und nicht verliert. Wenn es geht, bereitet man damit die Erfüllung eines Auftrags zu einem späteren Zeitpunkt vor, bestenfalls erfüllt man damit einen. Man muss also ein wenig vorplanen. Trotzdem ist ein großer Glücksanteil bei TIPPI TOPPI vorhanden. Man hat auch mal Pech und es geht recht schnell nichts mehr. Das ist dann halt so und man beginnt dann meist sofort mit einem neuen Versuch.
Ich hoffe, ich konnte ein wenig die Verwirrung lösen.
Viele Grüße,
Tobias