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Kommentar zum Spiel des Jahres 2018

Spiel des Jahres - Logo
Foto: Spiel des Jah­res e.V.

Einen klei­nen Erleb­nis­be­richt zur Ver­lei­hung des dies­jäh­ri­gen (Kenner-)Spiel des Jah­res habe ich schon geschrie­ben. Aller­dings möch­te ich die Ent­schei­dun­gen der Jury ger­ne auch noch­mals wie im Vor­jahr aus­führ­li­cher kom­men­tie­ren. Rich­tig span­nend wer­den aber sol­che Kom­men­ta­re wohl erst in ein paar Jah­ren zu lesen sein, wenn man dann beur­tei­len kann, wie sich die Spie­le des aktu­el­len Jahr­gangs im Lau­fe der Zeit so "gehal­ten" haben.

 

 

Spiel des Jahres: AZUL von Michael Kiesling

Azul - Box
Foto: Plan B Games

AZUL war der gro­ße Favo­rit und ist sei­ner Rol­le letzt­end­lich auch gerecht gewor­den. Das Gesamt­pa­ket ist dabei ein­fach stim­mig. Ein sehr inter­es­san­ter Mecha­nis­mus trifft auf eine per­fek­te Umset­zung (Mate­ri­al, Gra­fik und wer es braucht auch noch ein dün­nes The­ma). Hier passt ein­fach alles. Man kann es lieb und nett spie­len, man kann aber auch mit gewis­ser Spiel­erfah­rung hunds­ge­mein sein. Schon im Vor­feld zur SPIEL in Essen war ich mir sicher, dass AZUL einem bei der Preis­ver­lei­hung begeg­nen wird und ich sah lan­ge kei­nen ech­ten Kon­kur­ren­ten. Der hat sich dann aber auf der Ziel­ge­ra­den doch noch aus dem Wind­schat­ten her­aus kris­tal­li­siert. Denn auch ein LUXOR hät­te es sicher­lich ver­dient gehabt, die­sen Preis zu gewin­nen. Mög­li­cher­wei­se kam es etwas zu spät auf den Markt, um gegen die vie­len eupho­ri­schen Spiel­be­spre­chun­gen von AZUL noch Boden gut machen zu kön­nen. Aber LUXOR wäre defi­ni­tiv kei­ne fal­sche Wahl gewe­sen. Bei THE MIND sehe ich das nur bedingt. Ja, das Spiel hat mich begeis­tert durch sei­ne Anders­ar­tig­keit. Aber es hat eben auch in man­chen Run­den gran­di­os gefloppt. Die Nomi­nie­rung ist sicher­lich schon ein gro­ßer Erfolg gewe­sen, damit wur­den auch der Mut des Autors und Ver­la­ges belohnt, eine sol­che ver­rück­te Idee auf die Spie­le­welt los­zu­las­sen. Mal schau­en, ob das im Herbst mit dem inno­Spiel gewür­digt wird.

Nicht zu unter­schät­zen sind übri­gens auch die Spie­le der Emp­feh­lungs­lis­te. Hier habe ich mich beson­ders für MEMOARRR! gefreut. Aber auch die ande­ren Titel sind gut aus­ge­wählt und zei­gen schön die Band­brei­te des Jahr­gangs auf. MAJESTY und WOODLANDS spie­le ich davon noch am liebs­ten, aber auch 5‑MINUTE DUNGEON oder auch SANTORINI haben ihren spe­zi­el­len Reiz. Wobei ich mir anstatt SANTORINI als 2‑Per­so­nen-Spiel dann doch lie­ber HANIMAKOJI auf der Lis­te gewünscht hät­te. Natür­lich hät­te ich mir noch wei­te­re gute Spie­le auf der Emp­feh­lungs­lis­te vor­stel­len kön­nen. Aller­dings soll­te eine sol­che Lis­te auch nicht zu lan­ge sein, damit die Spie­le dort nicht wie­der in der Mas­se verschwinden.

 

Kennerspiel des Jahres: DIE QUACKSALBER VON QUEDLINBURG von Wolfgang Warsch

Die Quacksalber von Quedlinburg - Box
Foto: Schmidt Spiele

Die­se Ent­schei­dung hat mich durch­aus über­rascht, auch wenn nach Erschei­nen recht schnell vie­le eupho­ri­sche Mei­nun­gen zu DIE QUACKSALBER VON QUEDLINBURG zu lesen waren. Auch in mei­nem Umfeld waren vie­le Mit­spie­ler durch­aus ange­tan, was ich in gewis­ser Wei­se auch nach­voll­zie­hen kann. Aller­dings trifft es mei­nen Geschmack nicht zu 100 Pro­zent – viel­leicht auch des­we­gen, weil ich durch­aus noch wei­te­res Poten­zi­al sehe, um das Spiel etwas inter­ak­ti­ver zu gestal­ten. Aktu­ell ist es mir etwas zu soli­tär. Auch über die Ein­stu­fung als "Ken­ner­spiel" war ich etwas über­rascht, lässt sich das Spiel doch recht gut häpp­chen­wei­se erklä­ren. Aller­dings ist das von mei­ner Sei­te natür­lich ein klei­ner Denk­feh­ler, denn das Spiel muss sich über die Regel erler­nen las­sen und die­se ist dann doch eher auf Ken­ner­spiel­ni­veau. Wobei ich mich nun fra­ge: wäre es viel­leicht mit einer "Los-Spiel-Anlei­tung" im Sti­le des Catan'schen Prof. Easy am Ende doch nicht bes­ser beim roten Pöp­pel auf­ge­ho­ben. Vor allem im Ver­gleich zu ande­ren Spie­len wie das letzt­jäh­ri­ge WETTLAUF NACH EL DORADO? Hier ist immer noch kei­ne kla­re Gren­ze zwi­schen Rot und Anthra­zit zu erken­nen. Aber wahr­schein­lich ist das auch nicht so ein­fach und muss dann tat­säch­lich jedes Jahr aufs Neue inter­pre­tiert wer­den. Schon kla­rer im anthra­zi­ten Bereich sind dahin­ge­gen die ande­ren bei­den nomi­nier­ten Spie­le anzu­sie­deln. GANZ SCHÖN CLEVER erfor­dert schon eine gewis­se Cle­ver­ness, um alle Mög­lich­kei­ten auf Anhieb zu ver­ste­hen (und gute Augen, um sie dann auch zu erken­nen). Hat man die­se ver­in­ner­licht, wird man aber mit einem groß­ar­ti­gen Roll&Write-Spiel belohnt. HEAVEN & ALE ist sicher­lich vom Anspruch her das dicks­te Brett – aller­dings besitzt es auch einen über­schau­ba­ren Regel­um­fang, wes­we­gen es noch als Ken­ner­spiel durch­geht. Bei die­sem Titel haben es aber Anfän­ger schwer, Erfolgs­er­leb­nis­se zu sam­meln, was eini­ge doch als arg demo­ti­vie­rend emp­fun­den haben. Sum­ma sum­ma­rum hät­te ich mich des­we­gen wohl für GANZ SCHÖN CLEVER ausgesprochen.

Aller­dings nur des­we­gen, weil RAJAS OF THE GANGES über­ra­schen­der­wei­se erst gar nicht zur Dis­kus­si­on stand. So ganz woll­te mir das immer noch kei­ner erklä­ren, war­um es über­haupt kei­ne Erwäh­nung fand – auch nicht auf der sehr kur­zen Emp­feh­lungs­lis­te. Die­se umfasst ledig­lich PIONEERS und KLONG!, die es sicher­lich ver­dient haben, ein wenig ins Ram­pen­licht gesetzt wor­den zu sein. Aller­dings hät­te die Lis­te in mei­nen Augen ruhig noch ein wenig umfang­rei­cher sein kön­nen und bspw. ein CLANS OF CALEDONIA berück­sich­ti­gen dürfen.

 

Kinderspiel des Jahres: FUNKELSCHATZ von Lena und Günter Burkhardt

Funkelschatz-Cover
Foto: Spiel des Jah­res e.V.

Zum Kin­der­spiel des Jah­res habe ich mir kei­ne Mei­nung gebil­det. Mei­ne Kin­der sind mitt­ler­wei­le aus die­ser Ziel­grup­pe ent­wach­sen und ich tue mich schon schwer genug, einen Über­blick über die wei­te­ren Spie­le zu erhal­ten. Aber trotz­dem freut es mich für Gün­ter Burk­hardt und auch für HABA – bei­de waren ein­fach mal dran!

 

Sonderpreis: PANDEMIC LEGACY – SEASON 2 von Matt Leacock und Rob Daviau

Pandemic Legazy Season 2 - Box
Foto: Z‑MAN Games

Die Ver­ga­be die­ses Son­der­prei­ses fin­de ich sehr gut. Schon die dama­li­ge Nomi­nie­rung von SEASON 1 zum Ken­ner­spiel des Jah­res 2016 war ein kla­res Zei­chen. Auf­grund der Kom­ple­xi­tät die­ses genia­len Spie­les wäre aber eine Preis­ver­ga­be schwie­rig zu begrün­den gewe­sen (es gibt eben immer noch nicht das Exper­ten­spiel des Jah­res). Mit die­sem Son­der­preis konn­te man nun aber die Inno­va­ti­ons­freu­dig­keit und die Güte der Arbeit von Matt Lea­cock und Rob Davi­au (und auch den Ver­la­gen) ent­spre­chend wür­di­gen. Bei­de haben den Hori­zont der Spie­le­welt deut­lich erweitert.

 

Abschlie­ßend gra­tu­lie­re ich allen Gewin­nern (Autoren, Ver­la­ge und Illus­tra­to­ren), bedan­ke mich aber genau­so auch bei allen Nomi­nier­ten bzw. Emp­foh­le­nen für vie­le vie­le Stun­den Spielspaß!


Wer sich den Spaß machen will, kann auch ger­ne noch­mals mei­nen Blick in die Glas­ku­gel lesen. Da habe ich im Vor­feld der Nomi­nie­run­gen mei­ne Favo­ri­ten benannt. Erstaun­li­cher­wei­se lag ich gar nicht so schlecht mit mei­nen Tipps...

2 Kommentare

  • Die Quack­sal­ber von Qued­lin­burg sind sicher ein schö­nes Spiel, aber ein Ken­ner­spiel? Wenn man sich die Ken­ner­spie­le der ver­gan­ge­nen Jah­re und die zuge­hö­ri­gen Nomi­nie­rungs­lis­ten anschaut (7 Won­ders, Istan­bul, Isle of Sky um nur eini­ge zu nen­nen), fal­len die Quack­sal­ber doch ganz schön ab. Die Begrün­dung der Jury ist mehr als dürf­tig: "Ein rei­nes Glücks- spiel? Nein, denn Autor Wolf­gang Warsch lässt den Spie­lern dank des exqui­si­ten Grund­re­zepts vie­le tak­ti­sche Frei­hei­ten beim Ver­fei­nern." Das Spiel ist der­art glücks­las­tig, dass alles tak­tie­ren nicht lohnt. Es kommt ja nicht nur dar­auf an, wel­che Zuta­ten im Beu­tel sind, son­dern auch noch ganz ent­schei­dend ob und wann ich sie zie­he. Scha­de, dass die Jury die­ses Jahr kein Ken­ner­spiel mit gerin­ge­rem Glücks­fak­tor gefun­den hat. An feh­len­der Aus­wahl lag es sicher nicht.

    • Das Pro­blem beim "Ken­ner­spiel" bleibt der unglück­li­che Begriff des "Ken­ners". Die­ses Ken­ner impli­ziert bei vie­len etwas, was so wohl gar nicht gewollt war. So wie ich es mitt­ler­wei­le ver­stan­den habe, geht es eben nicht um den Anspruch eines Spie­les, son­dern in ers­ter Linie um die Ein­stiegs­hür­de. Ganz platt ver­ein­facht: alles was mehr als vier Sei­ten Regeln hat, kann maxi­mal nur noch für den Ken­ner-Preis nomi­niert wer­den. Das ist natür­lich über­spitzt dar­ge­stellt, soll aber ein wenig die Inten­ti­on ver­deut­li­chen. Ken­ner­spie­le müs­sen also per se kei­nen hohen Anspruch erfül­len (dür­fen sie aber natür­lich sehr ger­ne). Ken­ner­spie­le sind aller­dings im Ver­gleich zu den Spie­len der "roten" Kate­go­rie schwe­rer zu erler­nen – und hier vor allem: selbst­stän­dig zu erler­nen (also nicht von jeman­den erklärt zu bekom­men). Unter die­sem Blick­win­kel erklärt sich dann die Ein­ord­nung der QUACKSALBER als Ken­ner­spiel. Denn die Regeln sind nun ein­mal etwas klein­tei­lig. Da die­se Son­der­re­gel, dort die ande­re. Dann ver­än­dern die Wahr­sa­ger­kar­ten Tei­le der Regeln für die lau­fen­de Run­de usw... In der Sum­me ist das dann man­chen schon zu viel an Regeln.

      Unbe­streit­bar ist aber sicher­lich, dass der dies­jäh­ri­ge Preis­trä­ger den wohl nied­rigs­ten Anspruch hat. Aber muss die­ser denn immer gleich hoch sein? Denn noch ein ande­rer Blick­win­kel: wenn man sich die Preis­trä­ger der letz­ten Jah­re ins­ge­samt so anschaut, dann ist das eine sehr inter­es­san­te und viel­fäl­ti­ge Mischung. Vie­le ver­schie­de­ne Mecha­nis­men und Stim­mun­gen sind dabei. So gese­hen ist es viel­leicht auch beab­sich­tigt, dass hier ein wei­te­rer Akzent gesetzt wird. Ein Ken­ner­spiel muss nicht immer ein mit­tel­schwe­res Euro­spiel sein, auch gute Zocker­spiel mit etwas schwe­re­ren Zugang sind in der Brett­spiel­welt zu Hause.