Heaven & Ale von Michael Kiesling und Andreas Schmidt – erschienen bei eggertspiele
In manchen Brettspielrunden sind Snacks und Kaltgetränke am Spieletisch verpönt, da bei Ungeschicklichkeiten das Material erheblich darunter leiden kann. Bei Chips und Schokolade bin ich zugegebenermaßen auch manchmal etwas empfindlich. Fettflecken müssen nicht sein, wenn es sich vermeiden lässt – es gibt doch auch Gummibärchen und M&Ms. Bei Getränken bin ich aber eher tolerant, auch wenn ich nicht im Besitz eines dieser luxuriösen Spieletische mit praktischen Getränkehaltern an der Seite bin (bspw. von Rathskeller). Bei HEAVEN & ALE böte es sich aber aus mehrfacher Sicht an, auch ein entsprechend kühles Bier dazu zu trinken – und sei es auch nur deswegen, damit man die tollen zugehörigen Bierdeckel nutzen kann (s.u.).
Thema... bekanntlich wurde in alten Klöstern gerne Bier gebraut – so auch hier bei HEAVEN & ALE. Dabei haben die Klostergärten der einzelnen Spieler die Besonderheit, dass die eine Hälfte im Schatten liegt und die andere in der Sonne. Zum Bierbrauen werden aber nur die Zutaten benutzt, die von der Sonnenseite geerntet wurden (wahrscheinlich wird es als "das Sonnenbier" vermarktet). Die anderen Erträge werden dann halt auf dem örtlichen Markt verkauft – schließlich sind regionale Lebensmittel auch hipp. Die Mönche im Kloster haben jedenfalls gefälligst mitzuarbeiten, damit der Braumeister am Ende auch ganz viel Bier produzieren kann.
Aber ganz ehrlich, dass Thema ist dünner als Leichtbier und ist ziemlich über die Mechanismen gestülpt. Man fühlt sich eigentlich zu keiner Zeit wie ein Bierbrauer. Aber zumindest kann man das Spiel dadurch schön gestalten, denn die...
Illustrationen... sind von der Fiore GmbH und wunderschön. Wie man es aus deren Hause gewohnt ist, ist die Symbolsprache passend gewählt und das Spiel kommt somit problemlos ohne Sprachelemente aus. Das Cover finde ich einfach nur großartig, aber auch die restliche Gestaltung überzeugt mich sehr. Am tollsten sind aber Bierdeckel, die es als Geschenk beim Pegasus Presse-Event gab. Die nutze ich auch unabhängig vom Spiel sehr gerne.
Ausstattung... besteht aus ganz vielen kleinen Pappplättchen, die es dann auch noch teilweise nach Rückseiten zu sortieren gilt. Dafür bietet es sich an, mit Stoffbeuteln zu hantieren, die leider nicht standardmäßig beiliegen (ich empfehle für den Geek Beutel von ArtsCow). Diese Pappplättchen zeigen jedenfalls die einzelnen Rohstoffe, aber auch Mönche und Scheunen.
Zusätzlich sind auch ein paar Bierfässer (für Sonderwertungen) und einige Holzfiguren in der Box (als personenbezogenen Spielfiguren und Rohstoffmarker). Beim Geld (dieses mal sind des Dukaten) verlässt man sich im Hause eggertspiele gerne auf Geldscheine – wobei diese bei HEAVEN & ALE nicht aus Papier sind, sondern eher kleinen Spielkarten ähneln. Dann gibt es noch einen zentralen Spielplan sowie eigene Spielertableaus, die den Klostergarten mit Sonnen- und Schattenseite darstellen. Wichtig sind auch noch runde hölzerne Wertungsscheiben sowie der persönliche Vorrat an Privilegkarten.
Ablauf... das zentrales Spielelement erinnert an EGIZIA: auf einem Kreuzgang wandelnd, bewegen sich die Spielfiguren im Uhrzeigersinn und können dabei Rohstoff- oder Mönchsplättchen erwerben. Die Kosten dafür ergeben sich entsprechend ihres aufgedruckten Wertes (bzw. bei den Mönchen entsprechend ihrer Felder) und der Ablage auf dem persönlichen Klostergarten. Denn während für eine Platzierung auf der Schattenseite nur der einfache Preis eingefordert wird, kostet es auf der Sonnenseite doppelt so viel. Beispiel: ein 5er-Hopfen-Plättchen kostet bei Ablage im Schatten fünf Dukaten, bei Ablage in der Sonne aber schon 10 Dukaten.
Natürlich steht das verbaute Plättchen dann den Mitspielern nicht mehr zur Verfügung und diese müssen sich einen anderen Platz suchen. Dabei wird immer reihum gespielt (es ist also nicht so wie bei GLEN MORE, dass der hinterste Spieler so lange zieht, bis ein anderer der hinterste ist). Man darf dabei so weit ziehen, wie man will – allerdings muss man die Aktion vor Ort auch ausführen können. Erreicht man wieder den Startpunkt, muss man auf die restlichen Spieler warten, bis diese auch fertig für die Runde(!) sind. Im Spiel zu zweit wandelt man dreimal durch den Kreuzgang, zu dritt viermal und zu viert sechsmal.
Neben Feldern, auf denen man Plättchen erwerben kann, gibt es auch noch Wertungs- und Fassfelder. Die Fassfelder sind schnell erklärt. Betritt man dieses, kann man Fässer für sich beanspruchen, die bei Spielende zusätzliche Siegpunkte ergeben. Dafür muss man aber die entsprechenden Bedingungen erfüllen.
Die Wertungsfelder sind etwas komplexer. Betritt man diese, löst man eine Wertung aus: entweder eine Rohstoffwertung oder eine Mönchswertung. Dann schaut man auf seinem Tableau, wieviele der entsprechenden Plättchen man besitzt – und vor allem auch, wo diese liegen. Bei den Rohstoffen erhält man dann entweder den Wert als Geldeinnahme (wenn diese Plättchen im Schatten liegen) oder man zieht den entsprechenden Rohstoffmarker um die entsprechende Anzahl weiter (wenn das Plättchen in der Sonne liegt). Bei den Mönchen verfährt man ähnlich, allerdings schaut man sich dafür die Rohstoffplättchen an, die den Mönch umgeben.
Diese Wertungen sind das Salz in der Suppe. Denn jede Wertung darf nur einmal pro Art durchgeführt werden, weswegen man gerne lange damit wartet. Andererseits können über Wertungspaare (bspw. die Rohstoffe Wasser und Gerste bilden ein solches Paar) die Privilegkarten ausgespielt werden, die natürlich für den Spieler von Vorteil sind. Und auch bei den Wertungsfeldern gilt: wenn hier schon ein Mitspieler am Werk war, dann kommt man selbst nicht mehr zum Zuge. Die Möglichkeiten für die Wertungen sind also sehr beschränkt.
Deswegen ist es gut, dass es noch eine andere Art gibt, um Plättchen auf dem eigenen Tableau entsprechend der Ausschüttungsregeln zu aktivieren. Umschließen nämlich sechs Plättchen eine auf dem Tableau abgedruckte Scheune, dann wird ebenfalls eine Wertung ausgelöst. Diese ist aber abhängig von den einzelnen Werten auf den Plättchen. Ist deren Summe hoch, dürfen viele angrenzende Plättchen gewertet werden – ist sie niedrig, dann nur wenige.
Trotzdem kann es Sinn ergeben, auf niedrige Werte zu spielen. Denn ist dies der Fall, darf auch der eigene Braumeister auf der Rohstoffskala bewegt werden. Dieser ist wichtig für die Endwertung des Spiels, die es durchaus in sich hat. Denn bei Spielende ist die Position dieses Braumeister entscheidend für eine komplexe Siegpunkt-Berechnung.
Das gefällt mir nicht so gut: Ich habe einige Zeit mit HEAVEN & ALE gehadert. Der Ersteindruck war gut und ich habe mich sehr auf das Spiel gefreut. Zu Hause kam dann aber ein wenig Ernüchterung – auch, weil ich lange gebraucht habe, ein Gefühl für das Spiel zu entwickeln. Bis ich kapiert habe, wie man sinnvoll die Wertungen nutzt, hat es etwas gedauert. Wobei das wohl auch daran lag, dass ich das Spiel anfangs nur zu dritt gespielt habe – eine Spieleranzahl, die ich mittlerweile bei HEAVEN & ALE eher vermeide. Grund dafür ist, dass das Spiel in dieser Konstellation am wenigsten berechenbar ist.
Das beginnt bei den Wertungen. Im Spiel zu zweit sind 20 Wertungsscheiben im Spiel (10 pro Spieler), im Spiel zu dritt und zu viert aber nur noch 9 pro Spieler (27 bzw. 36 Wertungsscheiben). Bedenkt man dabei noch, dass vordere Wertungen in der ersten Runde selten sind, reduziert sich ein vernünftiger Einsatz weiter. Aufgrund der zwei Runden mehr im Vergleich vom Vier- zum Drei-Personen-Spiel erhöht sich auch der Umschlag an Rohstoffplättchen und man kann sicherer mit den Mönchen planen. Im Zwei- und Vier-Personenspiel kommt von allen Mönchen eine feste Anzahl ins Spiel. Im Drei-Personen-Spiel ist bei den Mönchen dahingegen eine größere Unsicherheit dabei, welche Mönche nun am Ende noch auftauchen und welche nicht.
Aber nicht falsch verstehen: natürlich lässt sich HEAVEN & ALE auch zu dritt spielen! Es gefällt mir aber in den anderen Konstellationen wesentlich besser, da man besser planen kann. Und Planung ist wichtig. Das hat auch zur Folge, dass es mit mehr Personen durchaus zu längeren Denkpausen kommen kann. Diese werden auch durch den Mechanismus gefördert. Schnappt ein Mitspieler ein anvisiertes Plättchen weg, dann benötige ich einen Plan B. Bei mehr Spielern kann daraus auch schnell Plan C oder D werden. Ein nächster Zug ist auch nicht offensichtlich, da für die Mitspieler viele sinnvolle Möglichkeiten offen stehen.
Wie schon geschrieben, habe ich lange gebraucht, bis ich ein Gefühl für HEAVEN & ALE entwickelt habe. Das liegt auch an der Endwertung. Diese ist alles andere als eingängig, was vor allem Neulingen Probleme bereitet. Natürlich lässt sich diese erklären, aber die sich daraus ergebenden Aha-Effekte muss man wohl erst einmal erleben, um die daraus ableitenden Zwänge vollkommen durchdringen zu können. HEAVEN & ALE ist dabei ähnlich wie bspw. CONCORDIA – nur gibt es dort für Anfänger die Möglichkeit, auch mal eine Zwischenwertung durchzuführen. So ein Hilfsmittel besteht hier nicht. Man sollte die erste Partie also bewusst als Kennenlern-Partie begreifen. Das verwundert manche Mitspieler, ist doch der Mechanismus als solches recht eingängig.
Apropos Mechanismus: HEAVEN & ALE ist Mechanismus pur. Wer aufgrund der tollen grafischen Aufmachung ein thematisches Spiel erwartet, der wird bitter enttäuscht werden. Ich hätte mir auch ein wenig mehr Thema erhofft – kann aber ohne dieses ganz gut leben. Haben denn DIE BURGEN VON BURGUND ein Thema? Nein – und das fehlt auch nicht. Ich bin eben typischer "Eurogamer", dem der Mechanismus wichtiger ist als die thematische Einbettung. Beides auf gleichem Niveau wäre aber natürlich der Idealzustand.
Das gefällt mir gut: Hat man verstanden, dass frühe Wertungen auch dann sinnvoll sind, wenn man mit diesen lediglich ein Privileg freischaltet, dann sprudeln am Ende auch die Siegpunkte. Doch selbst mit diesem Wissen, gibt es keinen festen Plan, den man einfach herunter spielen kann. Man muss sein Spiel schon an der zur Verfügung stehenden Auslage ausrichten – und natürlich auch an den Mitspielern!
Die Interaktion ist zwar nur von indirekter Art, aber sie ist groß. Welche Wertungen haben meine Mitspieler schon durchgeführt? Welche Fass-Bedingungen sind schon erfüllt? Was wird wohl deren Plan für die nächsten Züge sein? Habe ich noch die Zeit, mir das nahe liegende nächste Plättchen zu nehmen, oder muss ich ganz schnell zum nächsten Fass- oder Wertungsfeld laufen? Man hat das Gefühl, sich dauernd zu belauern. Insgeheim hat man einen Plan im Kopf – und man freut sich riesig, wenn er tatsächlich mal aufgeht, weil der Mitspieler das erhoffte Plättchen verschmäht. Oftmals läuft es aber genau anders herum und so wird ein sicher geglaubtes Plättchen weggeschnappt. Auf alle Fälle sind somit Emotionen im Spiel!
Noch ein Tipp: seht die letzte Runde im Mehr-Personen-Spiel am besten als Bonusrunde an. Sprich: nehmt euch nicht mehr all zu viel dafür vor. Denn oftmals müssen die Mitspieler auch unbedingt noch diese oder jene Wertung durchführen – und schon sind die entscheidenden Plätze schneller belegt, als das einem lieb ist. Sind die ersten Runden vielleicht noch von einer gewissen Gemächlichkeit beim Entlanglaufen des Kreuzganges geprägt, so zieht dieses Tempo am Ende meist extrem an. Die Spannungskurve ist demnach auch entsprechend steil. Vieles läuft auf die finale Endwertung hinaus und man hat nicht das Gefühl, dass am Ende nur noch etwas belangloses durchgeführt wird.
Dieses durchgängige Druck-Gefühl wird auch durch die Endwertung verstärkt. Es gibt nämlich nur diese eine Wertung. Manche finden das vielleicht blöd, da sie während der Partie kein wirkliches Feedback bekommen – ich mag so eine alleinige Endwertung aber rechte gerne. Dabei ist diese nicht einseitig, sondern es gibt verschiedene Möglichkeiten, sie zu beeinflussen. Soll ich lieber einen Rohstoffe bis zum Ende hochleveln, um damit später die anderen durch Tausch doch noch auf ein vernünftiges Level zu bekommen? Oder lieber doch alle Rohstoffe gleichmäßig verteilt vermehren? Durch die Fass-Boni sind beide Spielweisen möglich und beide können lukrativ sein. Hier gilt wie so oft: am besten keinen Konkurrenten haben, der die gleiche Strategie gewählt hat – und schon sind wir wieder bei der indirekten Interaktion.
Vor allem zu zweit, kann HEAVEN & ALE auch sehr zügig gespielt werden. Hier sind keine große Denkpausen zu erwarten, da man recht schnell wieder an der Reihe ist. Durch die verkürzten Spielrunden ist der Druck aber ähnlich hoch, wie im Mehrpersonenspiel. Aus diesem Grund kann ich es ausdrücklich als 2‑Personen-Spiel empfehlen, was bei anderen Kennerspielen dieser Größenordnung nicht immer der Fall ist.
Über die tolle grafischer Gestaltung habe ich mich oben schon ausgelassen. Trotzdem möchte ich die Grafik an dieser Stelle nochmals ausdrücklich positiv erwähnen. Ebenso loben kann man (wie eigentlich immer bei eggerstspiele) die Anleitung und das Material. Alles ist auf einem hohen Niveau und lässt kaum Wünsche offen. Okay, ein paar Beutel für die Rohstoffplättchen wären noch das i‑Tüpfelchen. Aber die werde ich mir dann einfach selbst machen (bzw. machen lassen).
Fazit: Wer glaubt, mit HEAVEN & ALE ein thematisches Bierbrau-Spiel gefunden zu haben, der irrt. Wer dahingegen aber ein klassisches Euro-Kennerspiel mit spannendem Mechanismus sucht, der kann bedenkenlos zugreifen. HEAVEN & ALE fordert heraus und es müssen viele kleine Entscheidungen getroffen werden. Dabei ist auch das richtige Timing für die Wertungen zu beachten. Bei beiden sind die Mitspieler unbedingt zu beachten – der Biermarkt steht eben für Konkurrenz. Diese muss HEAVEN & ALE in seinem Marktsegment nicht fürchten.
Titel | Heaven & Ale |
---|---|
Autor | Michael Kiesling und Andreas Schmidt |
Illustrationen | Fiore GmbH |
Dauer | 45 – 90 Minuten |
Personenanzahl | 2 bis 4 Personen |
Zielgruppe | entscheidungsfreudige Kennerspielrunden |
Verlag | eggertspiele (Pegasus) |
Jahr | 2017 |
Hinweis | für die Besprechung wurde vom Verlag ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt |
Moin, moin,
mal wieder eine sehr gute Rezi. Deckt sich ziemlich gut mit meinen Erfahrungen mit Heaven & Ale.
Besonders gut gefällt mir wie immer der Punkt "Das gefällt mir nicht so gut". Das möchte ich als Leser wissen. Seiten mit Lobhudeleien gibt es genügend.
Als regelmäßiger Leser der neuen auf Luding veröffentlichen Rezensionen, freue ich mich, wenn es etwas Neues von Dir gibt. Deine Seite ist eine meiner beiden Lieblingsseiten. Immer sehr informativ und ehrlich.
Das gilt leider nicht für alle auf Luding verlinkten Rezensionen, aber die muss man ja nicht lesen.
Viele Grüße Peter
Servus Peter – und "Danke" für das Lob! Das liest man natürlich gerne.
Allerdings will ich durchaus auch eine Lanze für andere Blogs treffen. Denn Vielfalt ist Bereicherung. Ich bin von meinem Konzept natürlich überzeugt (sonst hätte ich es nicht gewählt), aber es gibt bestimmt eine Menge Leute, die dieses als zu "technisch" ansehen: "Da arbeitet einer doch nur eine Checkliste ab. Wo bleibt der kreative Geist beim Format? Das hat doch nichts mehr mit den New Board Game Journalismus zu tun, der doch eigentlich das allgemein anerkannte Nonplusultra ist."
Für jeden Topf gilt es einen Deckel zu finden. Deswegen sollte es viele Töpfe geben, da draußen eine Menge unterschiedlicher Deckel bestehen. Der eine versucht ganz schnell zu sein und dabei lediglich zu informieren. Ein anderer meint, man müsste ganz tief in die jeweiligen Strategien hineinleuchten, um damit aufzuzeigen, dass er das Spiel komplett durchdrungen hat. So muss jeder Leser heraus finden, was ihm weiterhilft.
Dieses Erlangen von Wissenskompetenz gilt aber wohl für das ganze Internet.
Viele Grüße,
Tobias