Woodlands von Daniel Fehr – erschienen bei Ravensburger
Dank der Schutzgemeinschaft deutscher Wald weiß ich nun, dass ich dem Bundesland lebe, dass den höchsten Waldanteil in Deutschland aufweist (42 Prozent der Fläche ist Wald). Vielleicht ist das auch der Grund, warum ich mich schon immer sehr dem Wald zugehörig fühle. Schon als Knirps streunerte ich gerne durch den benachbarten Wald und habe mich bspw. auf die Suche nach Blindschleichen begeben. Dabei bin ich dann allerdings nie auf solche Gestalten getroffen, die sich im Cover-Bild von WOODLANDS treffen. Wobei ... als Robin Hood hatte ich mich damals auch verkleidet und bin mit dem Bogen ab in den Wald!
Thema... in WOODLANDS wird man in die Welt der Märchen und Legenden versetzt. Dabei können wir uns als Spieler aussuchen, ob man sich nun in die Geschichte von Rotkäppchen, Robin Hood, König Artus oder Dracula begeben will. Immer gilt es, verschiedene Aufgaben innerhalb des Waldes zu lösen. Dafür braucht es weniger Mut und Tatkräftigkeit, sondern viel mehr räumliches Vorstellungsvermögen und Coolness.
Illustrationen... sind von Felix Mertikat, der mir eher aus dem Steam-Noir-Projekt bekannt ist. Mit Steampunk haben die Illustrationen bei WOODLANDS aber nichts am Hut. Auch muss ich zugeben, dass ich die grafische Gestaltung beim Erstkontakt mit WOODLANDS auf der Spielwarenmesse in Nürnberg schrecklich fand, weswegen ich mir das Spiel gar nicht näher anschauen wollte. Ich hatte das Gefühl, dass hier jemand bloß ein paar Cliparts auf dem Spielfeld verteilt hat – und fand es uninspiriert und hässlich. So kann man sich täuschen! Denn das dieses plakative Verteilen der Grafiken wichtig für das Spielerlebnis sind, das konnte ich durch meine Ignoranz nicht feststellen.
Felix Mertikat ist zusätzlich selbst als Spieleautor tätig. Ohnehin haben wir es bei den Beteiligten eher mit Multi-Talenten zu tun. Denn auch Autor Daniel Fehr ist vielfältig tätig und schreibt u.a. Bilderbücher.
Ausstattung... am auffälligsten sind die 20 bedruckten Folien. Nimmt man diese in die Hand, dann sieht man lediglich ganz viele verschiedene bunte Cliparts. Um diese später auch auf einer bunten Tischdecke erkennen zu können, ist noch eine weiße Folienunterlage in der Box.
Damit auch der Wald mit ins Spiel kommt, erhält jeder Spieler neben einer Ablage auch noch ein Set aus zwölf Wegekarten. Diese zeigen nicht nur einzelne Wege, sondern auch eine Menge Wald. Diese Wegekarten sind doppelseitig bedruckt, wobei die Rückseite nur etwas für fortgeschrittene Spieler ist (und neben Wald und Wegen auch noch Wasser und Dornengestrüpp zeigt).
Zusätzlich gibt es noch für spätere Belohnungen Edelsteine, Schlüsselplättchen und Schatzkarten. Um später die Nerven zu strapazieren, ist auch noch eine Sanduhr mit 45 Sekunden Laufzeit im Spiel. Und als nettes Gimmick gibt es für jede Geschichte eine eigene Spielfigur für das spätere Ablaufen im Wald.
Ablauf... nachdem man sich für eine Geschichte entschieden hat (die unterschiedliche Schwierigkeitsstufen bieten), legt man die erste Kapitel-Folie in die Mitte. Diese zeigt an, für was es in der aktuellen Runde (Minus-)Punkte gibt. Beispielsweise muss Rotkäppchen über die Wege zur Großmutter laufen können. Oder aber es darf kein Feuer im Wald liegen.
Dann beginnen alle Spiele gleichzeitig, sich mithilfe der Wegekarten eine Auslage aus 3*3‑Feldern zu puzzeln, mit der die Aufgaben der Kapitel-Folie bestmöglich erfüllt werden. Dafür steht aber nicht unbegrenzt Zeit zur Verfügung – weswegen die Sanduhr mit im Spiel ist. Nachdem ein Spieler mit seiner Auslage zufrieden ist, leitet dieser den Countdown ein und nun haben alle anderen Spieler noch eine Sanduhr-Länge Zeit, an ihrem Wald zu tüfteln.
Danach erfolgt die Auswertung. Dazu schnappt man sich die Folie und legt diese über seine Auslage. Nun kann man (auch mithilfe der Spielfiguren) die Wege abgehen und überprüfen, welche Punkte man für die erfüllten Aufgaben bekommt (und ebenfalls welche Minuspunkte). Zusätzlich werden auch noch Edelsteine und Schlüssel eingesammelt. Die Edelsteine werden für die Endwertung wichtig, Schlüssel kann man bei Erreichen einer Schatztruhe abgeben. Dann wird eine Schatzkarte gezogen, die entweder einem selbst Vorteile gibt oder aber andere Spiele im folgenden Kapitel einschränken wird.
Am Kapitelende werden die erreichten Punkte zusammen gezählt. Zusätzlich bekommt man noch Punkte für jeden Edelstein und eventuelle gebildete Sets, so dass am Ende ein Sieger feststeht.
Hier ist auch noch auf die angebotene App hinzuweisen. Diese unterstützt einen super bei der Notierung der Punkte. Außerdem kann sie die Sanduhr ersetzen und spielt eine stimmungsvolle Hintergrundmusik ab.
Das gefällt mir nicht so gut: Theoretisch ist WOODLANDS lösbar. Für jedes Kapitel gibt es eine ideale Anordnung der Wegekarten, um die Maximalpunkte zu erlangen. Die Aufgaben variieren dabei nicht oder sind von gewissen Randbedingungen abhängig. Die einzige Variabilität innerhalb eines Kapitels kommt lediglich durch die Schatzkarten ins Spiel. Wenn also jemand über das perfekte Gedächtnis verfügt, wird dieser nur wenig dauerhaften Spaß an WOODLANDS haben. Auch intensives Spielen der immer gleichen Geschichten hintereinander ist nicht zu empfehlen. Realistisch ist aber, dass man sich diese idealen Lösungen natürlich nicht merkt. So spielt man beispielweise auch andere Spiele in der Zwischenzeit. Es war jedenfalls nie bei mir und meinen regelmäßigen Mitspielern so, dass man wusste: "Aha, Rotkäppchen-Kapitel 3, rechts oben muss die Wegekarte hin, die eine Waldinsel aufweist." Das ist definitiv nicht der Fall. Aber man bekommt auf die Dauer ein Gefühl für die Nöte und Zwänge und mit mehr Übung wird man es leichter haben als Neueinsteiger.
Nicht ganz glücklich bin ich mit den Schatzkarten. Diese sind nämlich sehr unterschiedlich stark. Mal bekommt man selbst eine kleine Belohnung in Form eines Edelsteins, ein anderes Mal muss bspw. ein Mitspieler sein Tableau um 180° drehen (was ein starkes Handicap ist). Hier entscheidet also lediglich der Zufall, ob man Einfluss auf die Mitspieler ausübt oder nicht. Das hätte ich mir etwas anders gewünscht. Vielleicht mit dem Auswählen einer Karte aus einer offenen Auslage oder aber auch eine Unterteilung der Schatzkarte in interaktiv / gewinnvermehrend.
Die Regelung mit der Sanduhr verwirrt Anfänger meist. Zur Erklärung: es wird mindestens einmal die Sanduhrzeit durch gespielt. Dann bleibt diese unberührt stehen und erst dann, wenn ein Spieler meint fertig zu sein, wird diese ein zweites Mal umgedreht. Viele fragen sich, warum man dann überhaupt am Anfang die Sanduhr benutzt. Wäre es da nicht besser gewesen, die Sanduhr erst am Rundenende einzuführen? Nein, wäre es natürlich nicht. Denn dann könnte ein pfiffiger Spieler (der in der Gesamtwertung führt) meinen, er bräuchte sich doch sofort zu Rundenbeginn nur die Sanduhr zu schnappen, um zu gewinnen (denn in den 45 Sekunden kann man kaum einen Rückstand aufholen). So ist das Konstrukt nachvollziehbar – sorgt aber für reichlich Verwirrung. Ich habe schon Gruppen WOODLANDS spielen sehen, indem sie lediglich die Uhr zweimal durchspielten und dann war Schluss. So kann aber WOODLANDS keinen Spaß machen, denn für diese Spielweise wäre die Zeit zu knapp bemessen.
Das gefällt mir gut: WOODLANDS spricht nicht jeden Spielertypen an. Manche mögen keinen Zeitdruck, manche mögen ungern puzzeln. Wer das für sich ausschließt, der sollte wirklich kein WOODLANDS spielen. Bei mir ist es aber so, dass ich genau diese Elemente liebe. Ich bin also genau der Typ Spieler, der angesprochen werden soll. Dementsprechend bin ich auch von WOODLANDS begeistert.
Zusätzlich haben die Macher einiges richtig gemacht. Eine Partie WOODLANDS ist in erster Linie spannend. Die einzelnen Kapitel einer Geschichte werden immer anspruchsvoller. Ist das erste Kapitel nur zum Warmspielen gedacht, kann es dann recht schnell knackig werden – und auch bleiben. So zieht die Spannungskurve kontinuierlich an. Das liegt auch daran, dass es für den Führenden ein Handicap gibt. Er muss eine kleine Zusatzaufgabe meistern, so dass hier ein minimaler Aufholmechanismus integriert ist – der allerdings auch nicht zu ausgeprägt ist.
Über allem steht aber natürlich die tolle Verknüpfung zwischen Spiel und Geschichte. Die einzelnen Kapitel stellen nicht nur neue Aufgaben, sondern sind eben auch mit einer Storyline verknüpft. Diese ist zwar lediglich ein i‑Tüpfelchen, welches vor allem beim ersten Mal Spielen einen hohen Aufforderungscharakter bewirkt, aber es hebt WOODLANDS insgesamt auf eine höhere Stufe. Die Einbindung der Geschichte stört nicht die erfahrenen Spieler, fesselt aber Neueinsteiger ungemein. Von denen kommt dann meist sofort nach der Zwischenwertung die Frage: "Und, wie geht es weiter?"
Natürlich hat man nach dem ersten Durchspielen aller Geschichten den Eindruck: "Wie, das soll es nun gewesen sein? Ich will mehr Geschichten!" Allerdings ist dieses Gefühl lediglich der Neugier geschuldet. Denn objektiv betrachtet, bietet WOODLANDS einiges an Variationen. Das beginnt bei den Rückseiten der Wegekarten und endet bei den zwei optionalen "Meisterfolien". Hier kann man schon einige Partien spielen, ohne dass es einem langweilig wird. Trotzdem wünsche natürlich auch ich mir ein Mehr an neuen Aufgaben!
Sehr gut gefällt mir auch die begleitende App. Sie ist definitiv kein Muss, aber eine stimmungsvolle Ergänzung und auch Hilfe. Die Hintergrundmusik variiert bei den einzelnen Geschichten und die Handhabung mit den gesammelten Edelsteinen funktioniert sehr gut. So wünsche ich mir die Einbindung der neuen Techniken. Wer will, der wird mit etwas vernünftigen belohnt – man kann aber auch darauf verzichten und klassisch ohne damit spielen.
Diese gut durchdachte Anwendung der App zeigt die Sorgfalt, mit der bei WOODLANDS vorgegangen wurde. Die Regel ist sehr gut strukturiert und es wurde auch an viele Kleinigkeiten gedacht. Ein Highlight sind dabei die vier unterschiedlichen Spielfiguren. Hier hätte es natürlich ausgereicht, nur eine neutrale Figur in die Box zu legen (wenn überhaupt). Aber das sah man löblicherweise bei Ravensburger anders und hat sich für die stimmigere Variante entschieden. Gut so!
Fazit: Wie schon beschrieben, hat mich der erste optische Eindruck ziemlich hinter das Licht geführt. Habe ich WOODLANDS deswegen auf der Spielwarenmesse in Nürnberg sträflich ignoriert, so bin ich sehr froh, dass ich mittlerweile eines besseren belehrt wurde. Mich spricht WOODLANDS voll an und so kann ich nun auch dann gerne in den Wald gehen, wenn draußen das Wetter alles andere als zu langen Spaziergängen einlädt.
Titel | Woodlands |
Autor | Daniel Fehr |
Illustrationen | Felix Mertikat |
Dauer | 20 bis 45 Minuten für eine Geschichte |
Spieleranzahl | 2 bis 4 Spieler |
Zielgruppe | planende Familienspieler |
Verlag | Ravensburger |
Jahr | 2018 |
Ich bedanke mich bei Ravensburger für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars. Ich bin mir sicher, dass durch diese Bereitstellung meine Meinung nicht beeinflusst wurde. Die Besprechung spiegelt meine gemachte Erfahrung wider.
Danke für die gute Rezession. Besonders diese Frage (Wäre es da nicht besser gewesen, die Sanduhr erst am Rundenende einzuführen? ) habe ich mir oft gestellt, aber nie richtig eine Antwort darauf gefunden.