07–2020: Doktor Edward (aus Maracaibo)
Nun ist es endlich so weit: ein Virologe wird Mitarbeiter des Monats! Wer aber nun glaubt, dass somit PANDEMIC LEGAZY an die Reihe kommt, wird enttäuscht werden. Denn PANDEMIE habe ich seit einiger Zeit nicht mehr auf dem Tisch gehabt und aufgrund der aktuellen Ereignisse fehlt mir dazu auch die Lust. Ganz anders stellt es sich dahingegen mit MARACAIBO dar. Für dieses Spiel lasse ich zur Zeit viele andere gerne links liegen, weswegen es auch den Spitzenplatz bei meiner Jahres-Top‑5 errungen hat. Ein wichtiger Charakter bei der Story-Kampagne ist dabei Doktor Edward, den ich heute ehren will.
"Bärtige Männer mit Buch in der Hand und strengem Blick können nicht nur erfolgreiche Baumeister sein, sondern können sich auch selbstlos in den Dienst der Armen und Schwachen stellen. Als ausgebildeter Arzt und dem Hippokratischen Eid verpflichtet, schaut er nicht ohnmächtig zu, wie sich eine tödliche Krankheit in der Karibik ausbreitet. Nein, er versucht alles, um ein Heilmittel zu finden. Alle Menschen – insbesondere die Einheimischen in den Dörfern – sind ihm zutiefst dankbar für sein Engagement."
MARACAIBO ist ein wilder Mix aus bekannten Mechanismen, die für mich eine tolle Mischung ergeben. Manche sprechen in diesem Zusammenhang zwar von Überfrachtung, aber für mich darf es gerne auch mal eine Schippe zu viel Mechanik sein.
Über die Themenwahl bin ich allerdings unglücklich, da MARACAIBO meiner Meinung nach unnötig unsensibel mit dem Thema Kolonialismus umgeht. Ja, Themen in Brettspielen sind immer in gewisser Weise zu abstrahieren, aber auf der anderen Seite wird auch kein Verlag gezwungen, ein sensibles Thema zu wählen. Und wenn dieses gewählt wird, dann sollte man auch deutlich machen, wie man dazu steht. Bei MARACAIBO ist mir das etwas zu wischi-waschi. Zumal die Erklärung von Verlag und Autor am Ende sich etwa zu sehr wie ein Feigenblatt liest. Ich gehe davon aus, dass es auch so gemeint ist, aber dann hätte ich die Erklärung prominenter an den Anfang gesetzt. Dass den Machern sehr wohl die Problematiken des Kolonialismus bewusst ist, wird dann leider erst in der Story-Erweiterung deutlich. Hier hat man nun die Zeit, auch kritisch die Folgen des bedingungslosen Machtstrebens der europäischen Nationen einfließen zu lassen. Doktor Edward ist dabei ein tragischer Held – und schafft es glücklicherweise zu sensibilisieren. Diese Sensibilisierung hätte ich mir aber gerne schon im Grundspiel gewünscht.
Dieser Kritikpunkt hat übrigens nichts mit der Qualität des Spiels als solches zu tun. Das ist auf abstrakter Ebene wunderbar komponiert und macht mir trotz des gewählten Themas großen Spaß. Ich hätte aber insgesamt weniger Bauchgrummeln, wenn es in einem anderen Setting spielen würde.

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