Irgendwie geht mir gerade ein Weihnachtslied durch den Kopf. Denn wie alle Jahre wieder möchte ich euch auch in diesem Sommer an meiner Abstimmung für den Deutschen Spielepreis 2020 teilhaben lassen. Wer das bisher selbst noch nicht gemacht hat, kann dies bis zum 31. Juli nachholen. Mein Appell ist dabei eindeutig: Macht das bitte, denn der Preis wird relevanter, je mehr Stimmen abgegeben wurden.
Ich bin jedenfalls wie immer sehr gespannt, welches Spiel dieses Jahr den Preis gewinnen wird. Ich tippe dabei auf DIE CREW, weil es doch in vielen für den Preis relevanten Gruppen sehr gut aufgenommen wurde. Bei mir hat es dieses kooperative Stichspiel allerdings nicht in die Top‑5 geschafft, wobei ich ja auch immer ein wenig komisch wähle. Denn mein oberstes Ziel ist es, eine große Bandbreite abzudecken. Statt also nur Expertenspiele zu wählen, die dann noch alle ähnliche Themen und Mechanismen haben, wähle lieber das Beste von diesen fünf und gebe anderen (auch kleineren) Spielen meine Stimme. So kam also folgende Top‑5 des aktuellen Jahrgangs zustande:
- MARACAIBO von Alexander Pfister – erschienen bei Game's Up
- WASSERKRAFT von Tommaso Battista und Simone Luciani – erschienen bei Feuerland Spiele
- DER KARTOGRAPH von Jordy Adan – erschienen bei Pegasus Spiele
- PICTURES von Daniela und Christian Stöhr – erschienen im PD-Verlag
- PUSH von Prospero Hall – erschienen bei Ravensburger
MARACAIBO ist so eine Art Best-Of-Album von Alexander Pfister. Da stecken einige Elemente drin, die man so auch schon aus seinen anderen guten Spielen kennt (GREAT WESTERN TRAIL, NEWDALE, OH MY GOODS...). Manchen ist in MARACAIBO zu viel Schnörkel enthalten, mir gefällt aber diese wilde Mischung sehr gut. Vor allem der enthaltene Kampagnenmodus hat es mir angetan und mich motiviert, im Zweifel immer lieber nochmals ein MARACAIBO auf den Tisch zu bringen als ein anderes Spiel. Die darin erzählte Geschichte geht auch etwas sensibler mit dem gewähltem Thema um, welches zurecht kritisiert werden darf. Wenn man schon das Spiel unbedingt im Themengebiet des Kolonialnismus ansiedelt, dann sollte man dieses auch entsprechend breitgefächert beleuchten. Das Standardspiel geht meiner Meinung nach zu einfach darüber hinweg. Erst in der Kampagne wird deutlich, was das Machtstreben der europäischen Nationen für eine Auswirkung auf die dortige Bevölkerung hatte. Deswegen muss MARACAIBO etwas mit einem vermeidbaren Makel leben. Das Spiel als solches hat mich aber mit all seinen Möglichkeiten vollauf überzeugt.
WASSERKRAFT kennen einige hier im Blog eher unter BARRAGE. Schon auf der SPIEL 2018 war das mein Highlight, als es dort als Prototyp spielbar war. Die nachfolgende Crowdfunding-Kampagne war zwar eher abschreckend, weil Cranio Creations fast jeden Fettnapf mitgenommen hat, der zu treffen war. Trotzdem bleibt WASSERKRAFT fernab von Materialdiskussionen der ursprünglichen Auflage ein spielerisches Glanzlicht. Dabei überzeugt mich vor allem das stimmige das Thema. Mich als Ingenieur spricht es einfach an, über Stauwerke, Pumpen und Generatoren Energie gewinnen zu lassen. Aber auch die gewählten Abläufe sind toll. Man hat nicht nur einen Konkurrenzkampf auf den Einsetzfeldern dieses Worker-Placement-Spiels, sondern auch der Spielplan will gelesen werden und ist meist heiß umkämpft. Somit ist WASSERKRAFT erstaunlich konfrontativ, was man so in modernen Spielen gar nicht mehr gewohnt ist. Für mich ist WASSERKRAFT jedenfalls mein Expertenspiel des Jahres und gehört unbedingt in diese Top‑5!
Hätte ich DER KARTOGRAPH nicht auch schon vor der Covid-19-Zeit so intensiv gespielt, es wäre wohl spätestens dann auf diese Top-Liste gerutscht. Denn es gab eigentlich keinen virtuellen Spieleabend, an dem nicht auch noch eine Runde DER KARTOGRAPH gespielt wurde. Eigentlich ist das Einzeichnen von Polyominos eher solitär, aber trotzdem macht DER KARTOGRAPH auch zusammen viel Spaß (was nicht nur an den Monstern liegt). Als bekennender Freund von Roll-and-Write-Spielen freue ich mich zusätzlich darüber, dass DER KARTOGRAPH aufzeigt, dass immer noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht ist.
PICTURES kommt rein äußerlich sehr unscheinbar daher. Doch man darf sich vom drögen Design nicht täuschen lassen: da steckt eine Menge Spielspaß in der Box. Das Prinzip ist so einfach, dass es in weniger als fünf Minuten erklärt ist. Mit unterschiedlichen Materialien soll man ausliegende Fotos nachstellen. Das ist im wahrsten Sinne kinderleicht, so dass man mit PICTURES auch gut alle Altersklassen an den Tisch bringen kann. Für mich deckt PICTURES somit die Kategorie der Familienspiele ab.
PUSH ist der klassische Absacker, bei dem die Emotionen hoch kochen können. Das Spiel ist klein und gemein, weil es total glücksabhängig und kaum steuerbar ist. Die Betonung liegt allerdings auf kaum, denn schließlich könnte man ja auch immer rechtzeitig mit dem eigenen Zug aufhören. Wenn, ja wenn, man eben nicht so gierig wäre. PUSH ist Push-Your-Luck in Reinform. Kein unnötiger Klimbim stört, dafür aber manchen die extravagante Grafik. Somit wird es PUSH sicherlich nicht allen recht machen, bei uns ist das Spiel aber voll eingeschlagen.
Nun denn, das war nun mein kurzer Rückblick auf meine Lieblingsspiele des aktuellen Jahrgangs (verbunden mit der Wahl zum Deutschen Spielepreis 2020). Natürlich fehlen noch viele andere gute Spiele, aber ich will jetzt auch nicht ins Aufzählen geraten. Interessierte leite ich deswegen mal an mein Orakel zum Spiel des Jahres weiter. Wie immer bin ich auch sehr gespannt, welche Spiele ich nächstes Jahr an gleicher Stelle präsentieren werde. Die große Vorankündigungswelle beginnt schon sich zu bewegen und da sind doch einige Titel dabei, auf die ich mich sehr freue.
Sehr cooler Artikel! Danke für deine Einblicke!