Auch dieses Jahr lud Pegasus Spiele am letzten Freitag ausgewählte Journalisten und/oder Blogger zum alljährlichen Presse-Event nach Friedberg ein. Für mich war das Pegasus Presse-Event 2016 eine erkenntnisreiche Premiere, an der ich euch im Folgendem gerne teilhaben lasse.
Nach Anmeldung und inoffizieller Begrüßung konnten Neulinge wie ich sich auf dem Firmengelände umsehen. So konnten wir unaufgeräumte Schreibtische, Showrooms, Archive aber auch das Vertriebslager bewundern. Beeindruckend für mich, wie groß Pegasus mittlerweile geworden ist. Vor 15 Jahren war es bestimmt schwer vorstellbar, dass dieser "Fantasy Verlag" einmal 30 fest angestellte Mitarbeiter haben und das ganze breite Spektrum an Gesellschaftsspielen abdecken wird.
Der eigentlich Sinn des Treffens, nämlich das gemeinsame Spielen, erfolgte nach der offiziellen Begrüßung und einem mehr als umfangreichen Mittagssnack. Folgende Neuheiten konnte ich dabei anspielen...
RAPTOR: Zwei-Personen-Spiel von Bruno Cathala und Bruno Faidutti, welches schon 2015 bei Matagot erschien und nun als deutsche Ausgabe bei Pegasus auf den Markt kommen wird.
Das Spiel ist asynchron. Der eine Spieler spielt einen Raptoren, der seine Nachwuchs aus der Gefahrenzone herausbringen will. Gefahrenzone? Genau, denn der andere Spieler stellt ein Forschungsteam dar, welches versucht, den Nachwuchs zu fangen. Und die Forscher gehen durchaus rabiat zu Werke, da diese z.B. auch mal Feuer legen, um die Mutter von ihrem Nachwuchs abzuschneiden (thematisch nicht ganz so stimmig kann die Mutter das Feuer zwischenzeitlich wieder löschen – gut, da scheint eine Verwandtschaft zu Grisu zu bestehen). Neben dem Einfangen bzw. Retten des Nachwuchs besitzen beide Spieler noch alternative Gewinnchancen: der Forscher-Spieler gewinnt, wenn er die Mutter mit fünf Treffern aus Narkosegewehren betäubt hat, der Raptorspieler gewinnt, wenn keine Forscher mehr auf dem Spielbrett sind (ihr könnt euch vorstellen, was so ein Raptor dafür machen muss). Gesteuert wird das Spiel über eine kleine Kartenhand. Die Spieler haben immer drei Karten zur Auswahl und spielen gleichzeitig eine davon aus. Die mit dem niedrigeren Wert kann die besondere Aktion der Karte nutzen (wie bspw. Feuer legen), der andere Spieler darf dann die Differenz der Kartenwerte in Aktionspunkte umwandeln, mit denen dann eben Aktionen durchgeführt werden können (wie z.B. laufen). Das Spiel dauert etwa 30 Minuten und ist vom Abwägen geprägt, wer nun welche Karte spielt. Die Ausstattung ist sehr hübsch, aber für Grobmotoriker sicherlich etwas unhandlich (die Raptorenbabys sind verdammt klein). Schön auch, dass alle Forscher unterschiedlich als Miniatur dargestellt sind. Wäre bestimmt etwas für mich und meinen Sohn. Schöner, thematischer 2er.
BRAVERATS: Zwei-Personen-Spiel von Seiji Kanai
Kurzform: Love Letters für zwei Spieler.
Sehr sehr lustig, wenn natürlich nur bedingt planbar. Jeder Spieler spielt verdeckt eine Karte aus und nach dem Aufdecken vergleicht man dann die Werte – der Spieler, der den höheren Wert ausgespielt hat, gewinnt meist dieses Duell. Die Partie gewonnen hat der Spieler, der zuerst vier Duelle zu seinem Gunsten entschieden hat. Wie bei Love Letter haben allerdings die einzelnen Charaktere ihre Spezialfähigkeit, die die gewisse Würze ins Spiel bringen. Überragend ist dabei die Grafik von Christophe Swal. Zum Spielen zur Verfügung standen dabei nur Karten im Standardformat – in den Verkauf gehen sollen aber wieder Karten im Love-Letter-Format. Mich hat dieses kleine Spielchen absolut gepackt: dicke Empfehlung! Natürlich kein abendfüllendes Spiel, aber für eine schnelle Runde zu zweit einfach genial. Wird sicherlich fester Bestandteil der Spielekreis-Kiste werden, da man damit wunderbar Zeit überbrücken kann.
CAMEL UP CARDS: Kartenausgabe des Spiel des Jahres von 2014 von Steffen Bogen
Statt mit Würfeln werden nun die Kamele mit Karten fortbewegt. Natürlich fällt dabei das haptische Element der Würfelpyramide weg, allerdings ist das Kartenspiel fast schon planbarer. Für unterwegs als fetziges Wettspiel sicherlich gut zu benutzen, im Normallfall kommt aber eher der große Bruder auf den Tisch – auch wenn man nun die Chance hat, die tollen Grafiken von Dennis Lohausen besser unter die Lupe zu nehmen.

GLÜCK AUF – DAS GROSSE KARTENSPIEL: Kartenspiel von Wolfgang Kramer und Michael Kiesling
Eine weitere Kartenspielumsetzung eines Brettspiels aus dem Hause eggertspiele. Das im Namen enthaltende "groß" trifft es ganz gut, da man weiterhin viel Platz aber auch Zeit für das Spiel benötigt. Die Abläufe ähneln dabei logischerweise dem des Brettspiels. Auch hier muss ich wieder Arbeiter einsetzen – dieses Mal, um Karten zu erhalten. Möchte ein Spiele aus einem Spezial-Talon eine Karte nehmen, wo schon Arbeiter eingesetzt wurden, muss man einen Arbeiter mehr einsetzen. Ziel ist es auch weiterhin, Kohle abzubauen und Aufträge mittels Transport von Eisenbahnwaggons zu erfüllen. Nicht mehr vorhanden sind die Mehrheitenwertungen am Ende der einzelnen Runden, was für mich einen Pluspunkt darstellt. Ebenfalls fällt der thematische Unsinn mit dem Schacht-Gleichgewicht weg. Für mich fühlt sich das Kartenspiel direkter an als der große Bruder und stellt somit eine positive Überraschung dar!
Bei den folgenden Fotos weiß ich nicht, ob das noch Prototyp-Status ist. Kann mir aber eigentlich keine großen Änderungen vorstellen...
CHARIOT RACE: DAS GROSSE WAGENRENNEN: Rennspiel von Matt Leacock
Kaum kommt Ben Hur als Neuauflage ins Kino, schon steht das zugehörige Brettspiel in den Startlöchern. Wir konnten das Spiel als Großspiel testen, so dass es schwierig ist, den Endzustand des Materials zu bewerten. Zusätzlich wurde nur die Basisversion gespielt, welche Familien als Zielgruppe ansprechen soll. Scheinbar gibt es dann noch Modifikationen, die mehr Tiefe in das Spiel bringen – was meiner Meinung nach auch nötig ist. Das Basisspiel hat mich nicht ganz überzeugt. Rennspiele mag ich wirklich gerne, allerdings gibt es da auch schon genügend gute auf dem Markt (siehe meine persönliche Top-Liste). Bei Chariot Race wird gewürfelt und dann über eine Strecke gerast – kennt man von anderen Rennspielen. Je enger ich in die Kurve fahre, um so langsamer sollte ich dies tun, damit mein Schaden gering ist. Ist dieser nämlich zu groß, muss ich das Rennen aufgeben. Meine lieben Mitspieler können zusätzlich für Schaden sorgen, so dass dieses Spiel sicherlich lustiger wird, wenn entsprechend Trash Talk betrieben wird. So richtig vorausplanen muss ich aber nicht, da der Wagen automatisch abgebremst wird, wenn ich zu hohen Schaden habe. Hier fehlt mir ein wenig die Tiefe, die ich von einem Rennspiel erwarte. Mal abwarten, wie sich die Modifikationen auswirken.
MYSTIC VALE: Deckbuilding-Spiel von John D. Clair
Na ja, eigentlich heiß es "Card Crafting Game" und nicht "Deckbuildung". Warum? Der Clou ist, dass wir uns bei diesem Spiel nicht einfach ein Kartendeck zusammenstellen, sondern gleich die Karten selbst. Wie muss man sich das vorstellen? Die großen Basiskarten stecken in Kartenhüllen. Man erwirbt in den folgenden Runden keine neue Karten, sondern "Ausbaustufen". Dies wird technisch dadurch erreicht, dass man größtenteils durchsichtige Karten in diese Hüllen schiebt, die dann die Karte mit weiteren Möglichkeiten ausstatten. Das Spiel wurde von Pegasus redaktionell in Abstimmung mit dem Autor und dem Ursprungsverlag (AEG) angepasst. Diese Anpassungen scheinen auch Sinn zu machen, soll doch damit die Downtime verkürzt werden. Denn dafür kann das Spiel anfällig werden, ist es doch im Kern eine Multiplayer-Optimierungsaufgabe. Schön ist der kleine Push-Your-Luck-Mechanismus an Anfang einer jeder Runde sowie natürlich das Material. Negativ empfand ich die äußerst geringe Interaktion sowie der schleppende Beginn. Es hat sich am Anfang nämlich alles mächtig hingezogen, bis man mal was vernünftiges machen konnte. War vielleicht aber auch einer unglücklichen Kartenverteilung geschuldet. Das Spiel werde ich weiter im Auge behalten, ist aber nicht mehr ganz oben auf meiner "hot-Liste". Mir fehlt hier einfach das spielerische Etwas – was natürlich im Material gegeben ist.
DAS ORAKEL VON DELPHI: Entdeckerspiel von Stefan Feld
Dazu werde ich die nächsten Tage noch einen ausführlichen Ersteindruck schreiben. So viel vorweg: das Spiel hat das Potenzial in meiner Stefan-Feld-Top-Liste ganz weit oben zu landen. Glühende Anhänger von Optimierungsspiele werden sicherlich mit dem vorhandenen Glücksanteil hadern – mir würde ohne diesen etwas fehlen. Insbesondere wenn man bedenkt, dass dies ein Entdeckerspiel ist, welches auch seinen Reiz daraus zieht, dass noch nicht alle Informationen ab Spielbeginn bekannt sind. Schön finde ich auch, dass dieses Spiel im Endeffekt ein Wettlauf ist. Siegpunkte gibt es dieses Mal keine, es gewinnt, wer seine Aufgaben erfüllt hat und dann wieder bei Zeus ist. Trotz dieses für feld'sche Verhältnisse ungewöhnliche Ende, ist das Spiel ein typischer "Feld" mit vielen möglichen Optionen. Das Spiel wird noch oft auf meinem Spieletisch landen und war für mich das Highlight des Tages!

Abschließend kann ich mich nur bei Pegasus Spiele für den toll organisierten Tag danken! Ebenfalls bedanken möchte ich mich bei allen Teilnehmern, mit denen man anregende Gespräche führen konnte und wenig verbissene Spiele erleben durfte. Außerdem fand ich es beruhigend, dass mein persönlicher eher suboptimaler Body Mass Index durchaus branchentypisch ist – das sähe in der Fitnessbranche sicherlich anders aus. 🙂
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