
Nicht nur im Vorfeld der SPIEL 2022 wollen Traditionen gelebt werden, sondern auch im Nachgang. So starte ich heute meine kleine Nachberichterstattung mit den positiven spielerischen Überraschungen der SPIEL 2022 und mache mich im Anschluss an meinen Fazit-Artikel, der dann die Tage erscheinen wird.
Bei der alljährlichen Überraschungs-Liste beschränke ich mich auch dieses Mal wieder auf die Neuheiten, die ich bisher noch nicht im Vorfeld besprochen habe. Ich gehe also nicht meine Vorfreude-Liste durch und mache dort Häkchen dran, welche Spiele ich gespielt habe und welche davon überzeugen konnten. Denn auch wenn mir bspw. EVERGREEN und JOHANNA ausgesprochen gut gefallen haben, möchte ich doch gerne bisher nicht erwähnte Titel vorstellen, um eine größere Bandbreite zu ermöglichen. Auch das erst später in den Fokus geratene MARRAKESH habe ich schon ausführlich gelobt, so dass es hier nun nicht mehr auftauchen muss. Zusätzlich möchte ich auch nicht über die bei mir gefloppten Spiele reden, weil das ein wenig unfair wäre. Die Messe ist nämlich immer ein sehr spezieller Ort . Insbesondere für die großen, schweren Expertenspiele ist es mir dort oft zu laut und wuselig. Und je länger ein Messetag dauert, umso weniger kann ich im Kopf noch aufnehmen. Deswegen überrascht es auch nicht, dass nun vermehrt etwas leichtgewichtigere Spiele auftauchen. Los geht's...
DORFROMANTIK – DAS BRETTSPIEL von Michael Palm und Lukas Zach (erschienen bei Pegasus Spiele)
DORFROMANTIK – DAS BRETTSPIEL war das berüchtigte Ass im Ärmel von Pegasus. Erst verhältnismäßig kurz vor der Messe wurde dieses kooperative Plättchenlegespiel angekündigt und hat für entsprechend Aufmerksamkeit gesorgt – und das völlig zurecht. Das Spiel basiert auf dem gleichnamige Computer-Spiel, von dem es in der Rezeption schon oftmals hieß, dass sich dieses wie ein Brettspiel anfühlt.
Da ich das Computerspiel (noch) nicht kenne, fehlen mir die Vergleiche zu diesem. Aber ich kann es mit anderen Brettspielen vergleichen – und dabei schneidet DORFROMANTIK sehr gut ab. Das Spiel hat ein durchgehend belohnendes Spielgefühl, da man auf einen Highscore spielt! Man baut gemeinsam eine Landschaft und versucht dabei kleine Aufgaben zu bewältigen. Nach und nach spielt man sich dann neue Elemente frei, so dass auch immer neue Anreize gesetzt werden.
Mein Erlebnis mit dem Spiel war absolut positiv. Auch wenn wir eine Runde fremder Menschen waren, haben wir sehr schnell zueinander gefunden und über die vermeintlich besten Plätze für das nächste Plättchen diskutiert. Selbst vorbei laufende Personen haben über unsere Schulter geschaut und man konnte ihnen ansehen, wie es in deren Kopf ratterte. Drei davon haben dann so lange gewartet, bis wir fertig waren, weil sie es dann selbst ausprobieren wollten. Auch das sagt einiges über das Spiel aus.

Auf nicht unähnliche Art und Weise verführt uns übrigens auch NEBEL ÜBER CARCASSONNE. Das war ebenfalls eine positive Überraschung, auch wenn das Spielprinzip etwas strafender ist. Denn dort kann man als Gruppe gegen das Spiel verlieren – was uns auch prompt passiert ist. Auf Schwierigkeitsstufe 1! Da waren wir wohl etwas überheblich als selbst ernannte CARCASSONNE-Profis...
THE GREAT SPLIT von Hjalmar Hach und Lorenzo Silva (erschienen bei Horrible Guild)
THE GREAT SPLIT fällt erst einmal durch seine besondere Optik auf, wobei sich Illustrator Weberson Santiago für seine Verhältnisse noch zurück gehalten hat. Da ich absoluter Kunst-Banause bin, kann ich den Stil nicht eindeutig zuordnen. Bevor ich den Artikel hier schrieb, hätte ich das als Art déco bezeichnet, bin nun aber nach einer schnellen Recherche nicht mehr so sicher. Aber eigentlich ist es auch egal, welcher Stil das nun genau ist: mir gefällt er jedenfalls sehr gut!
Doch auch das Spiel als solches hat mich eingenommen. Ähnlich wie letztes Jahr bei KHÔRA könnte man denken, dass es bloß ein Leisten-Geschiebe ist. Allerdings ist der Weg, wie diese Leisten verschoben werden deutlich attraktiver als bei dem ebenfalls nun bei dlp games erschienenen RISE. Denn bei THE GREAT SPLIT muss man seine Handkarte in zwei Pakete aufteilen und nach links weitergeben. Die Person sucht sich davon eines aus und gibt den Rest wieder zurück. Ich selbst verfahre parallel natürlich genauso mit dem Angebot von rechts. Danach handele ich meine Karten ab (und die Leisten werden verschoben), passe minimal meine Handkarten an und beginne nun neu mit der Paket-Bildung.
So hat man dauernd kleine Entscheidungen zu treffen, was doch sehr reizvoll ist. Mit am Besten hat mir aber gefallen, dass das Spiel genau die richtige Spielzeit hatte. Gerade an dem Punkt, als es anfing wiederholend zu wirken, war es zu Ende. Diesen Zeitpunkt verpassen leider zu viele andere Spiele.

BEER & BREAD von Scott Almes (erschienen bei Deep Print Games)
Auch BEER & BREAD hat den Vorteil, dass es erst nach meiner Vorfreude-Liste angekündigt wurde. Denn ansonsten wäre es bestimmt dort in der 2‑Personen-Kategorie aufgeführt worden. Dieses Spiel soll nämlich der Beginn einer neuen Reihe bei Deep Print Games sein – und nutzt dabei recht erfolgreich die Leerstelle, die sich daraus ergeben hat, dass KOSMOS kein ähnliches Spiel vorgestellt hat. Denn BEER & BREAD hätte ganz hervorragend in diese Reihe gepasst.
Im Spiel lagern wir über sechs Jahre Rohstoffe ein, die wir dann zu Bier oder Brot verarbeiten wollen. Dabei gibt es im Wechsel ertragreiche sowie Dürre-Jahre, in denen das Angebot eingeschränkter ist. Auch die Verteilung der Karten funktioniert dann ein wenig anders. Die Karten haben übrigens verschiedene Funktionen, so dass man immer im Zweispalt ist, für was man diese denn nun am besten nutzen sollte. Da ich bekanntermaßen Fan dieses Art der Kartennutzung bin, kam BEER & BREAD auch entsprechend gut bei mir an. Das wohlgefällige Äußere mit schönen Holzsteinen und den Illustrationen von Michael Menzel sorgte übrigens unterstützend dafür, dass sich regelrecht Schlangen an den Tischen von Deep Print Games bildete – völlig zurecht!
NEXT STATION LONDON von Matthew Dunstan (erschienen bei HCM Kinzel)
Der Verkehrsplaner in mir nimmt freudig zur Kenntnis, dass sich immer mehr Spiele mit dem Ausbau von Öffentlichen Verkehrsmitteln auseinander setzen. VOLL VERPLANT, GET ON BOARD: NEW YORK & LONDON und ON THE UNDERGROUND sind nur einige Beispiele dafür. Auch auf der SPIEL konnte ich einen weiteren Titel mit vergleichbaren Thema finden – und dieses Spiel konnte mich sogar überzeugen. Was vielleicht auch daran liegt, dass NEXT STATION LONDON ein Flip-and-Write Spiel ist, die ich bekanntlich recht gerne mag.
In NEXT STATION LONDON baut man über vier Runden am U‑Bahn-Netz von London. In jeder Runde hat man einen anderen farbigen Stift in der Hand und zeichnet Strecken, die sich nur bei den Stationen kreuzen dürfen. Das ist fordernd, ohne anstrengend zu sein und somit anscheinend eine echte Alternative zu VOLL VERPLANT.
HITSTER (erschienen bei Jumbo)

Ich sammele gerade Ideen für eine Top-Liste bei der es auch um einzelne Songs geht. Mit HITSTER würde ich bspw. Hitisn von den Fantastischen Vier assoziieren. Oder aber ein stundenlanges Medley von ganz vielen Musikklassikern. Denn bei HITSTER gibt es ganz schön viel auf die Ohren. Das Prinzip ist einfach und bekannt: wie man es bspw. aus ANNO DOMINI kennt, muss man Lieder richtig in einen Zeitstrahl einordnen. Dafür scannt man den QR-Code auf dem Kärtchen, hört sich den Song an und muss dann zeigen, wie gut man sich auskennt.
Zusätzlich kann man noch irgendetwas mit so komischen Papp-Plättchen machen. Aber das war uns in unserer Runde gleich mal egal: wir hatten schon mit diesem Grundprinzip Spaß! Schon nach kurzer Zeit wurde mitgesungen, lautstark kommentiert und ganz viel gefachsimpelt. Da wir auch über einen Spotify-Premium-Account verfügten, wurde diese mögliche Klippe erfolgreich umschifft, so dass die notwendige App ohne Probleme funktionierte.
HITSTER nicht unähnlich ist übrigens DISC COVER, welches auch lautstark auf der Messe vom gut gelaunten Blue Orange Personal vorgeführt wurde. Dabei wird ein Song gespielt und man muss entscheiden, welches von vier möglichen Cover-Bildern am besten zum Song passt. DIXIT mit Musik also – und das funktioniert ebenfalls recht gut.
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