Sherlock – die zweiten drei Fälle ("Der Pate", "Das Labor" und "13 Geiseln") von Josep Izquierdo und Marti Lucas sowie Jesús Otero – erschienen bei Abacusspiele
Eine der großen Überraschungen in letzter Zeit waren die ersten drei Fälle des SHERLOCK-Systems. Wobei groß sich eher auf das berechtigte Medienecho bezieht denn auf die eigentliche Größe der einzelnen Spiele. Somit zeigt sich aber erneut, dass es auch bei Spielen nicht auf die Größe der Verpackung ankommt. Wissen wir ja auch aus anderen Bereichen.
Themen... sind äußerst unterschiedlich. Mal befinden wir uns in Miami bei einem Paten, dann in Oslo in einem Labor und schlussendlich auch noch in Dubai bei einem Juwelier. Das Zauberwort heißt wohl Globalisierung. Aber gute Detektive werden nun einmal überall benötigt. Entsprechend vielfältig sind auch unsere Tatorte und die aufzuklärenden Fälle.
Illustrationen… sind von Alba Aragón sowie sowie Amelia Sales. Dabei sind die einzelnen Illustrationen in meinen Augen zwar eher funktional als schön, aber besser so als anders herum. Die wesentlichen Informationen werden den Spielern recht schnörkellos an die Hand gegeben. Graphischer Schnickschnack käme allerdings auch wegen der kleinen Karten nicht wirklich zum Tragen, weswegen wohlweislich darauf verzichtet wurde.
Ausstattung… bleibt auch in der zweiten Staffel äußerst spartanisch. In den kleinen bunten Schachteln befinden sich jeweils 33 Karten und ein zweigeteilter "Beipackzettel". Dieser erklärt kurz und knapp das SHERLOCK-System und gibt eine schnelle thematische Einleitung in den Fall. Alle weiteren Infos sind vorerst unbekannt.
Nachdem man alle Karten ausgespielt hat, ist der Fall zu lösen. Dafür muss man 10 Fragen beantworten, die allerdings erst durch das Entfernen einen Aufklebers zugänglich werden. Auf der Rückseite der Anleitung wird dann die Auflösung des Falls präsentiert.
Ablauf… ist unverändert. Jeder teilnehmende Detektiv bekommt 3 Hinweiskarten auf die Hand. Ist man an der Reihe, muss man sich nun zwischen zwei Optionen entscheiden: will ich eine davon offen ausspielen, so dass der Inhalt allen zur Verfügung steht? Oder bin ich der Meinung, dass der Hinweis unwichtig ist und werfe ihn ab?
Doch warum sollte man Hinweise abwerfen? Es kann bekanntlich nie genug geben, oder? Die Antwort ist recht einfach (wenn auch ein wenig unbefriedigend): weil die Regel vorsieht, dass am Spielende mindestens 6 Karten abgeworfen werden müssen. Außerdem werden ausgespielte, aber unnütze Hinweise, am Ende bei der Bewertung der detektivischen Leistung mit Minuspunkten bedacht. So gilt es also gut abzuwägen, was man offen ausspielt und was man abwirft.
Bei dieser Abwägung kann man sich gerne mit den Mitspielern austauschen. Allerdings dürfen bei diesem Austausch nur die Schlüsselworte benutzt werden, die auf den Karten unterstrichen dargestellt sind. Glücklicherweise darf man aber am Ende den Mitspielern gerne auch die vollständigen Informationen der abgeworfenen Karten erzählen – wenn man sich diese denn behalten hat.
Das gefällt mir nicht so gut: Weiterhin bin ich bei solchen Rätselspielen kein großer Freund von Wertungssystemen aller Art – übrigens auch nicht bei Spielen, die eine Geschichte erzählen wie bspw. PANDEMIC LEGACY. Mir bringt eine Punkteskala am Ende nicht mehr oder weniger Spaß beim Spielen. Im Moment des Spiels möchte ich den Fall lösen und mir keine Gedanken machen, ob wir am Ende 10, 20 oder sogar ‑5 Punkte machen. Mein natürlicher Ehrgeiz sorgt schon dafür, dass ich alle Fragen richtig beantworten will. Mich nervt da eher diese Abwägung, ob ein Hinweis nun später relevant ist oder nicht.
Zumal in dieser Hinsicht auch viel Zufall im Spiel ist. Je nachdem wie die Karten im Deck verteilt sind, können bspw. nur unwichtige Hinweise auf die eigene Hand gelangen. Aber wie soll ich diese dann in Abwägung untereinander erkennen? Insbesondere zu Beginn des Spiels kann man nämlich kaum abschätzen, ob nun ein Hinweis wichtig ist oder nicht. Die Einleitung weist zwar grob in eine Richtung, aber die spannenden Details entwickeln sich erst im Laufe des Spiels. Durch das aktuelle Wertungssystem ist man somit dazu geneigt, im Zweifelsfall lieber zu viele Hinweise abzuwerfen als unnötige auszuspielen. So ist man nun aber ziemlich auf sein Gedächtnis angewiesen – was nicht jedermanns Sache ist. Außerdem spricht das meiner Meinung nach ein wenig gegen das Prinzip, dass man doch eher durch kombinatorischen Spürsinn gewinnen sollte als durch eine gute Gedächtnisleistung. Ich hätte mir deswegen lieber eine andere Wertung gewünscht. Bspw. in der Art, dass man Pluspunkte für richtig ausgespielte Hinweise bekommt anstatt Minuspunkte für falsche (und natürlich müssen immer noch Hinweise abgeworfen werden). Oder dass man zumindest die Möglichkeit erhält, am Ende noch drei oder vier Hinweise abzuwerfen. Allerdings sollte man sich meiner Meinung nach ohnehin lieber frei von solchen Wertungssystemen machen.
Die weiteren bekannten Kritikpunkte bleiben bestehen. Ich würde nie einen SHERLOCK-Fall mit acht Mitspielern angehen wollen. Meiner Meinung nach ist vier Mitspieler die perfekte Anzahl. Solo funktioniert das System, allerdings fehlt mir dabei der gemeinsame Austausch mit den Mitspielern. Die Regel ist unverändert und somit weiterhin eine nicht zu kleine Hürde. Bei SHERLOCK wäre sicherlich ein kleines Regelvideo hilfreich, da doch bei vielen Mitspielern erst im Laufe der ersten Partie der große Aha-Effekt eintrat ("Ach, so funktioniert das!"). Und die Sache mit dem vorgegebenen Schwierigkeitsgrad habe ich auch wieder anders empfunden. Keine Ahnung, nach welchen Kriterien diese Klassifizierung stattfindet – bisher konnte ich die Abstufung weder in Staffel 1 noch in Staffel 2 nachvollziehen. Wobei das zugegebenermaßen auch ein äußerst subjektives Empfinden ist.
Das gefällt mir gut: Ich finde es weiterhin faszinierend, mit welch überschaubaren Mitteln echte Spannung erzeugt wird. Da werden nach und nach 32 Karten ausgespielt und am Ende stöhnt und ächzt man über die zusammenfassenden Fragen. Denn spätestens nach dem Ausspielen der Karten hat man sich wunderbar einen überzeugenden Tathergang konstruiert – um dann festzustellen, dass die Fragen in eine ganz andere Richtung zielen. Oder eben auch nicht! Denn die Fragen kommen ganz fies im Multiple-Choice-Verfahren daher und beinhalten dann unter dem abschließenden Punkt D gerne mal die mögliche Antwort "Das ist für den Fall unerheblich" – womit eine ganz große Unsicherheit erzeugt wird. Manchmal ist das wirklich so, manchmal soll diese Antwortmöglichkeit aber auch nur verwirren. Hier gilt es standhaften zu bleiben.
Das kann natürlich auch die Folge haben, dass man völlig daneben liegt. Wenn es dann ganz doof läuft, hat man am Ende sogar Minuspunkte gesammelt, weil man konsequent die falschen Antworten gegeben und schließlich auch noch falsche Hinweise ausgelegt hat. Das kann passieren – sollte einen aber nicht wirklich störten Denn bei SHERLOCK steht der Spaß am Ermitteln im Mittelpunkt! Zudem kommt hinzu, dass die Auflösungen der Fälle nicht an den Haaren herbeigezogen sind. Auch wenn wir nicht ganz richtig lagen, haben wir die eigentliche Auflösung im Nachhinein nicht als gezwungen angesehen. Sondern wir haben erkennen dürfen, auf welche falsche Fährte wir gelockt wurden. Bei andere Krimispielen geht es mir oftmals so, dass ich mit der Auflösung aus verschiedenen Gründen nicht ganz glücklich war. Solche unbefriedigenden Gefühle hatte ich bisher bei keinem SHERLOCK-Fall.
Doch wie schon beschrieben, liegt der größte Spaß der SHERLOCK-Fälle nur bedingt beim finalen Auflösen. Viel interessanter und spannender finde ich, wie man sich ganz langsam an mögliche Theorien der Tathergänge heran tastet. Da ist eine erste Idee, die meist recht schnell wieder verworfen wird. Da legt man Hinweise aus, die gut in das eigene Gedankengebilde passen – bis zu dem Zeitpunkt, wo ein Hinweis eines Mitspielers diese ganze Theorie wie ein Kartenhaus zusammenfallen lässt. Wichtig ist, dass man gemeinsam über diese Theorien spricht. Die Fälle sind meist so komplex, dass selten jemand alles ganz alleine durchschaut. Dabei reicht es meist auch nicht aus, sich auf einen Verdächtigen festzulegen. Die 10 Fragen am Ende prüfen schon recht genau das gemachte Gesamtbild ab. Dabei kann der eigentliche Täter nur eine untergeordnete Rolle spielen und die Fragen zielen mehr auf den Tathergang und die Motivation ab. Gemeinerweise gibt es dabei genügend falsche Fährten, denen man nur all zu gerne folgt.
Zu guter Letzt bleibt der Vorteil des SHERLOCK-Systems, dass im Spiel nichts verändert oder zerstört wird. Naturgemäß kann man einen Fall sinnvoll nur einmal spielen. Aber danach kann man mit dem kleinen Paket zumindest anderen durch die Weitergabe noch eine Freude machen. Auch für eine Reise ist so ein SHERLOCK-Fall perfekt. Er nimmt wenig Platz weg, man benötigt keine weiteren Hilfsmittel und man hat ganz schnell begeisterte Mitspieler um sich herum.
Fazit: Auch die zweite Staffel von SHERLOCK überzeugt mich voll uns ganz. So besitzt Abacusspiele nun neben den DECKSCAPE-Fällen ein weiteres spannendes System mit hohem Spielspaß unter Einsatz von erfreulich reduziertem Material. Das weckt doch die Neugierde auf das angekündigte DECKTEKTIVE, welches vergleichbare Ansätze haben soll.
Titel | Sherlock – "Der Pate", "Das Labor" und "13 Geiseln" |
Autoren | Josep Izquierdo und Marti Lucas sowie Jesús Otero (Der Pate) |
Illustrationen | Alba Aragón sowie Amelia Sales |
Dauer | 45 bis 60 Minuten |
Spieleranzahl | 1 bis 8 Spieler (besser 2 bis 4 Spieler) |
Zielgruppe | kombinatorische Spürhunde |
Verlag | Abacusspiele |
Jahr | 2019 |
Ich bedanke mich bei Abacusspiele für die Bereitstellung von Rezensionsexemplaren. Ich bin mir sicher, dass durch diese Bereitstellung meine Meinung nicht beeinflusst wurde. Die Besprechung spiegelt meine gemachte Erfahrung wider.
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