fjelfras.de

kritisch gespielt: Sherlock – Fälle 4 bis 6 (Staffel 2)

Sherlock – die zweiten drei Fälle ("Der Pate", "Das Labor" und "13 Geiseln") von Josep Izquierdo und Marti Lucas sowie Jesús Otero erschienen bei Abacusspiele

Sherlock - Das Labor - Box
Foto: Aba­cus­spie­le

Eine der gro­ßen Über­ra­schun­gen in letz­ter Zeit waren die ers­ten drei Fäl­le des SHER­LOCK-Sys­tems. Wobei groß sich eher auf das berech­tig­te Medi­en­echo bezieht denn auf die eigent­li­che Grö­ße der ein­zel­nen Spie­le. Somit zeigt sich aber erneut, dass es auch bei Spie­len nicht auf die Grö­ße der Ver­pa­ckung ankommt. Wis­sen wir ja auch aus ande­ren Bereichen.

The­men... sind äußerst unter­schied­lich. Mal befin­den wir uns in Miami bei einem Paten, dann in Oslo in einem Labor und schluss­end­lich auch noch in Dubai bei einem Juwe­lier. Das Zau­ber­wort heißt wohl Glo­ba­li­sie­rung. Aber gute Detek­ti­ve wer­den nun ein­mal über­all benö­tigt. Ent­spre­chend viel­fäl­tig sind auch unse­re Tat­or­te und die auf­zu­klä­ren­den Fälle.

Illus­tra­tio­nen… sind von Alba Ara­gón sowie sowie Ame­lia Sales. Dabei sind die ein­zel­nen Illus­tra­tio­nen in mei­nen Augen zwar eher funk­tio­nal als schön, aber bes­ser so als anders her­um. Die wesent­li­chen Infor­ma­tio­nen wer­den den Spie­lern recht schnör­kel­los an die Hand gege­ben. Gra­phi­scher Schnick­schnack käme aller­dings auch wegen der klei­nen Kar­ten nicht wirk­lich zum Tra­gen, wes­we­gen wohl­weis­lich dar­auf ver­zich­tet wurde.

Sherlock 4-6 - Übersicht
über­schau­ba­rer Inhalt, der es in sich hat

Aus­stat­tung… bleibt auch in der zwei­ten Staf­fel äußerst spar­ta­nisch. In den klei­nen bun­ten Schach­teln befin­den sich jeweils 33 Kar­ten und ein zwei­ge­teil­ter "Bei­pack­zet­tel". Die­ser erklärt kurz und knapp das SHER­LOCK-Sys­tem und gibt eine schnel­le the­ma­ti­sche Ein­lei­tung in den Fall. Alle wei­te­ren Infos sind vor­erst unbekannt.

Nach­dem man alle Kar­ten aus­ge­spielt hat, ist der Fall zu lösen. Dafür muss man 10 Fra­gen beant­wor­ten, die aller­dings erst durch das Ent­fer­nen einen Auf­kle­bers zugäng­lich wer­den. Auf der Rück­sei­te der Anlei­tung wird dann die Auf­lö­sung des Falls präsentiert.

Ablauf… ist unver­än­dert. Jeder teil­neh­men­de Detek­tiv bekommt 3 Hin­weis­kar­ten auf die Hand. Ist man an der Rei­he, muss man sich nun zwi­schen zwei Optio­nen ent­schei­den: will ich eine davon offen aus­spie­len, so dass der Inhalt allen zur Ver­fü­gung steht? Oder bin ich der Mei­nung, dass der Hin­weis unwich­tig ist und wer­fe ihn ab?

Doch war­um soll­te man Hin­wei­se abwer­fen? Es kann bekannt­lich nie genug geben, oder? Die Ant­wort ist recht ein­fach (wenn auch ein wenig unbe­frie­di­gend): weil die Regel vor­sieht, dass am Spie­len­de min­des­tens 6 Kar­ten abge­wor­fen wer­den müs­sen. Außer­dem wer­den aus­ge­spiel­te, aber unnüt­ze Hin­wei­se, am Ende bei der Bewer­tung der detek­ti­vi­schen Leis­tung mit Minus­punk­ten bedacht. So gilt es also gut abzu­wä­gen, was man offen aus­spielt und was man abwirft.

Sherlock 4-6 - laufender Fall
lau­fen­de Ermitt­lun­gen [natür­lich so ver­än­dert, dass nichts ver­ra­ten wird]

Bei die­ser Abwä­gung kann man sich ger­ne mit den Mit­spie­lern aus­tau­schen. Aller­dings dür­fen bei die­sem Aus­tausch nur die Schlüs­sel­wor­te benutzt wer­den, die auf den Kar­ten unter­stri­chen dar­ge­stellt sind. Glück­li­cher­wei­se darf man aber am Ende den Mit­spie­lern ger­ne auch die voll­stän­di­gen Infor­ma­tio­nen der abge­wor­fe­nen Kar­ten erzäh­len – wenn man sich die­se denn behal­ten hat. 

Das gefällt mir nicht so gut: Wei­ter­hin bin ich bei sol­chen Rät­sel­spie­len kein gro­ßer Freund von Wer­tungs­sys­te­men aller Art – übri­gens auch nicht bei Spie­len, die eine Geschich­te erzäh­len wie bspw. PANDEMIC LEGACY. Mir bringt eine Punk­te­ska­la am Ende nicht mehr oder weni­ger Spaß beim Spie­len. Im Moment des Spiels möch­te ich den Fall lösen und mir kei­ne Gedan­ken machen, ob wir am Ende 10, 20 oder sogar ‑5 Punk­te machen. Mein natür­li­cher Ehr­geiz sorgt schon dafür, dass ich alle Fra­gen rich­tig beant­wor­ten will. Mich nervt da eher die­se Abwä­gung, ob ein Hin­weis nun spä­ter rele­vant ist oder nicht. 

Zumal in die­ser Hin­sicht auch viel Zufall im Spiel ist. Je nach­dem wie die Kar­ten im Deck ver­teilt sind, kön­nen bspw. nur unwich­ti­ge Hin­wei­se auf die eige­ne Hand gelan­gen. Aber wie soll ich die­se dann in Abwä­gung unter­ein­an­der erken­nen? Ins­be­son­de­re zu Beginn des Spiels kann man näm­lich kaum abschät­zen, ob nun ein Hin­weis wich­tig ist oder nicht. Die Ein­lei­tung weist zwar grob in eine Rich­tung, aber die span­nen­den Details ent­wi­ckeln sich erst im Lau­fe des Spiels. Durch das aktu­el­le Wer­tungs­sys­tem ist man somit dazu geneigt, im Zwei­fels­fall lie­ber zu vie­le Hin­wei­se abzu­wer­fen als unnö­ti­ge aus­zu­spie­len. So ist man nun aber ziem­lich auf sein Gedächt­nis ange­wie­sen – was nicht jeder­manns Sache ist. Außer­dem spricht das mei­ner Mei­nung nach ein wenig gegen das Prin­zip, dass man doch eher durch kom­bi­na­to­ri­schen Spür­sinn gewin­nen soll­te als durch eine gute Gedächt­nis­leis­tung. Ich hät­te mir des­we­gen lie­ber eine ande­re Wer­tung gewünscht. Bspw. in der Art, dass man Plus­punk­te für rich­tig aus­ge­spiel­te Hin­wei­se bekommt anstatt Minus­punk­te für fal­sche (und natür­lich müs­sen immer noch Hin­wei­se abge­wor­fen wer­den). Oder dass man zumin­dest die Mög­lich­keit erhält, am Ende noch drei oder vier Hin­wei­se abzu­wer­fen. Aller­dings soll­te man sich mei­ner Mei­nung nach ohne­hin lie­ber frei von sol­chen Wer­tungs­sys­te­men machen.

Sherlock 4-6 - Schwierigkeitsgrad
der vor­ge­ge­be­ne Schwie­rig­keits­grad ist diskussionswürdig

Die wei­te­ren bekann­ten Kri­tik­punk­te blei­ben bestehen. Ich wür­de nie einen SHER­LOCK-Fall mit acht Mit­spie­lern ange­hen wol­len. Mei­ner Mei­nung nach ist vier Mit­spie­ler die per­fek­te Anzahl. Solo funk­tio­niert das Sys­tem, aller­dings fehlt mir dabei der gemein­sa­me Aus­tausch mit den Mit­spie­lern. Die Regel ist unver­än­dert und somit wei­ter­hin eine nicht zu klei­ne Hür­de. Bei SHERLOCK wäre sicher­lich ein klei­nes Regel­vi­deo hilf­reich, da doch bei vie­len Mit­spie­lern erst im Lau­fe der ers­ten Par­tie der gro­ße Aha-Effekt ein­trat ("Ach, so funk­tio­niert das!"). Und die Sache mit dem vor­ge­ge­be­nen Schwie­rig­keits­grad habe ich auch wie­der anders emp­fun­den. Kei­ne Ahnung, nach wel­chen Kri­te­ri­en die­se Klas­si­fi­zie­rung statt­fin­det – bis­her konn­te ich die Abstu­fung weder in Staf­fel 1 noch in Staf­fel 2 nach­voll­zie­hen. Wobei das zuge­ge­be­ner­ma­ßen auch ein äußerst sub­jek­ti­ves Emp­fin­den ist.

Sherlock 4-6 - geschlossen
span­nen­der Moment, wenn der Auf­kle­ber gelöst wird

Das gefällt mir gut: Ich fin­de es wei­ter­hin fas­zi­nie­rend, mit welch über­schau­ba­ren Mit­teln ech­te Span­nung erzeugt wird. Da wer­den nach und nach 32 Kar­ten aus­ge­spielt und am Ende stöhnt und ächzt man über die zusam­men­fas­sen­den Fra­gen. Denn spä­tes­tens nach dem Aus­spie­len der Kar­ten hat man sich wun­der­bar einen über­zeu­gen­den Tat­her­gang kon­stru­iert – um dann fest­zu­stel­len, dass die Fra­gen in eine ganz ande­re Rich­tung zie­len. Oder eben auch nicht! Denn die Fra­gen kom­men ganz fies im Mul­ti­ple-Choice-Ver­fah­ren daher und beinhal­ten dann unter dem abschlie­ßen­den Punkt D ger­ne mal die mög­li­che Ant­wort "Das ist für den Fall uner­heb­lich" – womit eine ganz gro­ße Unsi­cher­heit erzeugt wird. Manch­mal ist das wirk­lich so, manch­mal soll die­se Ant­wort­mög­lich­keit aber auch nur ver­wir­ren. Hier gilt es stand­haf­ten zu bleiben.

Das kann natür­lich auch die Fol­ge haben, dass man völ­lig dane­ben liegt. Wenn es dann ganz doof läuft, hat man am Ende sogar Minus­punk­te gesam­melt, weil man kon­se­quent die fal­schen Ant­wor­ten gege­ben und schließ­lich auch noch fal­sche Hin­wei­se aus­ge­legt hat. Das kann pas­sie­ren – soll­te einen aber nicht wirk­lich stör­ten Denn bei SHERLOCK steht der Spaß am Ermit­teln im Mit­tel­punkt! Zudem kommt hin­zu, dass die Auf­lö­sun­gen der Fäl­le nicht an den Haa­ren her­bei­ge­zo­gen sind. Auch wenn wir nicht ganz rich­tig lagen, haben wir die eigent­li­che Auf­lö­sung im Nach­hin­ein nicht als gezwun­gen ange­se­hen. Son­dern wir haben erken­nen dür­fen, auf wel­che fal­sche Fähr­te wir gelockt wur­den. Bei ande­re Kri­mi­spie­len geht es mir oft­mals so, dass ich mit der Auf­lö­sung aus ver­schie­de­nen Grün­den nicht ganz glück­lich war. Sol­che unbe­frie­di­gen­den Gefüh­le hat­te ich bis­her bei kei­nem SHERLOCK-Fall.

Doch wie schon beschrie­ben, liegt der größ­te Spaß der SHER­LOCK-Fäl­le nur bedingt beim fina­len Auf­lö­sen. Viel inter­es­san­ter und span­nen­der fin­de ich, wie man sich ganz lang­sam an mög­li­che Theo­rien der Tat­her­gän­ge her­an tas­tet. Da ist eine ers­te Idee, die meist recht schnell wie­der ver­wor­fen wird. Da legt man Hin­wei­se aus, die gut in das eige­ne Gedan­ken­ge­bil­de pas­sen – bis zu dem Zeit­punkt, wo ein Hin­weis eines Mit­spie­lers die­se gan­ze Theo­rie wie ein Kar­ten­haus zusam­men­fal­len lässt. Wich­tig ist, dass man gemein­sam über die­se Theo­rien spricht. Die Fäl­le sind meist so kom­plex, dass sel­ten jemand alles ganz allei­ne durch­schaut. Dabei reicht es meist auch nicht aus, sich auf einen Ver­däch­ti­gen fest­zu­le­gen. Die 10 Fra­gen am Ende prü­fen schon recht genau das gemach­te Gesamt­bild ab. Dabei kann der eigent­li­che Täter nur eine unter­ge­ord­ne­te Rol­le spie­len und die Fra­gen zie­len mehr auf den Tat­her­gang und die Moti­va­ti­on ab. Gemei­ner­wei­se gibt es dabei genü­gend fal­sche Fähr­ten, denen man nur all zu ger­ne folgt.

Zu guter Letzt bleibt der Vor­teil des SHER­LOCK-Sys­tems, dass im Spiel nichts ver­än­dert oder zer­stört wird. Natur­ge­mäß kann man einen Fall sinn­voll nur ein­mal spie­len. Aber danach kann man mit dem klei­nen Paket zumin­dest ande­ren durch die Wei­ter­ga­be noch eine Freu­de machen. Auch für eine Rei­se ist so ein SHER­LOCK-Fall per­fekt. Er nimmt wenig Platz weg, man benö­tigt kei­ne wei­te­ren Hilfs­mit­tel und man hat ganz schnell begeis­ter­te Mit­spie­ler um sich herum.

Sherlock 4-6 - Übersicht
viel Abwechs­lung in klei­nen Schachteln

Fazit: Auch die zwei­te Staf­fel von SHERLOCK über­zeugt mich voll uns ganz. So besitzt Aba­cus­spie­le nun neben den DECK­SCAPE-Fäl­len ein wei­te­res span­nen­des Sys­tem mit hohem Spiel­spaß unter Ein­satz von erfreu­lich redu­zier­tem Mate­ri­al. Das weckt doch die Neu­gier­de auf das ange­kün­dig­te DECKTEKTIVE, wel­ches ver­gleich­ba­re Ansät­ze haben soll.

TitelSher­lock – "Der Pate", "Das Labor" und "13 Geiseln"
AutorenJosep Izquier­do und Mar­ti Lucas sowie Jesús Ote­ro (Der Pate)
Illus­tra­tio­nenAlba Ara­gón sowie Ame­lia Sales
Dau­er45 bis 60 Minuten
Spie­ler­an­zahl1 bis 8 Spie­ler (bes­ser 2 bis 4 Spieler)
Ziel­grup­pekom­bi­na­to­ri­sche Spürhunde
Ver­lagAba­cus­spie­le
Jahr2019

Ich bedan­ke mich bei Aba­cus­spie­le für die Bereit­stel­lung von Rezen­si­ons­exem­pla­ren. Ich bin mir sicher, dass durch die­se Bereit­stel­lung mei­ne Mei­nung nicht beein­flusst wur­de. Die Bespre­chung spie­gelt mei­ne gemach­te Erfah­rung wider.

Kommentar hinzufügen