Aufbruch nach Newdale von Alexander Pfister – erschienen bei Lookout Spiele
So ein Blog hat auch Nachteile für den Medien-Konsumenten ... also für euch. Denn nun ist Kopfkino gefragt. Schaut euch das Cover lange an, stellt euch nun Nebelschwaden und einen imposanten Trailer-Soundtrack von Two Steps from Hell vor. Nun ertönt auch noch eine tiefe Stimme: "Nachdem LONGSDALE IN AUFRUHR war und die FLUCHT NACH CANYON BROOK gelang ist es nun Zeit zum AUFBRUCH NACH NEWDALE". Wer will da nicht wissen, wie es weitergeht?
Thema... spielt in der Welt von OH MY GOODS! und knüpft an den fiesen Cliffhänger aus der zweiten Story-Erweiterung FLUCHT NACH CANYON BROOK an. Das Land ist zerrüttet, der Frieden zwischen der Krone und der Nordprovinz ist brüchig. Die Rebellion ist zwar beendet, aber stattdessen wird von einer Ankunft der Eisriesen gewarnt. Um diesen Gerüchten auf den Grund zu gehen, soll eine Expedition über das Meer in das Land der Eisriesen erfolgen – und wir sind dazu auserwählt, diese vorzubereiten und letztlich auch auszuführen. Dreimal dürft ihr raten, wo sie enden wird...


Illustrationen… sind von Klemens Franz und setzen logischerweise den bisherigen Stil fort. Viele Karten sind vertraut, aber natürlich entdeckt man immer wieder unbekannte Gesichter und auch Details. Ganz neu ist nun der Spielplan, schließlich waren die Spiele der OH MY GOODS! Reihe bisher immer reine Kartenspiele. So hat man endlich ein Bild vor Augen von Longsdale und Umgebung. Die gewählte Symbolsprache ist, wie man es von Klemens Franz gewohnt ist, eingängig und verständlich, so dass die grafische Gestaltung insgesamt wieder sehr rund geworden ist. Gut so!
Ausstattung… auch wenn AUFBRUCH NACH NEWDALE berechtigterweise als Brettspiel zur OH MY GOODS! Reihe bezeichnet wird, so bleiben doch die Karten dominant – schließlich sind davon 220 in der Box. Der Großteil davon sind Gebäudekarten im bekannten Stil, aber es gibt auch Personenkarten, Seemannskarten, Ereigniskarten, Kapitelkarten usw.
Darüber hinaus liegen in der Box aber auch klassische Brettspielkomponenten, die in Form von Holzteilen, Pappplättchen und Spielertableaus daher kommen. Ins Auge fallen noch die drei doppelseitigen Spielpläne sowie ein Beutel, der mit einigen bunten Männchen gefüllt wird.
Ablauf… hat sich doch stärker verändert, als ich das erwartet habe. Eigentlich ging ich nämlich davon aus, dass der bisherige Kartenmechanismus zum Erzeugen der Waren beibehalten würde – dem ist aber nicht so. Statt nun also Karten in einer Sonnenaufgangs- und Sonnenuntergangsphase aufzudecken, werden nun in der Regel lediglich 4 hölzerne Figuren ("Gehilfen") aus einem Beutel gezogen. Trotzdem bleibt das ursprüngliche Zockerei-Gefühl erhalten, denn weiterhin muss man sich im Vorfeld festlegen, ob man seine Warenproduktion schlampig oder ambitioniert durchführen will. Dazu geben die einzelnen Ereigniskarten schon einen Pool an farbigen Gehilfen vor, dieser wird dann durch das Nachziehen aus dem Beutel erweitert.
Die einzelnen Produktionsgebäude geben nun keine Rohstoffe mehr vor, sondern sie zeigen auf, welche farbigen Gehilfen man zum Produzieren benötigt. Zusätzlich gibt es nun in Worker-Placement-Manier auch alternative Aktionsmöglichkeiten. Dafür (und auch zum Produzieren) stehen anfangs zwei Aktionsscheiben zur Verfügung, die man gegen Aufpreis auch auf bis zu vier vermehren kann. Über diese Aktionsfelder kann man sicher Kohle produzieren, neue Karten erhalten oder zusätzlich weitere Gebäude bauen. Die werden nun aber nicht nur als Karten ausgelegt, sondern es werden ganz real kleine Häuser auf dem Spielplan verteilt – durchaus verbunden mit einem Baurabatt für bestimmte Voraussetzungen.


Ziel ist es, im Laufe der Partie viele Waren zu produzieren, die man dann meist dafür verwendet, um die Baukosten der nächsten Häuser zu bezahlen, wofür man mit Siegpunkten belohnt wird. Wie auch bei OH MY GOODS! kann man beim Produzieren der Waren von Verkettungen profitieren, weswegen man sich schon Gedanken machen sollte, welche Produktionsgebäude zu einem passen und welche nicht.
Nach sieben Runden ist die Partie zu Ende und man erhält noch Siegpunkte für restliche Waren und Häuser an passenden Orte, die jeder durch einen individuellen Geheimauftrag vorgegeben bekommt. Außerdem gilt es noch einen Kapitelauftrag zu erfüllen. Denn AUFBRUCH NACH NEWDALE kommt als kleine storybasierte Kampagne daher. Man erlebt acht unterschiedliche Kapitel der Rahmenhandlung und bei jedem Kapitel-Ende werden schlussendlich noch bestimmte Waren extra belohnt, die sich thematisch durch die erzählte Geschichte begründen.
Das gefällt mir nicht so gut: "Kampagnenspiel" klingt im ersten Moment toll. Allerdings darf man von dieser Bezeichnung keinesfalls zu viel erwarten. AUFBRUCH NACH NEWDALE ist ein astreines Eurospiel. Die kleinen Texte lockern eher den Anfang und das Ende ein wenig auf, während der Partie kommt wenig thematisches Spielgefühl auf. Wer also eine weitere erzählerische Wucht wie bspw. bei PANDEMIC LEGACY erwartet, der wird enttäuscht werden. Ich sehe das allerdings nicht all zu kritisch. Für mich ist die umfassende Geschichte ein netter Zusatz, den ich gerne annehme, aber auch nicht wirklich gebraucht hätte.
Leider bedeutet diese Möglichkeit der Kampagne auch einen gewissen Verwaltungsaufwand. Die zugehörigen Informationen werden zwar gut gegliedert in den Regeln dargestellt und auch die grafische Gestaltung unterstützt das Procedere gut. Nichtsdestotrotz ist Organisation notwendig. Welche Karten kommen zum Einsatz, welches Spielmaterial kann beiseite gelegt werden? Hier hätte ich mir gerne noch etwas mehr Unterstützung von Verlagsseite gewünscht (wie bspw. ein vernünftiges Insert, verschiedenfarbige Zipptüten...).
Mit den Kapitel-Zielen werde ich übrigens nicht so richtig warm. Diese geben vor, auf welche Gebäude man spielen sollte. Da fühlt es sich aber doof an, wenn man diese im Laufe der Partie einfach nicht auf die Hand bekommt. Manchmal liegen entsprechende Gebäude als gemeinsame Auslage für alle bereit, was schon besser ist als nichts. Aber auch hier benötigt man für die angestrebte Verkettung wieder andere bestimmte Gebäude, die einem dann vielleicht fehlen. Ja, ich weiß, dass man sich von diesen Zielen auch frei machen kann. Aber mit diesen kann man nun einmal schon eine Menge Punkte generieren und irgendwie fühlt es sich eben unausgewogen an. Dieses "Problem" war in den Story-Erweiterungen der Kartenspiele auch schon gegeben. Aber da ging eine Partie gerne mal nur eine halbe Stunde und dann konnte man darüber leichter hinwegsehen. Und im Gegensatz zum allgemeinen Glücksanteil beim Nachziehen der Gehilfen trifft diese unglückliche Kartenverteilung eben nur manche Mitspielende.
Über die begrenzte Anzahl von 7 Runden haben wir übrigens intensiv diskutiert. Manche empfanden diese als zu kurz. Denn oftmals hat man das Gefühl: jetzt, da es gerade läuft, ist das Spiel schon zu Ende. Das stimmt natürlich einerseits. Andererseits macht es auch den Reiz aus, genau diese Maschine aufzubauen. Nun miterleben zu können, wie sie läuft, ist zwar befriedigend, bringt aber keinen neuen Erkenntnisgewinn. Mir ist ein Spiel gefühlt lieber zu kurz als zu lang – und in einer 4er-Runde ist man auch so schon mit gut 90 Minuten dabei. Außerdem darf man sich nicht von den ersten Versuchen täuschen lassen. In meiner ersten Partie war ich auch noch der Meinung, dass alles zu schnell vorbei ging. Mit der Zeit hat man aber die Kniffe gelernt, wie man mehr Aktionsmöglichkeiten bekommt und damit auch das Spiel für einen selbst verlängert.
AUFBRUCH NACH NEWDALE lässt sich vom Prinzip solo spielen. Allerdings kommen dabei die wenigen interaktiven Elemente überhaupt nicht zum Tragen und zusätzlich sind die zu bewältigen Aufgaben wieder ziemlich schwer. Wie bei einigen anderen seiner Spiele, macht es Alexander Pfister den Solospielern nicht einfach und legt die Messlatte ziemlich hoch, bevor man die Erlaubnis erhält, das nächste Kapitel zu betreten. Mich hat diese besondere Art Highscore-Jagd jedenfalls nicht abgeholt und ich spiele da im Zweifelsfalle lieber andere spiele alleine.

Das gefällt mir gut: Dass sich Kennerspiele und ein bestimmtes Zock-Element nicht ausschließen, wissen wir alle spätestens seit DIE QUACKSALBER VON QUEDLINBURG (wobei BROOM SERVICE dabei nicht vergessen werden sollte). Auch AUFBRUCH NACH NEWDALE hat einen nicht zu unterschätzenden Glücksanteil beim Herausziehen der Gefährten. Allerdings gibt es auch genügend Möglichkeiten, sich diesem erst gar nicht auszusetzen. So kann jeder für sich selbst entscheiden: will ich aufs Ganze gehen oder doch lieber auf Nummer sicher. Selbstredend wird man nicht sehr erfolgreich sein, wenn man nie etwas riskiert. Aber viel Risiko kann gerne auch mal zu viel sein. Hier behält AUFBRUCH NACH NEWDALE meiner Meinung nach eine sehr gute Balance. Man hat ausreichend Informationen, um das Spielgeschehen richtig einschätzen zu können. Trotzdem ist das Ziehen der Gefährten immer ein emotionaler Höhepunkt und wird dann meist auch entsprechend kommentiert.

Sehr gelungen finde ich, wie das Push-Your-Luck-Gefühl des Kartenspiels auf das Brettspiel übertragen wird. Trotzdem entwickelt AUFBRUCH NACH NEWDALE aber auch seinen ganz eigenen Charakter. Der Spielplan ist mehr als nur ein optische Aufwertung. Durch die verschiedenen Elemente (Rabatte beim Gebäudebau, Belohnungen für schnelles Ausbreiten und dem Erfüllen der persönlichen Ziele) muss man sich schon genauer mit dem Spielplan und auch den Mitspielern auseinander setzen. In den ersten Kapiteln ist das noch recht beschaulich, aber je mehr man sich von Longsdale entfernt, umso interaktiver werden einzelne Spielelemente.
Auch wenn ich den vom Verlag gewählten Begriff "Kampagnenspiel" als etwas zu hochtrabend empfinde, ist die Hintergrundgeschichte als tragendes Element nicht zu unterschätzen. Okay, ich verfolge nun die Geschichte um TYBOR schon seit einigen Spielen und natürlich bin ich auch daran interessiert, wie sich dieser Handlungsbogen weiterentwickelt. Ebenfalls fand ich den kleinen Abzweig in der Mitte des Spiels wieder recht nett, wenn er auch nicht wirklich von großem Gewicht ist. Was ich aber eigentlich sagen will: auch Mitspielende, die von der bisherigen Geschichte nichts mitbekommen haben, konnten den einzelnen Kapiteln ohne Vorwissen folgen und fanden die einzelnen Veränderungen in den Kapiteln schlüssig. Denn je nach aktuellem Stand der Geschichte verändern sich manche Regeln. Es kommen neue Gebäude- und Personenkarten hinzu, aber auch auf den Spielplänen ergeben sich neue Möglichkeiten. So entsteht eine schöne Varianz und man kann sich ganz unabhängig von der Kampagne bewusst für den einen oder anderen Spielplan und den damit verbundenen Anpassungen entscheiden.

"Entscheidung" ist ohnehin ein schönes Stichwort. Denn in einer Partie AUFBRUCH NACH NEWDALE gilt es dauernd irgendwelche Entscheidungen zu treffen. Die Frage, ob man schlampig oder besonders effizient arbeiten soll, stellt sich nicht nur Laiska, sondern ist natürlich weiterhin ein Kernelement des Spiels. Nun kommen aber noch andere gewichtige Entscheidungen hinzu. Ab wann sollte man am besten in die dritte oder gar vierte Aktionsscheibe investieren? Je früher, desto mehr habe ich davon. Aber das gilt auch für die einzelnen Gebäude? Oder die Fortschrittsmaker, mit denen vieles einfach zu handhaben ist? Das Geld ist knapp und will gut angelegt werden. Da ist es fast schon schade, dass man keine Hypotheken auf die Gebäude aufnehmen kann. Auf alle Fälle wird es einem in einer Partie nicht langweilig und man hat eher zu viel als zu wenig zu erledigen.
Die grafische Gestaltung möchte ich auch nochmals explizit loben. Da passt meiner Meinung nach alles. Das beginnt bei der tollen Covergestaltung und endet bei den vielen kleinen Details (aber auch der guten Symbolsprache). Zu gerne hätte ich als zukünftiges Goodie ein Poster, dass alle Spielpläne zusammengepuzzelt zeigt. Aber vielleicht muss man damit noch warten, denn schließlich weiß man immer noch nicht, wie das nun mit den Eisriesen ist.
Fazit: Der Sprung vom Kartenspiel zum Brettspiel ist gelungen! Wem OH MY GOODS! zu eindimensional war, der bekommt nun mit AUFBRUCH NACH NEWDALE einige neue und gelungene Möglichkeiten hinzu. Die Optionen, die ein Spielbrett bieten, werden überzeugend ausgenutzt. Das i‑Tüpfelchen ist aber die gelungene Story-Einbettung. Dabei habe ich allerdings das Gefühl, dass das jetzige Brettspiel noch nicht der Abschluss ist...
| Titel | Aufbruch nach Newdale |
| Autor | Alexander Pfister |
| Illustrationen | Klemens Franz |
| Dauer | 60 – 90 Minuten |
| Spieleranzahl | 1 bis 4 Spieler |
| Zielgruppe | glücksaffine Kennerspieler |
| Verlag | Lookout Spiele |
| Jahr | 2019 |
Ich bedanke mich bei Lookout Spiele für die Möglichkeit, das Spiel zu einem vergünstigten Preis zu erwerben. Ich bin mir sicher, dass durch diesen Rabatt meine Meinung nicht beeinflusst wurde. Die Besprechung spiegelt meine gemachte Erfahrung wider.

















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