Miyabi von Michael Kiesling – erschienen bei HABA
Ich sage es ja immer wieder: spielen bildet. Ich bin mir nämlich sicher, dass ich mich spätestens in 20 Jahren perfekt auf japanisch über das Schöne und Geordnete im Leben unterhalten kann. Denn ständig wächst in diesem Bereich mein Vokabular. Nachdem ich nun schon die Worte für Feuerwerk (HANABI), Leben (SEIKATSU), Bambus (TA-KE), die Blütenschau (HANAMIKOJI) und auch die Kirschblütenbeobachtung (OHANAMI) erfahren habe, kann ich nun dieses Gelernte mit MIYABI (Anmut) verknüpfen. Letzteres kann man ganz sicher auch beim Besuch eines OKIYA gut gebrauchen.
Thema... zur Abwechslung dürfen wir mal wieder japanische Gärten bauen. Im Gegensatz zum entsprechenden Logik-Trainer BRAINS, ist das vorliegende MIYABI ein klassisches Familienspiel. Somit konkurrieren wir mit unseren Mitstreitern um die besten Gartenteile, die natürlich streng geometrisch daher kommen und nun neu angeordnet werden müssen. Dabei dürfen wir sogar künstliche Hügel aufschütten und in die Höhe bauen. Und damit die Gärten auch am Ende des Tages richtig zur Geltung kommen, werden noch ausreichend Laternen am Rand installiert.
Illustrationen… sind vom Studio Vieleck, dass schon öfters für HABA aktiv war. Das gesamte Material kommt frisch daher und auch die Funktionalität ist gegeben. Vielleicht hätten die Kois in den Teichen etwas deutlicher daher kommen können, aber das ist schon Jammern auf hohem Niveau. Mir gefällt auf alle Fälle die grafische Gestaltung.
Ausstattung… wird dominiert von den 96 Gartenteilen, die in vier unterschiedlichen Formen daher kommen. Je nach Größe der Form sind auch entsprechend viele Gartenobjekte auf dem Plättchen abgebildet (ein Winkel deckt später drei Felder ab und kommt demnach auch bspw. mit drei Steinen daher). Damit diese Teile später verbaut werden können, erhalten alle einen eigenen Spielplan mit einem 6*6‑Raster. Am oberen Ende dieses Spielplans ist über jeder Spalte ein Ablageplatz für Laternen vorgesehen. Dementsprechend werden alle auch mit sechs Laternen in Spielerfarbe ausgestattet. Zusätzlich erhalten alle noch Punkteklötzchen, die auf dem Punkteplan abgelegt werden. Dort wird auch der clevere Rundenzähler benötigt. Zusätzlich sind noch Bonusplättchen und sogar Material für fünf schon im Spiel enthaltene Erweiterungen in der Box (u.a. nette kleine Frosch-Marker). Ach ja, den Bonsaibaum als Startspielmarker hätte ich fast übersehen. 😉
Ablauf… zu Beginn einer Runde wird eine bestimmte Menge an Gartenteilen ausgelegt, die von der Spieleranzahl abhängig ist. Nun wird reihum ein Teil genommen und nach logisch nachvollziehbaren Regeln im eigenen Garten abgelegt. Ein wichtiges Kriterium dabei ist, dass die auf den Plättchen abgebildeten Objekte immer nur in einer Spalte liegen, die noch nicht mit einer Laterne gekennzeichnet ist. Denn am Ende des aktiven Zuge, setzt man nun immer eine Laterne in die Spalte mit dem Objekt und löst damit eine Wertung aus. Die ist recht einfach, da dabei die Anzahl der Objekte mit der Höhe der Ebene, auf dem das Plättchen liegt, multipliziert wird. Damit wird deutlich, dass durchaus in die Höhe gebaut werden kann. Hat man zuerst die fünfte Ebene einer Objektart erreicht, erhält man sogar einen Bonus.
Das macht man über mehrere Runden, deren Anzahl wieder Spieleranzahl abhängig ist. Dann erfolgt noch eine Abschlusswertung, bei der die Mehrheiten der Objekte in den einzelnen Zeilen betrachtet werden. Allerdings besteht hier (und auch bei den Höhen-Boni) eine unterschiedliche Wertigkeit. Die oben angeordneten Ahornbäume bringen um ein Vielfaches mehr an Punkten als die unten angeordneten Steine.
MIYABI kommt gleich mit fünf kleinen Erweiterungen daher. Diese belohnen dann am Ende ein vorher an den Tag gelegtes Bauverhalten (bspw. zusammenhängende Objekte oder auch große leere Wiesenflächen). Eine der Erweiterungen bringt auch noch einen Frosch ins Spiel, der zusätzliche Belohnungen bereit hält, wenn man in die Höhe baut.
Das gefällt mir nicht so gut: Die einzelnen Gartenplättchen kommen in massiver Pappe daher, die über alle Zweifel erhaben sind. Leider passiert es trotzdem, dass man manchmal Probleme hat, die richtige Höhe zu bestimmen – diese ist eben nur bedingt auf den ersten Blick erkennbar bzw. bei weit entfernt sitzenden Mitspielenden gar nicht. Die Wunschlösung wären natürlich massive Steine wie bei DRAGON CASTLE oder auch AZUL – aber damit wäre MIYABI in eine ganz andere Preisklasse gerückt, die auch nur bedingt zur anvisierten Zielgruppe gepasst hätte. Deswegen kann ich die Entscheidung für die Pappplättchen schon verstehen – und zur Not muss man nun eben mehr als einmal hinschauen bzw. die Mitspielenden nach deren Höhe fragen.
Über die unterschiedliche Wertigkeit der einzelnen Objekte wird gerne am Ende einer Partie diskutiert. Ich reihe mich dabei in die Gruppe ein, die damit nicht glücklich ist. Ich verstehe die Absicht, hierüber eine Art Druck aufzubauen bzw. Verlockungen anzubieten. Dabei kann es durchaus funktionieren, hauptsächlich nur mit den unteren Objekten zu punkten, wenn sich alle anderen auf die Ahornbäume und Pagoden stürzen. Jedoch ist das auch abhängig davon, wann die entsprechenden Plättchen in welcher Kombination auftauchen. Insgesamt überwiegt aber oftmals das unbefriedigende Gefühl, lediglich durch Zufall letzter in dem Wettrennen um die wertvollen Plättchen zu sein. Hat man Pech durch die Sitzreihenfolge oder durch aktuell andere Bauprioritäten, dann fühlt sich das ganze System willkürlich und doof an. Zumal auch die unterschiedliche Verteilung der Gartenplättchen kein wirkliches System erkennbar macht. Für mich sind dabei vor allem die vorgegebenen Punktabstände bei der Endwertung zu groß. Alternativ hätte ich es besser gefunden, wenn die Punkte der Bonusplättchen für die Höhe gegenläufig zu den Punkten aus der Endwertung vergeben würden. In meinen Augen passt das gewählte System somit vor allem für die anvisierte Zielgruppe nicht gut zusammen.
Was mich persönlich noch nervt ist die Notwendigkeit, dass am Spielanfang immer erst alle Plättchen sortiert und auf die richtige Seite gedreht werden müssen. Ich habe mir hierfür mit Beuteln ausgeholfen, damit ich diesen Verwaltungsaufwand reduzieren konnte. Nicht falsch verstehen, solche Beutel erwarte ich nicht als Bestandteil der Grundaustattung, aber als Geek pimpt man ja gerne sein Lieblinge.
Das gefällt mir gut: Allerspätestens seit AZUL sollte jeder wissen, dass Autor Michael Kiesling eine Sache gut kann: Legespiele entwickeln (und es gäbe noch viel mehr andere Spiele zu nennen wie z.B. HEAVEN & ALE oder auch WIKINGER). Da macht MIYABI keine Ausnahme. Wieder kann man richtig schön tüfteln, welche Plättchen man am liebsten nehmen will und wo diese einzubauen sind. Die Regeln sind angenehm einfach, die Entscheidungen sind dennoch schön taktisch geprägt. Einerseits geht es um die sofortigen Punkte. Da erhält man aber nur so richtig viele, wenn man in die Höhe baut. Das ist aber meist damit verbunden, dass man bestehende Objekte überbaut. Diese wiederum sind bei der Endwertung wichtig, weil man über die Mehrheiten schon einige Punkte erlangen kann. Man ist damit in diesem wundervollen Zweispalt, was einem nun wichtiger erscheint.
Dabei finde ich es gut, dass das Grundspiel relativ einfach und schlank gehalten ist. Wem das nicht reicht, kann sich an die vielen unterschiedlichen kleinen Erweiterungen heran wagen. Ich empfand diese aber zum Großteil als unnötig, da sie das Spiel nur komplizierter machten ohne dadurch größeren Spielspaß zu erzeugen. Denn dann muss noch mehr gerechnet und abgewogen werden, was in meinen Runden lediglich zu längeren Downtime-Phasen geführt hat. Aber genau aus diesem Grund finde ich das Konzept mit den Erweiterungs-Modulen so schön. Wer an diesem Mehr an Möglichkeiten Gefallen findet, kann sie hinzunehmen. Alle anderen werden auch schon mit dem Grundspiel genügend Spaß haben, weil trotzdem genügend Spieltiefe vorhanden ist.
Wie man es glücklicherweise von HABA gewohnt ist, kann man über das Material nur Gutes sagen. Besonders die einzelnen Spielpläne haben mir gut gefallen. Diese kommen als praktisches dünnes Tableau daher. Das verwendete Material unterscheidet sich aber etwas von der Art, die man aus vielen anderen Spielen kennt. Es kommt nämlich nicht glänzend beschichtet daher, so dass dankenswerterweise auch nichts darin spiegelt.
Fazit: MIYABI lässt sich nicht nur mit "Anmut" übersetzen, sondern auch mit "Eleganz". Das passt gut zu diesem eleganten Legespiel. MIYABI hat all das, was man in diesem Genre erwartet. Die Punktewertung hätte ich zwar gerne etwas anders gestaltet gesehen, aber in der Summe überzeugt es mich trotzdem.
Titel | Miyabi |
Autor | Michael Kiesling |
Illustrationen | Studio Vieleck |
Dauer | 45 Minuten |
Spieleranzahl | 2 bis 4 Spieler |
Zielgruppe | verlegende Familienspieler |
Verlag | HABA |
Jahr | 2019 |
Ich bedanke mich bei HABA für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars. Ich bin mir sicher, dass durch diese Bereitstellung meine Meinung nicht beeinflusst wurde. Die Besprechung spiegelt meine gemachte Erfahrung wider.
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