Nach meinem letzten Tête-à-Tête haben sich nun wieder kleine, schnelle Mehrpersonen-Spiele zum Speed-Dating angemeldet. Aus dieser Gruppe fällt ODIN allerdings etwas aus der Reihe: es fehlt im Titel ein Anglizismus und außerdem ist es das einzige Spiel, das keinen Solo-Modus anbietet. Und vielleicht weist ODIN noch ein anderes Alleinstellungsmerkmal auf. Doch bevor der Göttervater um eine heiß begehrte Rose buhlt, dürfen sich vorher SPOTS, COLOUR LINES und HIDDEN STONES präsentieren und ihre Schokoladenseiten zeigen. Und auch wenn ich Schokolade sehr gerne mag, ich achte auch auf deren andere Seiten...
Spots von Jon Perry, Alex Hague und Justin Vickers – erschienen bei Pegasus Spiele
Die Gretchenfrage der heutigen Zeit lautet:
"Nun sag’, wie hast du’s mit dem Haustiere? Hund oder Katz'?"
Diese Frage bewegt die Welt! Über die gegeben Antworten sollen dann übrigens auch Aussagen zur Persönlichkeitsstruktur möglich sein. Und wie steht es mit mir? Soll ich mich trauen, meine Antwort in die weite Welt hinauszuposaunen? Ich weiß nicht. Da leite ich doch lieber schnell zu SPOTS weiter. Wobei das problemlos auch "Dalmatiner" hätte heißen können...
In SPOTS wollen wir sechs Hunde unseres Rudels zum Spielen schicken. Allerdings haben wir anfangs erst zwei davon in unserem Garten – auf Karten. Im Laufe der Partie bekommen diese aber noch Besuch. Manche Körperpartien unserer Hunde zeigen Punkte, die genauso angeordnet sind wie Augen auf einem Würfel. Und siehe da, genau die wollen wir mit Würfeln abdecken. Um das zu tun, wählen wir einen Trick aus einer offenen Auslage, der uns dann meist ermöglicht, Würfel zu werfen. Diese platziere ich anschließend auf die leeren Flecken meiner Hunde. Überzählige Würfel muss ich danach vergraben. Ist dabei die Summe alle vergrabenen Würfel größer als der Wert 7, dann entsteht eine Unruhe und alle meine Hunde schütteln wieder ihre Würfel ab. Deswegen kann ich vorher als Alternative zum Trick ausführen auch Hunde zum Spielen schicken, wenn alle ihre angezeigten Flecken mit Würfeln besetzt sind. Damit sichere ich meine Hunde und es kommen sofort welche zurück in meinen Garten. Habe ich die geforderten sechs Hunde erfolgreich zum Spielen animiert, dann habe ich gewonnen.
Ihr versteht aufgrund des genutzten Vokabulars nur Bahnhof? Dann seid ihr vielleicht ein Katzenliebhaber – oder gehört zu der Fraktion, die auch lieber gewohnte Begriffe für Standard-Aktionen wie "Auftrag erfüllen" und "Aktion aussuchen" nutzt. Das ist aber ein Problem der heutigen Zeit. Immer öfter wird versucht, die Handlungen über das aufgesetzte Thema zu erklären, was sich dann aber kein Hund Mensch so richtig merken kann. Entsprechend heißen in SPOTS übrigens die "Nochmal-Würfeln-Aktionsmarker" passenderweise Leckerlis und kommen als kleine Holzknochen daher. Zumindest diese Funktion konnte ich mir wegen der Niedlichkeit gut merken.
Die Ausstattung von SPOTS ist allerdings zu loben. Die Illustrationen von John Bond empfinde ich persönlich zwar eher als hässlich. Aber das ist Geschmackssache und ich habe schon andere Stimmen gehört. Zumal er mit diesem besonderen Stil durchaus Bekanntschaft erlangt hat. Die Box ist prall gefüllt mit vielen hochwertigen Würfeln, Holzknochen, Hundekarten und vielen unterschiedlichen Tricks als dicke Pappplättchen. Von diesen Tricks stehen uns in einer Partie allerdings nur 6 unterschiedliche zur Verfügung. Bin ich an der Reihe, dann wähle ich einen offenen Trick, führe ihn aus und drehe dann das Plättchen um. Für nachfolgende Personen ist dieser Trick nun gesperrt. Erst wenn nur noch einer offen ausliegt, wird dieser mit einem Leckerli versehen und die anderen Tricks werden wieder auf die aktivierbare Seite umgedreht.
Damit kommen wir aber zum Hauptproblem des Spiels. Ich bin in meinen Entscheidungen arg eingeschränkt. Am liebsten würde ich beispielsweise nur noch einen Würfel werfen, aber dummerweise ist der entsprechende Trick aktuell deaktiviert. Die verbleibenden sind alle so eher semi-optimal, aber ich muss nun einmal einen Trick aufführen. Habe ich dann Pech mit den Würfeln, kann es sein, dass ich alle bisher abgelegten Würfel wieder abgeben muss. Und das nur, weil ich nicht das machen konnte, was ich eigentlich wollte. Im 2‑Personen-Spiel ist das sicherlich weniger strafend, weil ich meist recht gut absehen kann, welche Optionen mir in Zukunft noch bleiben. Aber in Vollbesetzung ist mein Einfluss gering und das mangelnde Angebot kann dann manchmal echt eine Strafe sein. Zusätzlich passiert zwischen meinen Zügen nichts spannendes. Ja, ich kann anderen beim Würfeln zuschauen. Aber moderne Würfelspiele sind meist nicht grundlos so konzipiert, dass ich irgendwie doch noch an den Aktionen der anderen beteiligt bin. In dieser Hinsicht ist SPOTS leider altmodisch.
Somit wundert es vielleicht nicht, dass SPOTS von mir auch keine Rose erhalten wird. Aber das Spiel hatte auch erschwerte Bedingungen, zähle ich mich selbst doch eher zu den Katzenliebhabern.





Spots | Jon Perry, Alex Hague und Justin Vickers | John Bond | 30 Minuten | 1 bis 4 Personen | Pegasus
Colour Lines von Rita Modl – erschienen bei SPIEL DAS!
SPIEL DAS! ist nach meinem Empfinden ein sympathischer Verlag. Denn dort werden in erster Linie Spiele veröffentlicht, die der Verlag selbst redaktionell entwickelt. Damit setzen sie einen Kontrapunkt zu den vielen anderen neuen Verlagen, die lieber lediglich ausländische Spiele auf den deutschen Markt bringen. Dieses Lokalisierungs-Konzept ist natürlich auch völlig in Ordnung und beschert uns die ein oder andere Perle. Aber trotzdem sympathisiere ich damit, wenn Eigenentwicklungen im Zentrum stehen. Und dieser Weg ist sicherlich kein einfacher, weil doch viel dabei gelernt werden muss. COLOUR LINES zeigt aber gut, dass im noch jungen Verlag das Handwerk verstanden wird. Der Spielverlauf ist klar und flüssig, die Anleitung ist knapp und gut verständlich und die Variante sowie der Solo-Modus zeigen, dass sich intensiv mit dem Spiel auseinander gesetzt wurde.
COLOUR LINES hat allerdings das Problem, dass es wenig Neues bietet. Alles funktioniert gut, aber das Gebotene bleibt nicht als Erlebnis haften. Eine Verbrettspielung von Snake ist jetzt auch kein grandios neuer Gedanke und wurde vor kurzem schon eher mäßig (SSSNAKE) aber auch sehr ansprechend umgesetzt (GET ON BOARD). Natürlich kommt aber COLOUR LINES auch mit eigenen Ideen daher. So haben wir nun zwei Schlangen, die wir auf den beiden Seiten unseres Spielplans nach oben, unten, rechts und links bewegen. Dabei können wir noch eine Mittellinie kreuzen und unterschiedliche farbige Bereiche durchwandern. All das vor dem Hintergrund, dass wir dafür am Ende mit Punkten belohnt werden.
Wie wir unsere Linien fortsetzen, das bestimmen Würfel. Ein Pärchen für die linke Seite, ein anderes Pärchen für dir rechte Seite. Und einen fünften Würfel dürfen wir frei für die eine oder die andere Linie nutzen. Das beschränkt uns natürlich, lässt uns aber auch genügend Freiheitsgrade um echte Entscheidungen zu treffen. Und weil die geworfenen Würfel für alle Mitspielenden gelten, hadern wir gleichermaßen über die ungerechten Zufälligkeiten der Würfel.
Ich persönlich bevorzuge bei Zettelspielen, bei denen ich Strecken oder Flächen auf einen Plan einzeichne, mittlerweile Karten anstatt Würfel. Aber bei COLOUR LINES fühlt sich das Würfeln genau richtig an. Bei diesem Thema erwarte ich kein planvolles Agieren, sondern ich will mich zufälligen den Herausforderungen stellen. Das passt also gut.
Trotzdem bleibt das Empfinden, das alles schon einmal gesehen und erlebt zu haben. COLOUR LINES fehlt das Besondere, um nachhaltig zu wirken. Es besetzt keinen neuen Platz und hat es deswegen schwer, einen heiß umkämpften Regalplatz zu ergattern. Für eine Rose reicht es demnach nicht.




Colour Lines | Rita Modl| Christian Schaarschmidt | 15 Minuten | 1 bis 5 Personen | SPIEL DAS!
Hidden Stones von J. Evan Raitt – erschienen bei Piatnik
HIDDEN STONES ist eine Lokalisierung von SHIFTING STONES, welches schon 2020 bei Gamewright erschienen ist. Bei mir ploppt nun die Frage auf, warum aus "wandernden" denn "verborgene" Steine wurden. Wahrscheinlich klingt hidden schöner und die Bedeutung ist etwas bekannter. Allerdings beschreibt shifting besser, was im Spiel passiert.
Denn in HIDDEN STONES liegen 9 Bildtafeln in einem 3*3‑Raster aus. Diese zeigen in bunten Farben Steinreliefs und haben eine Besonderheit: auf der Rückseite ist eine andere klar zugeordnete Farbe abgebildet. Wenn ich die gelbe Sonne sehe, dann weiß ich, dass die Rückseite den schwarzen Mond zeigt. Unser Ziel ist es, eine Anordnung dieser Steine herzustellen, die auf einer unserer vier Handkarten abgebildet ist. Dafür müssen wir sehr wahrscheinlich im Vorfeld entweder zwei direkt nebeneinanderliegende Steine tauschen oder aber einen beliebigen Stein umdrehen. Für jede dieser möglichen Aktionen müssen wir allerdings eine Handkarte abwerfen. Eine dritte Aktionsmöglichkeit besteht darin, eine Karte einzulösen und die darauf abgebildeten Punkte zu gewinnen. Am Ende meines Zuges ziehe ich wieder auf vier Karten nach. Alternativ kann ich allerdings auch auf Aktionen verzichten und stattdessen zwei zusätzliche Karten vom Nachziehstapel ziehen.
Dementsprechend einfach und zugänglich ist HIDDEN STONES. Strategisches Denken ist nicht gefragt, wir müssen uns taktisch auf die immer neuen Gegebenheiten einstellen. Denn so wie die Auslage am Ende meines Zuges noch aussah, wird sie sich wahrscheinlich nicht mehr präsentieren, wenn ich wieder an der Reihe bin. In der Zwischenzeit haben die Mitspielenden dann die Steine bestimmt geschoben und gewendet und nichts passt mehr – oder aber ich kann glücklich eine Karte erfüllen, weil auf einmal die Auslage perfekt zu meinen Karten passt. Glück und Pech sind ein ständiger Begleiter bei HIDDEN STONES.
Aufgrund der Kürze einer Partie kommen mit diesem Zufallsfaktor aber meist alle sehr gut klar. Natürlich wird nach jeder Aktion gezetert und geflucht, aber auch freudig gejohlt, wenn auf einmal plötzlich die richtige Farbe an der richtigen Stelle liegt. HIDDEN STONES kann somit emotional sein – sofern es nicht tot gedacht wird. Wenn eine Person am Tisch sitzt, die alle Optionen genau analysieren will, dann kann sich eine Partie wie Kaugummi ziehen. Denn wenn alle vier (oder im schlimmsten Fall auch sechs) Handkarten auf ihre Erfüllbarkeit untersucht und alle möglichen Kombinationen durchgerechnet werden wollen, dann kostet das Denkzeit. Und ich selbst kann in dieser Zeit nichts machen. Schließlich kann ich kaum abschätzen, wie sich die Auslage darstellt, wenn ich wieder am Zug bin. Das ist im 2‑Personen-Spiel nicht so ausgeprägt, aber in Runden mit fünf Mitspielenden ist die Downtime zwischen meinen Zügen oftmals zu lange.
Die Aufmachung von HIDDEN STONES finde ich sehr gelungen. Die Steinkarten haben eine handschmeichelnde Struktur und zusätzlich können auch farbfehlsichtige Menschen problemlos mitspielen. Außerdem gefallen mir die Reliefs auch optisch sehr gut. Die Anleitung lässt keine Fragen offen und fügt sich in den stimmigen Rahmen ein. Das Insert ist übrigens auch clever gewählt, kaschiert es doch recht erfolgreich, wie viel Luft sich eigentlich in der Box befindet. Da diese jetzt aber trotzdem keine Übergröße besitzt, kann ich das noch ganz gut verkraften.
Allerdings reicht das Gesamtpaket nicht ganz für eine Rose. Das Spielgefühl ist auf Dauer zu wiederholend und schon nach drei-vier Partien hatten wir das Gefühl, alles gesehen und erlebt zu haben. HIDDEN STONES ist sicherlich ein stimmiger Appetizer oder Absacker für einen Spieleabend – für eine langfristige Beziehung ist mir das aber zu wenig.




Hidden Stones | J. Evan Raitt | Kwanchai Moriya | 15–20 Minuten | 1 bis 5 Personen | Piatnik
Odin von Gary Kim, Hope S. Hwang und Yohan Goh – erschienen bei Helvetiq
Was hat dieses Kartenspiel mit Wikingern zu tun? Die Anleitung klärt vorbildlich auf: nichts! Aber dem Verlag gefällt das Thema und die Möglichkeit schöner Illustrationen, so dass man es genutzt hat. Danke für die Ehrlichkeit! Zumal ich die Entscheidung gut nachvollziehen kann und somit auch meinen Frieden mit dem Nicht-Thema machen kann. Zumal glücklicherweise der Versuchung widerstanden wurde, die Spielmechanik über das aufgestülpte Thema erklären zu wollen.
ODIN könnte man als kleinen Bruder von SCOUT bezeichnen. Wir versuchen unsere Handkarten los zu werden, da diese Minuspunkte sind. Dafür spielen wir einzelne Karten oder Kombinationen aus, um die ausliegenden Karten zu übertrumpfen. Und wir nehmen auch Karten wieder zu uns auf die Hand. Allerdings gibt es doch einige entscheidende Unterschiede. Zum Beispiel können wir die Karten auf unserer Hand sortieren, wie wir das wollen. Dann bilden die ausgespielten Karten immer nur eine Zahl, der es egal ist, ob das nun eine Straße ist oder nicht. So kann die 9−7−3 problemlos die ausliegende 6−5−4 übertrumpfen. Ausgespielt werden dürfen allerdings nur Karten einer Farbe oder aber eines Wertes (wobei die 8−8−8 immer noch eine kleinere Zahl ist als die 9−7−3). Dabei gibt es aber noch zwei Besonderheiten zu beachten: Immer, wenn ich eine andere Kombination übertrumpfe, muss ich eine Karte davon auf meine Hand nehmen – auch dann, wenn ich die blaue 1 überhaupt nicht gebrauchen kann. Zusätzlich darf ich immer nur so viele Karten oder eine mehr ausspielen, wie gerade ausliegen. Meine tolle Fünfer-Kartenkombination bringt mir also erst dann etwas, wenn in der Mitte schon vier oder fünf Karten liegen. Zur Not muss ich diese also aufsplitten, um Handkarten los zu werden.
Weil in ODIN nicht unterschieden werden muss, ob nun eine Straße oder Trippel wertvoller als die andere Kombination ist, können auch jüngere Kinder schon sehr gut ODIN mitspielen. Es muss lediglich ein grundsätzliches Zahlenverständnis vorhanden sein. Alle weiteren Ausspielregeln werden ausreichend von den Mitspielenden überwacht. Somit konnte ich ODIN schon in Gruppen spielen, die mit anderen Spielen dieser Art schon überfordert gewesen wären.
Die Karten haben das typisch untypische Helvetiq-Format, was beim Mischen negativ auffällt. Aber zumindest können wir die Karten beidseitig auffächern und die Illustrationen von Crocotame sind einfach herzallerliebst. Noch schöner wäre es aber gewesen, wenn am unteren Rand auch nochmals die Kartenwerte zu sehen wären.
Ich könnte jetzt ähnlich wie bei COLOUR LINES und HIDDEN STONES argumentieren, dass ODIN zu wenig Neues bietet. Allerdings empfinde ich das nicht so. In meinen Augen füllt ODIN eine Lücke, da es gut für Menschen als Einstieg dienen kann, die dann in der weiteren Entwicklung zu SCOUT oder KRASS KARIERT greifen können. Vielleicht fehlt ODIN der eine kleine geniale Kniff, um in der obersten Kartenspiel-Liga mitzuspielen. Eine Rose hat es sich aber auf alle Fälle verdient!


Odin | Gary Kim, Hope S. Hwang und Yohan Goh | Crocotame | 15 bis 20 Minuten | 2 bis 6 Personen | Helvetiq
Hinweis: für die Besprechung wurden von den Verlagen Rezensionsexemplare zur Verfügung gestellt
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