Carnival of Monsters von Richard Garfield – erschienen bei AMIGO
Mist, das habe ich zeitlich ziemlich verbockt! Noch vor drei Tagen hätte ich die perfekte Einleitung haben könne. Kamelle, Karneval, Monster auf Straßen und et hätt noch immer jot jejange. Nun habe ich aber den optimalen Zeitpunkt verpasst und somit auch keine vernünftige Einleitung zu CARNIVAL OF MONSTERS zu bieten. Man merkt schon, dass ich zwar in einer Fastnachtshochburg geboren bin, aber nun in einer narrhallesischen Ödnis lebe.
Thema... ist nur ein ganz klein wenig an den Haaren herbeigezogen. Schließlich hat doch schon jeder von der Königlichen Monstrologische Gesellschaft gehört, in die wir unbedingt aufgenommen werden wollen. Damit wir dafür ein heißer Kandidat werden, jagen wir ein Jahr lang Monster in unbekannten Ländern und bewerben uns mit deren Einfang um den alljährlichen freien Platz in dieser illustren Gesellschaft. Wenn man nun die Königlichen Monstrologische Gesellschaft mit KMG abkürzt und wiederum weiß, dass diese Abkürzung auch von der Karl-May-Gesellschaft genutzt wird, dann hat man eine Ahnung, wie der Hase (oder das Killer-Kanninchen) läuft. Denn so ganz mit der Wahrheit hat es der gute Karl auch nie gehabt – und trotzdem (oder deswegen) habe ich seine Bücher als Kind geliebt.
Illustrationen… sind von einer ganzen Schar von Meistern ihren Faches: Franz Vohwinkel, Dennis Lohausen , Michael Menzel, Claus Stephan, Martin Hoffmann, Oliver Schlemmer und Loïc Billiau. Somit ergibt auch das Thema Sinn, da alle bestimmt gerne mal ein paar Monster malen wollten. Damit das aber nicht zu viel Durcheinander gibt, sind die Aufgaben klar verteilt. Jeder Illustrator hat sich einem bestimmten Landschaftstyp und deren monsterhaften Bewohner widmen müssen. Michael Menzel hat sich bspw. um den Wald gekümmert und Oliver Schlemmer um den tiefen Ozean. So ist die Gesamtgestaltung in sich erstaunlich stimmig.
Ausstattung… wenn schon so viele Illustratoren beteiligt waren, müssen die auch was zu tun bekommen. Bekamen sie auch, wie die 240 Karten in der Box beweisen. Zusätzlich sind noch fünf Spielertableaus, ein großer und unnötiger Spielplan, ein Punkteblock, einige Jägermarker sowie drei Jägerwürfel enthalten – und sage und schreibe 108 (!) Goldkronen. Warum ich letzteres betone? Weil man im Spiel schon froh ist, wenn man mehr als fünf besitzt.
Ablauf… CARNIVAL OF MONSTERS ist ein klassisches Drafting-Spiel mit dem ein oder anderen Kniff. Allerdings ist es auch ein Spiel von Richard Garfield, der bekanntlich Schöpfer von MAGIC: THE GATHERING ist. Und so lässt sich auch in CARNIVAL OF MONSTERS das ein oder andere magische Element wiederfinden. Ziel ist es, Monster zu jagen. Damit das möglich ist, muss man vorher passende Landschaften ausspielen, die man dann bei der erfolgreichen Jagd, also dem Ausspielen Monster, aktiviern muss (manch einer würde "tappen" sagen).
Und wie kommt man die Monster- bzw. Landschafts-Karten? Hier kommt das Drafting ins Spiel. Denn aus der anfänglichen Starthand sucht man sich eine Karte aus und gibt den Rest weiter. Das macht man so lange, bis alle Karten ausgespielt wurden. Neben Monster und Landschaften kann man auch Helfer ausspielen und Sofort-Aktionen. Für Helfer muss man dummerweise etwas zahlen, währen man bei den Sofort-Aktionen meist etwas bekommt. Es sind aber auch noch geheime Ziele für die Endabrechnung im dicken Kartensatz. Diese schiebt man in sein Zwischenlager, was man übrigens auch mit allen anderen Karten machen kann. Unglücklicherweise kostet das Zwischenlagern Geld.
Das ist besonders deswegen unbeliebt, weil am Ende der Runde es passieren kann, dass man zwangsweise Karten einlagern muss. Meist passiert dass dann, wenn man keine Landschaften besitzt, um die entsprechenden Monster zu besiegen und somit ausspielen zu können. Bei CARNIVAL OF MONSTERS kann man nämlich nicht einfach Karten wegschmeißen, sondern man muss diese zur Not gegen Bezahlung einlagern. Und hat man dafür kein Geld mehr, dann muss man sich einen Kredit nehmen, der am Spielende dafür sorgt, dass man wieder Siegpunkte verliert.
Besiegte Monster kommen übrigens immer erst in eine Art Zwischenlager. Am Ende jeder der vier Runden muss man für die besonders gefährlichen Monster Jägermarker abgeben (die sinnigerweise als Kiste dargestellt sind). Hat man keine davon sammeln können, kann man noch auf die Jägerwürfel hoffen, die zusätzliche Kisten für alle zur Verfügung stellen. Hat man sich dann immer noch nicht ausreichend geschützt, kann man wieder Geld zahlen – was meist damit endet, dass man sich weitere Kredite einhandelt.
Das gefällt mir nicht so gut: CARNIVAL OF MONSTERS kann ziemlich unausgewogen sein. Das Problem ist, dass das zur Verfügung stehende Kartendeck in keinster Weise an die Spieleranzahl oder die einzelnen vier Spielrunden angepasst wird. Es stehen einem immer alle Karten zur Verfügung. Wenn diese unglücklich verteilt sind, dann kann es Runden geben, in denen zwar massig Monster auf der Hand sind, aber keine Landschaften. Oder natürlich kann es genauso gut andersherum laufen. Man hat nun eine Menge Landschaften ausliegen, aber es kommen partout keine Monster vorbei.
Noch zufälliger wird es, dass jede Runde (= Saison) unter einem bestimmten "Motto" steht. Dabei gibt es Boni, wenn man bestimmte Monster jagt. Allerdings kann man sich weder darauf einstellen, weil diese Saisonkarten zufällig und geheim bestimmt werden, noch kann man das irgendwie steuern. Was bringt es einem, wenn man ganz viele Wasserlandschaften ausliegen hat und dann in der "Saison der Tiefsee" kein entsprechendes Monster im Umlauf ist? Natürlich könnte man noch entsprechende Monster zwischenlagern, aber das ist dann halt eine Wette, die nur bedingt aufgehen wird und mit den entsprechenden Kosten verbunden ist. Alles in allem wäre es schön gewesen, wenn hier ein wenig mehr redaktionelle Arbeit geleistet worden wäre und der komplette Kartensatz strukturiert wäre. Vorbilder dazu gibt es bei anderen Drafting-Spiele genug (spontan fällt mir 7 WONDERS oder NEOM ein).
Und wo ich schon dabei bin, redaktionelle Entscheidungen zu kritisieren. Wer kam eigentlich auf die Idee, den Wertungsblock horizontal auszurichten? Erst dachte ich, dass nur ich ein Problem mit dieser Ausrichtung der Summenbildung habe. Aber mein Nachfragen bei verschiedenen Gruppen war da eindeutig: alle hätten sich lieber eine vertikale Ausrichtung gewünscht. Auch die vielen Geldstücke verwirren. Gab es wirklich in den Testpartien eine große Anzahl an Partien, die eine solche Inflation an Geldmarkern vonnöten gemacht hat? Hier hätte ich mir stattdessen viel lieber Marker gewünscht, die anzeigen, ob ich eine Landschaft schon genutzt habe oder nicht. Die Anleitung rät zwar zur entsprechenden Anzeige, dass erfolgreich gejagte Monster daneben gelegt werden sollen, was aber einen vermeidbaren Platzbedarf zur Folge hat. Wir drehen lieber die genutzten Landschaften. Allerdings wären für die Anzeige eigene Länder-Marker hilfreicher und man hätte auch den Platz auf den Stanztableaus noch sinnvoll genutzt anstatt unnötig Geldmarker ins Spiel zu bringen. Diese sorgen nur für eine Überfüllung des nett gedachten, aber in Konsequenz eigentlich unnötigen Spielplans. Kein Problem habe ich übrigens mit den dünnen Spielertableaus, denn die finde ich angenehmer als welche aus dicker Pappe. Auch mit wiederkehrenden Rechtschreibfehler auf den Karten kann ich gut leben, schließlich baue ich selbst genug davon in meine Texte ein.
Das gefällt mir gut: CARNIVAL OF MONSTERS erfindet das Drafting-Genre nicht neu – aber das muss es auch gar nicht. Für mich füllt es gut eine Lücke zwischen DIE HOLDE ISOLDE und 7 WONDERS als familientaugliches Drafting-Spiel, was in überschaubarer Zeit gespielt ist. Aus diesem Grund hätte ich mir allerdings gerne eine etwas familienfreundlichere Themenwahl und Gestaltung gewünscht. Nicht falsch verstehen, mir gefallen die Illustrationen gut, nein sogar sehr gut. Aber für ein gemeinsames Spiel mit Kindern hätte es auch gerne etwas weniger gruselige Monster getan. Die manchmal vernommene Kritik an den Illustrationen kann ich übrigens nicht ganz nachvollziehen. Vielleicht liegt diese aufkommende Kritik ein wenig an der Entstehungsgeschichte von CARNIVAL OF MONSTERS. Das war von Seiten von AMIGO als Crowdfunding-Projekt gestartet, damit man renommierte MAGIC-Illustratoren einbinden konnte. Im Endeffekt ist daraus nicht geworden, womit nun "nur" heimische Künstler mit der Gestaltung beauftragt wurden. Vielleicht bin ich zu sehr europäisch geprägt, aber mit gefallen die aktuellen Illustrationen wesentlich besser als "typische" MAGIC-Monster. Zumal ich es beeindruckend finde, wie sehr sich mancher Künstler einerseits für ein gemeinsames Erscheinungsbild von seinem bekannten Stil gelöst hat, dabei aber andererseits noch seine Handschrift zu erkennen ist. Zusätzlich wirkt das Gesamtprodukt nicht zusammen gestückelt, sondern kommt klar und übersichtlich daher.
Der Glücksanteil von CARNIVAL OF MONSTERS ist hoch, aber in meinen Augen trotzdem noch verkraftbar – zumal damit alle Beteiligten zurecht kommen müssen. Vor allem die Monsterbekämpfung mit den Würfeln kann ganz schön die Emotionen hoch kochen lassen. Allerdings darf man sich davon nicht blenden lassen. Auch wenn man Kredite nehmen muss, um ausbleibende Käfige bezahlen zu können, so sind gefährliche Monster immer noch äußerst siegpunktbringend.
Sehr gut gefällt mir der Kniff, dass man immer alle Karten nehmen muss. Dadurch entwickelt sich ein unterschiedliches Spielgefühl innerhalb der einzelnen Drafting-Phasen. Anfangs hat man eher die Qual der Wal, welche der Karten man unbedingt behalten will und welche man den Mitspielern gönnt. Später ändert sich die Qual dahingehend, dass man unnötige Karten in seinem Zwischenlager vermeiden will. Oder aber man schaut zum Nachbarn und überlegt sich, welche Karten dieser am wenigsten gebrauchen kann. Auf alle Fälle sind somit auch am Ende der Drafting-Phase durchaus noch interessante Entscheidungen zu treffen.
Die unterschiedlichen Geheim-Ziele sind ebenfalls ein schönes Element. Diese geben einem Orientierung für die eigene Spielweise. Allerdings sind sie auch recht unterschiedlich aufgebaut, so dass auch andere Spielweisen gefördert werden. Zusätzlich macht es Spaß, darauf zu spekulieren, wer vielleicht welche Zielkarte aufgenommen hat. Habe ich am Anfang einer Runde mit einer bestimmten geliebäugelt, diese aber auf den späteren Zugriff verschoben, kann es sein, dass diese gar nicht mehr wieder bei mir ankommt. Dann muss die ja jemand genommen haben. Und kann ich dieses Wissen nutzen, um dieser Person vielleicht ein paar Gemeinheiten zukommen zu lassen? Mein Lieblings-Ziel ist übrigens die "zweite Reihe", die schon für manch eine Überraschung am Ende gesorgt hat.
Recht gut gefällt mir übrigens auch die 2‑Personen-Variante, die auch in dieser Konstellation eine gewisse Kartendynamik aufrecht erhält. Trotzdem macht CARNIVAL OF MONSTERS sicherlich in größerer Runde mehr Spaß, auch weil dann sicher gestellt ist, dass genügend Karten im Umlauf sind.
Fazit: "Achtung wild – hier kommt der Jägermeister!" So einen Untertitel hätte ich mir gut vorstellen können. Aber AMIGO hat leider darauf verzichtet. Trotzdem hat der Verlag schon Mut gezeigt, denn schließlich ist CARNIVAL OF MONSTERS ein eher untypische Spiel im Vergleich zum bisherigen Portfolio. Gestaltung und Thema sind erwachsener und auch die typische rote Banderole fehlt auf dem Cover. Ich hoffe, dass AMIGO für diesen Mut belohnt wird. Denn CARNIVAL OF MONSTERS ist ein gutes Drafting-Spiel im Grenzbereich zwischen Familien- und Kennerspiel, was gerne den Anfang einer neuen Stoßrichtung im Verlag sein darf.
Titel | Carnival of Monsters |
Autor | Richard Garfield |
Illustrationen | Franz Vohwinkel, Dennis Lohausen, Michael Menzel, Claus Stephan, Martin Hoffmann, Oliver Schlemmer, Loïc Billiau |
Dauer | 30 bis 45 Minuten |
Spieleranzahl | 2 bis 5 Spieler |
Zielgruppe | angehende Kennerspieler |
Verlag | Amigo |
Jahr | 2019 |
Ich bedanke mich beim AMIGO Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars. Ich bin mir sicher, dass durch diese Bereitstellung meine Meinung nicht beeinflusst wurde. Die Besprechung spiegelt meine gemachte Erfahrung wider.
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