Die Tavernen im tiefen Thal: Zimmer frei von Wolfgang Warsch – erschienen bei Schmidt Spiele
Heute nun der finale Teil meines Erweiterungs-Tripple. Nach dem Speed-Dating mit vielen kleinen Fortsetzungen und den Storys 3 & 4 von ORLEANS STORIES ziehe ich mich heute in das obere Stockwerk von DIE TAVERNEN IM TIEFEN THAL zurück – schließlich war dort noch ein Zimmer frei! Warum oberes Stockwerk? Wenn man sich die Cover-Illustrationen genau anschaut, dann erkennt man, dass wenn man die Box der Erweiterung nahtlos auf die Box des Basisspiels stellt ein gemeinsames Bild erschaffen wird. Sollte eine zweite Erweiterung erscheinen, wird es wahrscheinlich in den Keller gehen – oder in den angrenzenden Stall (für das Weihnachts-Special).
Thema... in der Gastronomie hat man es nicht leicht. Jeden Tag muss man präsent sein und dann hört man wahrscheinlich immer die gleichen Geschichten der Stammgäste. Beim eintönigen Gläser Polieren träumt man sicherlich davon, wie wohl so ein Leben mit einem eigenen Grand Hotel aussähe. Geträumt, gemacht: das obere Stockwerk wird ausgebaut und man hat dort nun Zimmer für den Adel vorgehalten. Zusätzlich genießt der Adel bestimmt auch lieber einen edlen Rotwein statt Gerstensaft und Schnaps, weswegen auch ein Weinkeller eingerichtet wird. Scheinbar sind diese Maßnahmen erfolgreich, denn auf einmal mischt man in der Politik mit. Da insbesondere im dörflichen Leben Nehmen und Geben angesagt zu sein scheint, will man auf einmal Aufträge erfüllen, um Belohnungen zu erhalten und die Bürgermeisterin als Gast begrüßen zu dürfen.
Illustrationen… sind glücklicherweise wieder von Dennis Lohausen – und damit ist eigentlich alles gesagt. Der bekannte Stil bleibt erhalten und somit auch die gute Symbolsprache sowie die ein oder andere versteckte Anspielung, die uns zum Schmunzeln bringt.
Ausstattung… ist wieder sehr kleinteilig, aber auch durchdacht. Es wurde nicht nur das Cover um ein Stockwerk erweitert, sondern auch das jeweilige persönliche Tableau. Zusätzlich gibt es nun wieder optionale Anbauten in Form eines Privatgemaches und eines Weinkellers. Außerdem sind eine Menge neuer Karten und sogar ein paar Holzwürfel als Weinanzeiger in der Box. Für das Politik-Modul gibt es Auftrags-Marker und ‑Plättchen, die stylisch durch einen cleveren Rahmen zusammengehalten werden.
Ablauf… schon das Basisspiel beinhaltet vier unterschiedliche Module. Mit der gleichen Anzahl ist nun auch ZIMMER FREI ausgestattet:
Modul A bringt Weinkeller ins Spiel sowie zugehörige Sommeliers (und endlich übrigens auch Quacksalber). Über die Sommeliers legt man von rechts nach links Weinmarker auf die Tisch-Gäste und kann diese somit auch ohne zugehörigen Würfel aktivieren.
Modul B nutzt dahingegen die neuen Räume des Obergeschosses. Die erste Adelige, die im eigenen Zug aufgedeckt wird, setzt sich nicht an einen Tisch, sondern belegt eines der vier möglichen Zimmer. Dadurch wird dann später eine zusätzliche Bonusaktion in Abhängigkeit eines genommenen Würfels frei geschaltet.
Modul C sorgt für mehr Individualität. Schon im Basisspiel gab es das Modul mit den unterschiedlichen Startvoraussetzungen. Nun erhalten mit Modul C alle Mitspielenden eigene Wirts-Plättchen mit besonderen Fähigkeiten. Bspw. wird das alte Gästebuch gegen ein besseres ausgetauscht oder eine neue Rufleiste ist nun deutlich mächtiger.
Modul D bringt dahingegen Aufgaben ins Spiel. Erfüllt man eine davon, erhält man eine einmalige Belohnung. Erfüllt man gar alle drei, dann darf man die Bürgermeisterin als zukünftigen Gast erwarten.
Das gefällt mir nicht so gut: das Grundspiel besitzt ein paar Aspekte, mit denen ich nicht ganz glücklich wurde. Leider werden meine Kritikpunkte (Abhängigkeit zu Beginn von bestimmten Würfelwerten, Drafting-Mechanismus greift erst spät, einseitige Würfelanpassung...) durch die Erweiterung nicht für alle beseitigt. Man kann es positiv formulieren: der Charakter von DIE TAVERNEN IM TIEFEN THAL bleibt unverändert. Wer damit ein grundsätzliches Problem hat, wird durch die Erweiterung nicht auf einmal Fan des Spiels. ZIMMER FREI ist somit definitiv für eine andere Gruppe, die Fans, gedacht.
Diese Zielgruppe stört sich dann bestimmt auch nicht an den nun nochmals erhöhten Platzbedarf. Man braucht schon einen großen Tisch, wenn man DIE TAVERNEN IM TIEFEN THAL zu viert mit allen Modulen spielen will. Damit einher geht oftmals die Schwierigkeit, einen Überblick über alle Optionen zu behalten. Schon das eigene Gasthaus ist nun überbordend voll – was bei den anderen passiert, habe ich selten im Blick. So kann es auch passieren, dass man Teile der eigenen Optionen vergisst. Wenn ich bspw. den Wirt mit den Schuldscheinen spiele, dann besteht bei mir immer die Gefahr, dass ich nicht am Anfang der Runde an diese Schuldscheine denke. Mit noch mehr Übung denke ich vielleicht auch automatisch daran, aber bei den ersten Partien mit ZIMMER FREI hatten einige das Gefühl, dass sie nicht alle Möglichkeiten komplett ausgenutzt haben, weil sie diese zwischenzeitlich aus dem Blick verloren hatten.
Ebenfalls ist die Verstauung des ganzen Spielmaterials eine Herausforderung. Ich besitze mittlerweile ein passendes Insert – aber hauptsächlich auch deswegen, weil ich vorher schier verrückt geworden bin, alles vernünftig zu ordnen und zu sortieren. Durch die vielen unterschiedlichen Module ist es eine wahrhafte Herausforderung, die ursprünglich angebotenen Zipp-Tüten sinnvoll zu füllen. Das war schon im Basisspiel ein kleiner Kampf und wird durch die zusätzlichen Komponenten von ZIMMER FREI nicht übersichtlicher – zumal in fast allen Modulen immer zwischen eigenem und allgemeinen Material unterschieden werden muss.
Das gefällt mir gut: Der große Vorteil an modularen Erweiterungen ist, dass man sich aussuchen kann, mit welchen Elementen man spielen will und welche man lieber außen vor lässt. Beim Basisspiel verzichten wir bspw. gerne mal auf das Gästebuch, weil es vor allem einen zusätzlichen Verwaltungsaufwand mit sich bringt. Bei ZIMMER FREI sind wir aber recht schnell dazu übergegangen, immer alle vier Module mit ins Spiel zu nehmen. Denn alle haben einen großen Vorteil: sie verlängern kaum die Spielzeit. Okay, durch die mehr werdenden Optionen dauert vielleicht die Zeit zum Überlegen etwas länger, aber trotzdem bleiben DIE TAVERNEN IM TIEFEN THAL noch ein zügig zu spielendes Spiel.
Modul C (die unterschiedlichen Wirte) sorgt dafür, dass am Anfang schon unterschiedliche Richtungen eingeschlagen werden, so dass sich nicht alle die gleichen Würfelwerte erhoffen. Ansonsten ist der zusätzliche Aufwand gering, erhöht aber ungemein die Varianz. Mit diesem Modul gibt es nun ziemlich viel zu entdecken und wie so oft will man gerne alle unterschiedlichen Variationen einmal ausprobieren.
Modul A (Weinkeller) ist schnell verinnerlicht und erhöht nochmals die Emotionen. Denn nun zittert man noch mehr, welche Gäste die letzten freien Plätze im Gastraum einnehmen werden. Wird es einer meiner Stammgäste sein oder ein Gast, der die super-duper-Aktion mit sich bringt?
Modul B (Gästezimmer) ist ebenfalls ein Emotionenverstärker. Denn durch die Belegung eines Zimmers wette ich indirekt auf die folgenden Würfelwerte. Zusätzlich erhöht sich somit die Möglichkeit, mehr unterschiedliche Gäste im eigenen Haus zu bewirten.
Modul D bringt einen dahingegen in Versuchung. Eigentlich will man ja nun dieses oder jenes machen. Aber vielleicht mache ich doch lieber einen Schlenker, um damit einen Auftrag zu erfüllen. Dabei reizen einerseits die Belohnungen, andererseits ist aber auch die Bürgermeisterin-Karte nicht zu unterschätzen. Allerdings sollte man aufpassen, dass man nicht seine ganze Strategie über den Haufen wirft und alles diesen Aufträgen unterordnet. Oder anders gesagt: es lohnt sich, die Strategie an die Aufträge auszurichten. Aufgrund der doppelseitig bedruckten Tafeln steckt übrigens auch in diesem Modul eine hohe Varianz.
All diese Module haben in unseren erfahren Tavernen-Runden gut gezündet und den Spielspaß erhöht. Für mich ist es auch nachvollziehbar, dass diese Module noch nicht im Basis-Spiel vorhanden sind, weil man doch eine gewisse Spielerfahrung benötigt bzw. ansonsten schnell von den vielen Optionen überfordert wird – es ist ja nicht so, als dass DIE TAVERNEN IM TIEFEN THAL bisher eindimensional gewesen wären.
Über allem steht in meinen Augen übrigens die gelungene Gestaltung. In jeder kleinen Spielpause betrachte ich völlig losgelöst vom Spielgeschehen gerne die einzelnen Komponenten. Insbesondere das Spiel mit dem Licht fasziniert mich jedes Mal aufs Neue. Es ist jedenfalls absolut nachvollziehbar, dass DIE TAVERNEN IM TIEFEN THAL mit dem Graf Ludo ausgezeichnet wurden – und die Erweiterung steht dem keinesfalls nach. Selbst für die Elemente, die vielleicht nicht benutzt werden, wurde eine überzeugende Form der Gestaltung gefunden.
Fazit: Noch immer bin ich etwas ambivalent, wenn es um die DIE TAVERNEN IM TIEFEN THAL geht. Mir schafft das Spielen durchaus Befriedigung und ich fühle mich herausgefordert. Allerdings habe ich beim Spielen weiterhin das dumpfe Gefühl, dass das eigentliche Potenzial nicht vollends ausgeschöpft wurde. Die ZIMMER FREI Erweiterung packt nun zwar neue und gelungene Aktionsmöglichkeiten hinein, fasst aber leider nicht die Problempunkte an, die mich stören. Das liegt vielleicht daran, dass diese nur mich stören – und eine Erweiterung hauptsächlich für die Fans des Basisspiel gemacht sind, die diese Kritikpunkte so nicht sehen.
Titel | Die Tavernen im Tiefen Thal: Zimmer frei |
---|---|
Autor | Wolfgang Warsch |
Illustrationen | Dennis Lohausen |
Dauer | etwa 60 bis 90 Minuten |
Personenanzahl | 2 bis 4 Personen |
Zielgruppe | weintrinkende Kennerspielrunden |
Verlag | Schmidt Spiele |
Jahr | 2021 |
Hinweis | für die Besprechung wurde vom Verlag ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt |
Kommentar hinzufügen