Die SPIEL in Essen steht vor der Tür. Da hat kaum noch jemand Zeit in Ruhe etwas über Spiele zu lesen. Somit mache ich nun aus der Not eine Tugend. Sprich: es ist mal wieder Zeit für ein Speed-Dating. Während der Großteil aktuell im Neuheiten-Wahn zu sein scheint, kümmere ich mich dahingegen heute lieber nur um Erweiterungen bzw. Fortsetzungen bekannter Reihen. Ich beginne mit WILDES WELTALL: ALIENS, gehe weiter zur Staffel 5 des SHERLOCK-Systems, schaue mir dann DIE PIRATENINSEL aus der DECKSCAPE-Reihe und ende im staubigen Wilden Westen auf der Suche nach dem Ausgang mit DIE ENTFÜHRUNG IN FORTUNE CITY. Wird das eine wilde Reise? Bestimmt! Aber das ist doch ein gutes Vorprogramm zur SPIEL, oder? Denn auch dort vermischen sich die unterschiedlichsten Spiele auf engstem Raum. Und auch dort kommt es leider viel zu oft zu einem Speed-Dating, da man gar nicht die Zeit hat, alles anzuspielen, worauf man gerade Lust hätte.
Wildes Weltall: Aliens von Joachim Thôme – erschienen bei Board Game Circus
Hilfe, die Aliens kommen! Doch ist da wirklich ein Hilferuf notwendig? Würde man jetzt UNDER FALLING SKIES spielen, dann sicherlich schon. Aber bei WILDES WELTALL: ALIENS sieht das ganz anders aus. Denn bei dieser Erweiterung zu WILDES WELTALL freut man sich viel mehr über die Aliens, da diese einige zusätzliche Siegpunkte generieren können.
Also versucht man als zusätzliche Aktion im Spiel Aliens anzuheuern. Davon liegen zusätzlich zum normalen Aufbau immer drei offen aus. Allerdings darf man sich diese nicht einfach so nehmen, sondern muss sie mit blauen Quarz Kristallen bezahlen. Somit bekommt WILDES WELTALL eine neue Ausrichtung. Neben Karten-Management muss nun auch ein wenig Ressourcen-Management betrieben werden.
Doch keine Angst, dieses neue Element ist eher begleitend und ändert nicht wirklich den Charakter des Spiels. Denn die blauen Quarz-Kristalle erhält man, wenn man die neuen Crew-Mitglieder aus der Erweiterung ausspielt, die anfangs in die große Masse an Crew-Karten eingemischt werden. Im Extremfall könnte es also passieren, dass man nie eine Karte mit einem solchen Quarz-Symbol ausspielen kann. Andererseits gibt es noch eine andere Möglichkeit an diese Kristalle zu gelangen. Die Erweiterung bringt nämlich neue Kommando-Karten ins Spiel, die die alten ersetzen – und eine Belohnungsstufe davon ist der Erwerb von Kristallen.
Die Aliens wiederum funktionieren ähnlich wie die bisherigen Crew-Karten und zeigen bekannte Tier- und Berufssymbole. Manche Aliens weisen sogar entsprechende Joker-Symbole auf und sind deswegen besonders heiß begehrt. Aber das war es im Großen und Ganzen schon. Zusätzlich zu den Karten gibt es noch einen weitere Planeten-Tafel und auch für den Solo-Modus sind noch zusätzliche Karten in der Schachtel. Diese ist übrigens vorbildlich als Ressourcen schonende Faltschachtel konzipiert. Man nimmt das Material heraus, legt es in die Grundbox und kann dann die dünne Schachtel ins Altpapier befördern. Beide Daumen hoch für diese Art der Verpackung!
Spielerisch ändert sich also nur die Option, am Ende des eigenen Spielzugs ein Alien zu nehmen oder nicht. Man sollte dabei nicht den Fehler begehen, diese Option zum eigentlichen Spielziel hochzujazzen. Aliens stellen eher einen Bonus dar, den man gerne mal mitnehmen kann. Man sollte aber jetzt nicht darauf hinspielen, so viele Aliens wie möglich anzuwerben und auszuspielen. Denn dann konzentriert man sich zu sehr auf die Kristall-Beschaffung und verliert den Blick für die tollen Verkettungen, die den eigentlichen Reiz von WILDES WELTALL ausmachen. Aber genau wegen dieses Bonus-Effektes sind die Aliens eine schöne kleine Erweiterung. Sie bereichern das Grundspiel sinnvoll, weswegen wir nicht mehr ohne diese spielen wollen.
Wildes Weltall: Aliens | Joachim Thôme | 20 bis 40 Minuten | 1 bis 5 Personen | Board Game Circus
Sherlock die Fälle aus Staffel 5 von Josep Izquierdo und Marti Lucas sowie Quim Gómez – erschienen bei Abacusspiele
Für mich bleibt das SHERLOCK-System weiterhin das Maß aller Dinge im Krimispiel-Karten-Genre – trotz der Macke mit den nervigen Minuspunkten für falsch ausgelegten Karten. Hauptgrund für diese Meinung sind die schlüssigen anspruchsvollen Fälle, die zudem thematisch sehr abwechslungsreich gestaltet sind. Aufgrund der anfangs gemischten Karten ist das Auftauchen der Hinweise zufällig. Somit hat man aber auch nicht das Gefühl, dass man lediglich auf vorgeschriebenen Pfaden wandelt. Stattdessen denkt man sehr frei und beginnt mit den wildesten Theorien, die erst nach und nach verworfen oder im besten Fall vertieft werden. Dabei kann man auch mal völlig auf dem Holzweg sein. Aber dieses Spekulieren ist eine schöne kreative Beschäftigung, die ich bei den meisten anderen Spielen dieser Art ein wenig vermisse. Dort hat man oft recht schnell ein Gefühl dafür, wo die Reise hin geht und arbeitet dann nur noch den Fall ab. Bei SHERLOCK ist das anders, da man doch immer recht frei im Denken sein muss. Spätestens bei der Auflösung macht es dann klick im Kopf und man erkennt, wie die ganzen Indizien zusammen hängen – und gratuliert innerlich den Autoren zu deren cleveren Komposition. Doch schauen wir uns mal die einzelnen Fälle der Staffel 5 genauer an...
DIE FÄLSCHUNG (von Josep Izquierdo und Marti Lucas ; Illustrationen von Amelia Sales) zeigt, dass es nicht immer um Mord und Totschlag gehen muss. Manchmal erfordern auch andere Verbrechen unsere Aufmerksamkeit. So dürfen wir uns nun mit einer Kunst-Fälschung auseinandersetzen, die dafür sorgt, dass eine Auktion crasht. Nun gilt es für uns die entsprechenden Hintergründe zu ermitteln. Dabei wünschte ich mir zum ersten Mal, dass die Spielkarten größer wären um die Details bei den Gemälden besser erkennen zu können. Denn so viel sei verraten: diese sollte man sich schon genauer ansehen. Ansonsten hat mir der Fall aber gut gefallen – auch weil das Thema mal etwas anderes war.
MORD IM NACHTZUG (von Josep Izquierdo und Marti Lucas; Illustrationen von Amelia Sales) ist dahingegen thematisch etwas klassischer und zusätzlich auch deutlich kniffliger. Wer bei dem Titel an den Agatha Christies Klassiker Mord im Orientexpress denkt, liegt aber völlig daneben. Wobei wir uns örtlich durchaus fern von Europa zwischen Indien und Pakistan befinden. Allerdings haben wir hier eher eine Agenten-Geschichte vorliegen, so dass Lug und Trug zu beachten sind. In ein paar Details sind wir dabei auf die falsche Fährte gelockt worden, aber das Große und Ganze hatten wir ganz gut durchschaut. Aber wie schon gesagt: es war ziemlich kniffelig.
SEANCE MIT EINEM TOTEN (von Quim Gómez; Illustrationen von Amelia Sales) hat bei mir erstmals den Wunsch aufkommen lassen, den Begleitzettel in der Originalsprache zu lesen. Warum? Weil ich gerne gewusst hätte, ob hier ein Übersetzungsfehler enthalten ist oder ob es schon im Spanischen den Zirkelschluss bei den Fragen gibt. Denn eine Antwortmöglichkeit der Frage 10 beantwortet die Frage 4. Auch die Auflösung fand ich arg knapp formuliert und an der Grenze zur Unglaubwürdigkeit. Das Motiv der Tat bzw. der Folgetat wird dabei meiner Meinung nach zu wenig herausgearbeitet bzw. ist nicht ganz logisch. Wobei man nun natürlich einwerfen kann, dass sich Menschen nicht immer logisch verhalten. Aber uns fiel das wohl auch deswegen so auf, weil wir genau wegen dieser Motivfrage heiß diskutiert haben. Inhaltlich geht es um einen Mord im späten 19. Jahrhundert in Zeiten der Industrialisierung und dem Kolonialismus – wobei man wieder vor Augen geführt bekommt, wie thematisch vielfältig die SHERLOCK-Fälle sind.
Auch diese drei Fälle haben uns wieder überzeugt, so dass sich die anfangs geäußerte Meinung verfestigt hat: SHERLOCK bleibt das Maß aller Dinge in diesem Kartenspiel-Genre!
Sherlock: Die Fälschung, Mord im Nachtzug & Séance mit einem Toten | Josep Izquierdo und Marti Lucas sowie Quim Gómez | 45 bis 60 Minuten | 1 bis 8 Personen | Abacusspiele
Deckscape: Die Pirateninsel von Martino Chiacchiera und Silvano Sorrentino – erschienen bei Abacusspiele
Fast jeder DECKSCAPE-Fall hat seine Besonderheit. Mal muss man vor einer Mumie flüchten, mal eine beiliegende Zeitung analysieren und mal gibt es unterschiedliche Spiel-Charaktere. Auch DIE PIRATENINSEL bleibt dieser Devise treu. Denn nun wird erstmals in zwei Gruppen gegeneinander gerätselt. Die Mitspielenden teilen sich in eine blaue und eine rote Schiffscrew auf und müssen parallel einen Schatz suchen bzw. ganz profan leicht abgewandelte Rätsel lösen. Die Crew, die die Aufgabe richtig gelöst hat, bekommt als Belohnung eine Sieg-Karte. Allerdings nur, wenn das Rätsel richtig gelöst wurde, ansonsten bekommt das andere Team diese Karte. Auf der Rückseite dieser Karten befinden sich dann unterschiedlich viele Münzen. Am Ende gewinnt das Team diesen Escape-Wettstreit, welches bei der Endabrechnung die meisten Münzen gesammelt hat.
Diese Änderung des DECKSCAPE-Prinzips zum Team-Spiel hat Vor- aber auch Nachteile. Der große Vorteil ist, dass nun die Lösung eines Rätsels nicht mehr auf der Rückseite einer Karte aufgezeigt wird. Somit kann man nun die Karte problemlos in die Hand nehmen und läuft dabei nicht Gefahr, etwas zu zeigen, was man noch gar nicht sehen darf. Zusätzlich nutzen manche Rätsel nun diese neue Freiheit, so dass beide Kartenseiten bei der Tüftelei zu berücksichtigen sind.
Der große Nachteil wird von Anderen vielleicht gar nicht als solcher wahrgenommen. Aber mir hat dieser Wettkampf-Stress beim Rätseln überhaupt nicht gefallen. Wenn ich solche Rätsel-Spiele mache, dann genieße ich das Tüfteln nach der richtigen Lösung. Dabei will ich nicht gehetzt werden, weswegen wir eigentlich auch nie einen Timer bei solchen Spielen mitlaufen lassen. Aber DIE PIRATENINSEL gibt einem nicht dieses wohlige Grübel-Gefühl, da man schließlich schneller sein soll als die andere Crew. Natürlich kann man versuchen, sich davon frei zu machen – aber die Wettbewerbs-Situation steht schon im Vordergrund und lässt sich innerlich kaum ausschalten. Also versucht man husch husch eine Lösung zu präsentieren. Diese Schnellschüsse können klappen, aber auch nach hinten los gehen, weil man eben doch bei den Überlegungen gehuddelt hat. Und selbst wenn man sich Zeit lässt, die Lösung herauszufinden, dann ist die andere Crew davon genervt, da diese schnell in der Geschichte weiterkommen will. Die Geschichte selbst ist übrigens nicht wirklich mitreißend. Irgendwie wirkt die Story gezwungen. Allerdings stört einen das auch nicht, soll diese doch nur einen Rahmen für die Rätsel geben.
DIE PIRATENINSEL ist nicht unbedingt mein neuer Lieblingstitel dieser Reihe. Aber ich habe mich trotzdem gut unterhalten gefühlt und bin mir sicher, dass ich auch die nächste Box in Angriff nehme.
Deckscape: Die Pirateninsel | Martino Chiacchiera und Silvano Sorrentino | 60 Minuten | 2 bis 6 Personen | Abacusspiele
Exit – Das Spiel: Die Entführung in Fortune City von Inka und Markus Brand – erschienen im KOSMOS Verlag
Als bekennender Western-Fan war DIE ENTFÜHRUNG IN FORTUNE CITY ein Muss für mich. Schon DER RAUB AUF DEM MISSISSIPPI versetzte mich ansatzweise in diese spezielle Zeit. Aber nun erhoffte ich mir ein Szenario, in dem nicht nur mein Colt, sondern auch mein Köpfchen zum Glühen gebracht wird.
Doch so viel sei vorweg genommen: diesbezüglich wurde ich enttäuscht. Die Rätsel sind auf dem gewohnt hohem Niveau, die Geschichte hätte aber auch in einer ganz anderen Zeit stattfinden können. Das war schon ein wenig enttäuschend. Jedoch sind wir mal ehrlich: die EXIT-Boxen hat man noch nie hauptsächlich wegen der Hintergrundgeschichte gespielt – in erster Linie geht es um die Rätsel. Sind diese in eine reizvolle Geschichte eingebunden, dann freut man sich eben ein wenig mehr. Wobei ich auch sagen muss, dass sich vor allem die Boxen in mein Gedächtnis festgesetzt haben, die mit einer überzeugenden Geschichte daher kamen. Ich habe noch recht genau vor Augen, wie wir den Mord im Orient Express aufklärten, dass es bei den ??? ein Apfelkuchenrezept gab und vor allem wie man Schluffis zum Bad putzen animiert.
Insbesondere DER TOTE IM ORIENT EXPRESS gilt als ein Highlight der Serie, weil man dort nicht nur einzelne Rätsel lösen muss, sondern am Ende auch noch kriminalistisch tätig wird. Dieses Konzept wurde noch das ein oder andere Mal wieder aufgegriffen – so auch hier in DIE ENTFÜHRUNG IN FORTUNE CITY. Denn wir müssen nun herausfinden, wer unseren Freund, den Sheriff von Fortune City, entführt hat. Dafür befragen wir Zeugen und untersuchen verschiedene Orte. Das ist immer mit einzelnen Rätseln verbunden und bei Erfolg können wir das Entführungsopfer aufspüren und diesem den Ausgang zeigen – schließlich spielen wir ein Exit-Spiel.
Die einzelnen Rätsel empfanden wir als recht einfach. Meiner Meinung nach hätte man diese Box gerne auch als "Einsteiger-Box" titulieren können – wohl wissend, dass in solchen Boxen die Reihenfolge der Rätsel klar vorgegeben sind, was bei DIE ENTFÜHRUNG IN FORTUNE CITY nicht der Fall ist. Allerdings ist diese Freiheit lediglich dem Setting geschuldet, dass man sich frei in der Stadt bewegen kann. Mir ist jedenfalls kein Rätsel mehr bewusst, was wir nicht lösen konnten, weil wir noch nicht die notwendigen Informationen besaßen.
Trotz der leichten Enttäuschung über die wenig westernhafte Szenerie, haben wir uns wieder sehr gut unterhalten gefühlt. Für mich bleiben die EXIT-Boxen der Leuchtturm im Escape-Spiel-Genre. Und so freuen wir uns auf die nächsten angekündigten Boxen – zumal wir dann u.a. ein Abenteuer in Mittelerde erleben dürfen.
Exit – Das Spiel: Die Entführung in Fortune City | Inka und Markus Brand | 45 – 90 Minuten | 1 bis 4 Personen | KOSMOS
Hinweis: für die Besprechung wurden von den Verlagen Rezensionsexemplare zur Verfügung gestellt
Kommentar hinzufügen