In diesem Jahrgang sind erstaunlich viele reine 2‑Personen-Spiele erschienen. Wobei, so erstaunlich ist das gar nicht, wenn wir an den letztjährigen Gewinnertitel beim Spiel des Jahres denken. Anscheinend hat der Erfolg von SKY TEAM das ein oder andere vergleichbare Projekt beflügelt und somit entscheidend beschleunigt. Wenn jetzt allerdings ein weiteres Tête-à-Tête Speed-Dating erwartet wird, dann wird es vorerst eine Enttäuschung geben. Denn bevor ich mich möglicherweise wieder mit 2‑Personen-Spielen beschäftige, stehen dieses Mal reine Solo-Spiele im Fokus. So habe ich mich mit FOR ONE: MENSCH ÄRGERE DICH NICHT, FATE FLIP: VERSCHOLLEN, CONSERVAS und FÜR NORTHWOOD! an einen Tisch gesetzt – und danach wieder heiß begehrte Rosen verteilt. Doch genug der Einleitung, fangen wir doch direkt mit der Solosierung eines Klassikers an ...
For One: Mensch ärgere Dich nicht von Reiner Knizia – erschienen bei Schmidt Spiele
Im letzten Jahrgang überraschte Schmidt Spiele mit der For One-Serie. Es mutete ungewöhnlich an, dass ein klassischer Familienspiel-Verlag auf einmal reine Solo-Spiele auf den Markt brachte. Dabei hat insbesondere die KNIFFEL-Variante von Reiner Knizia die Spielerschaft durchaus überzeugt. Umso geringer war die Überraschung, dass mit MENSCH ÄRGERE DICH NICHT ein weiterer Verlag-Klassiker in diese Serie aufgenommen wurde. Wieder hat Knizia die Entwicklung übernommen – allerdings hat mich das Endprodukt enttäuscht.
Das liegt gar nicht so sehr an MENSCH ÄRGERE DICH NICHT als solches. In der Szene ist dieses verstaubte Roll-and-Move eher verpönt, ich kann dem Spiel allerdings einiges abgewinnen. Das Problem an der FOR ONE Umsetzung ist jedoch, dass kaum etwas vom eigentlichen Spielgefühl in das Solospiel übertragen wird. Wofür steht MENSCH ÄRGERE DICH NICHT? In meinen Augen sind die Stärken der Wettrenn-Charakter, die direkte Interaktion und der damit einhergehende zwangsläufig aufkommende Table Talk. Nichts davon erlebe ich, wenn ich alleine vor dem ziemlich kleinen Spielbrett sitze. Ich würfele und ziehe eine meiner Figuren voran. Dabei sammele ich dort liegende Pappmarker ein. Am Anfang habe ich nur meine eigenen vier Pöppel, ab der Hälfte der weiteren Missionen kommen dann auch noch nach und nach die anderen Spielfarben ins Spiel. Allerdings bringen diese jeweils nur einen einigen Pöppel auf Brett. Das emotionsgeladene Schlagen der anderen Figuren fällt somit weitestgehend aus. Ich versuche lediglich meine Würfelwerte so geschickt auf meine Figuren zu verteilen, dass ich damit die meisten Siegpunkte erziele.
Ohne Frage funktioniert das mechanisch. Wir müssen taktische Entscheidungen treffen, die abhängig sind, von den gewürfelten Werten. Dabei kämpfen wir mit mehr oder weniger unwahrscheinlichen Zufällen und nehmen auch die vierte 5 in Folge in Kauf, auch wenn ich eigentlich viel lieber eine 1 benötigt hätte. Dankenswerterweise erhalten wir ab der Mitte der Missionen noch einen zweiten Würfel, womit wir für uns etwas mehr Auswahl haben. Dummerweise gilt der zweite Würfelwert dann für unsere Widersacher, sodass wir manchmal in eine Dilemma-Situation gebracht werden. Trotzdem empfand ich FOR ONE: MENSCH ÄRGERE DICH NICHT größtenteils als reizlos. Wenn ich schon alleine mein Glück mit Würfelwerten machen will, dann ziehe ich Spiele vor, die mir dabei auch noch eine Geschichte erzählen. Eine solche kann mir MENSCH ÄRGERE DICH NICHT zwangläufig nicht bieten. Allerdings hat mir diese Box wieder UNDER FALLING SKIES schmackhaft gemacht. Diese Leistung ist jedoch nicht ausreichend, damit FOR ONE: MENSCH ÄRGERE DICH NICHT eine Rose erhält. Und dabei habe ich noch nicht einmal die unseligen Klebepunkte auf den Schmidt-Verpackungen in meine Wertung einbezogen.



For One: Mensch ärgere Dich nicht | Reiner Knizia | Fiore GmbH | 20 Minuten | 1 Person | Schmidt Spiele
Fate Flip: Verschollen von Johannes Krenner – erschienen bei Frosted Games
Das Spielprinzip von FATE FLIP: VERSCHOLLEN erinnert an die bekannten Choose Your Own Adventure Bücher: Ein Text erzählt mir einen kleinen Geschichts-Happen und ich muss mich daraufhin entscheiden, wie die Story fortgesetzt wird. Bei FATE FLIP stehen die Texte allerdings auf Karten. Und diese werden im Spielverlauf über die lange oder auch die kurze Seite gedreht oder gewendet, womit sich der Name dieser Reihe erklärt. Meistens schiebe ich die Karten nach Benutzung wieder ganz nach hinten, sodass ich erst später mit der veränderten Situation auf der Karte in Berührung komme. Manche Karten kommen aber auch ganz aus dem Spiel bzw. sorgen dafür, dass neue in den Talon aufgenommen werden. Zusätzlich halte ich über kleine Büroklammern die Werte von persönlichen Eigenschaftswerten auf einer Verwaltungskarte fest. Dabei ist der gesamte Platzbedarf nur unwesentlich größer als bei PALM ISLAND. Bei FATE FLIP lege ich allerdings auch mal Karten zur Seite und bekomme somit auf Dauer auch keinen Krampf in der Hand.
Mechanisch ist FATE FLIP: VERSCHOLLEN demnach recht simpel und entsprechend leicht fällt auch der Einstieg: erste Karte lesen, erste Entscheidung treffen und schon sind wir in der Geschichte angekommen. Ein bisschen müssen wir anfangs die ganzen Symbole lernen, aber schnell haben wir diese auch verinnerlicht. Nach einiger Zeit gelangen wir dann mal mehr oder weniger plötzlich an einen Endpunkt – und wollen nun wissen, wie andere Endpunkte aussehen. Durch die zufällige Kartenverteilung wird ein neuer Durchgang etwas anders verlaufen als der erste und wir entdecken neue Wege und Orte. Manchmal kann es zwischen den Textteilen zu kleinen Logiksprüngen kommen, aber das ist dem variablen System geschuldet und in meinen Augen verkraftbar. Die Illustrationen von Alena Naumova und Anastasia Durova vermitteln gut diverse Stimmungen und sind für mich ein echtes Highlight – auch wenn zwangsläufig die Karten größtenteils mit Text und Symbolen gefüllt sind. Ein System zur Zwischenspeicherung besteht keines, weil die Durchgänge eigentlich kurz genug sind. Trotzdem wollen wir vielleicht den Anfang mal abkürzen und da bietet sich ein schnelles Fote mit dem Smartphone an.
Mein größtes Problem habe ich mit dem Themensetting als solches. Ich empfinde diesen ganzen Überlebenskram auf einer einsamen Insel als abgedroschen. Das gibt mir zu wenig Neues, um mich nachhaltig zu begeistern. In diesem Punkt finde ich die mechanisch durchaus vergleichbaren CARTAVENTURA-Boxen deutlich interessanter. Dort werden ungewöhnlichere Geschichten erzählt und neue Blickwinkel eingefangen. Solchen inhaltlichen Mut würde ich mir für nachfolgende FATE FLIP Boxen auch wünschen. Dann könnte FATE FLIP auch eine Rose erhalten. Der Survival-Kampf auf der Insel geht diesbezüglich aber leer aus.



Fate Flip: Verschollen | Johannes Krenner | Alena Naumova und Anastasia Durova | 30 bis 45 Minuten | 1 Person | Frosted Games
Conservas von Scott Almes – erschienen bei Frosted Games
Auch CONSERVAS handelt von Schiffen und Nahrung – ist aber trotzdem in einem ganz anderen Themensetting beheimatet. Wir führen einen kleinen Fischereibetrieb und wollen diesen kontinuierlich ausbauen. Mehr Schiffe, mehr Hilfsmittel, mehr Geld! Das ist unser Streben. Allerdings erkennen wir schnell, dass dieses ganze Wachstum nur gelingen kann, wenn wir dafür unser Fanggebiet nicht komplett leer fischen. Denn nur wenn wir nachhaltig agieren, können sich die Bestände nach unserem Eingreifen wieder erholen und wir können auch in Zukunft noch erfolgreich unsere Netze füllen. Diese Erkenntnis wird ganz ohne erhobenen Zeigefinger vermittelt, weil sie eigentlich auch ganz logisch ist (was leider nicht heißt, dass wir als Menschheit entsprechend handeln).
Spielmechanisch ist CONSERVAS ein Bag-Builder. In unserem Sack befindet sich eine bestimmte Anzahl an Holzscheiben: Fische, Muscheln und Tintenfische – aber auch Wasserscheiben. Für jedes Boot in unserem Besitz ziehen wir fünf Scheiben aus dem Sack. Dabei gibt jedes Boot an, wie viele Scheiben wir davon im Netz fangen. Der Rest der Scheiben kommt zurück ins Meer. Darüber hinaus greifen wir einmal zusätzlich noch in den Sack und legen somit eine komplette Füllung ins offene Meer. Eingesammelte Scheiben können wir nun auf dem Markt verkaufen. Für das erhaltene Geld können wir neue Schiffe erwerben, zusätzlich müssen wir auch für manche Schiffe noch Unterhalt bezahlen. Außerdem können wir auch unseren Fang in Upgrades investieren, die uns dann später bei bestimmten Situationen helfen können. Alle ins Meer gelegte Scheiben werden am Ende des Tages für die Vermehrung herangezogen. Idealerweise gleichen wir somit die Eingriffe ins Ökosystem wieder aus. Je nach Szenario spielen wir eine bestimmte Anzahl an Tagen und müssen dann eine gewisse Geldmenge vorweisen. Zusätzlich muss aber auch noch eine bestimmte Tieranzahl im Beutel sein und manchmal benötigen wir noch weitere Zielerfüllungen, um das Szenario erfolgreich abzuschließen.
CONSERVAS enthält ein eigenes Szenariobuch. Dieses umfasst 12 Szenarien, die entsprechend als einzelne Monate daherkommen. Allerdings bauen sich diese Szenarien nicht aufeinander auf. Ich könnte somit problemlos erst den November spielen und dann den Mai folgen lassen. Das ist ein wenig schade, da CONSERVAS durchaus das Rüstzeug gehabt hätte, eine Geschichte in Form einer Kampagne zu erzählen. Mir hätte es jedenfalls sehr gefallen, wenn ich bspw. einer meiner aktuellen Schiffe auch im nächsten Monat wieder zur Verfügung gehabt hätte. Wenn der Sack nicht jedes Mal neu gebildet wird, sondern er über die Monate fortgeführt wird. Vielleicht wird dazu in Zukunft noch etwas nachgeschoben – ich würde das feiern!
Denn so geben die einzelnen Szenarien zwar einen veränderten Rahmen vor, am grundsätzlichen Vorgehen ändert sich selten etwas. Das hat auch zur Folge, dass sich CONSERVAS recht früh als "gelöst" anfühlt. Wir kennen den Weg, jetzt müssen wir schauen, wie problemlos er sich umsetzen lässt. Dazu gibt es nicht wirklich eine Alternative und die einzelnen Szenarien variieren lediglich die Begleitumstände. Nicht grundlos hat der Verlag noch ein zusätzliches Blatt beigefügt. Dieses gibt Vorgaben, wie wir den Schwierigkeitsgrad noch anziehen können. Mir geht es aber bei meiner Kritik nur bedingt um die Schwierigkeit. Ich hätte es gerne gesehen, wenn unterschiedliche Elemente ins Spiel kämen, die mich dann meinen Lösungsweg neu denken lassen müssen.
Trotzdem spiele ich CONSERVAS sehr gerne. Ich komme zwar nicht in einen Sog und zwischen den einzelnen Partien mache ich eine Pause. Aber das grundsätzliche Gerüst gefällt mir schon sehr gut. Ich habe während des Spielens dauernd interessante Entscheidungen zu treffen. Ich fluche über den Zufall, ich freue mich über den Zufall des Bag Buildings. Der Sack ist mal wieder ein Emotionsverstärker und ich wurde wieder daran erinnert, warum ich diesen Mechanismus so sehr mag. Abgerundet wird CONSERVAS übrigens durch die tollen Illustrationen von Jorge Tabanera Redondo. Das Cover ist eine Wucht, Höhepunkt sind aber die als Fischkonserven gestalteten Kartenrückseiten. Der bemühte Wortwitz bei der Schiffsnamen hat mich dahingegen nicht belustigt – stört aber auch nicht. Insgesamt bin ich von CONSERVAS sehr angetan. Insbesondere das Themensetting überzeugt, weswegen es völlig zurecht auch eine Rose erhält.





Conervas | Scott Almes | Jorge Tabanera Redondo und João Duarte-Silva | 25 bis 40 Minuten | 1 Person | Frosted Games
Für Northwood! von Wil Su – erschienen im Schwerkraft-Verlag
Ein überzeugendes Themensetting kann ich FÜR NORTHWOOD! nicht attestieren. Aber das war sicherlich auch gar nicht das Ziel der Entwicklung. Zugegebenermaßen kann ich das Themengewand noch nicht einmal vernünftig wiedergeben. Irgendwas mit einem Königreich Northwood, welches wir versuchen durch Gespräche mit einzelnen Herrschenden friedlich zu vereinen. Dabei tauschen wir in den jeweiligen Diskussionsrunden Argumente aus. Manche Oberhäupter wollen uns dabei inhaltlich überzeugen, andere überzeugt werden. Denn – jetzt kommt der Clou – diese "Argumente" sind Stiche. Wir spielen demnach ein Stichspiel, bei dem wir in den einzelnen Runden mal mehr und mal weniger Stiche gewinnen wollen.
Schon Stichspiele zu zweit sind eine Besonderheit, aber mit Solovertretern hatte ich bisher wenig Berührung. Interessanterweise besitzt auch DER HERR DER RINGE: DIE GEFÄHRTEN – DAS STICHSPIEL eine gut funktionierende Solo-Variante, sodass nun auf einmal zwei Titel dieser Spielart miteinander konkurrieren. Und wer gewinnt? Das kommt darauf an, wie viel Zeit mir zur Verfügung steht. Wenn es schnell gehen soll, dann erkunde ich ein Szenario in Mittelerde. Darf es gerne etwas länger dauern, dann zieht es mich nach Northwood. Denn dort verläuft eine Partie immer über acht Durchgänge, was durchaus auch mal eine halbe Stunde dauern kann.
Der Ablauf ist sehr eingängig. Nachdem ich mir meine Handkarten angesehen habe, entscheide ich mich, welches bisher noch nicht besuchte Fürstentum von mir herausgefordert wird. Die Position der Herrschenden in der Reihe gibt vor, wie viele Stiche ich dort gewinnen muss – und zwar auf den Stich genau. Von 0 bis 7 ist alles dabei. Das Stichspiel ist dabei ganz einfach. Ich decke eine Karte auf und muss dann eine Handkarte ausspielen. Dabei bestimmt das Fürstentum auch eine Trumpffarbe, die ich beachten muss. Zusätzlich stehen mir noch vier Sonderfunktionen zur Verfügung, deren Fundus ich im Laufe der Partie durch gewonnene Zweikämpfe erweitern kann. In den acht Durchgängen muss ich jedes Fürstentum einmal besucht haben. Je erfolgreicher ich dabei war, umso mehr lobt mich am Ende die Anleitung. Als zusätzliche Herausforderung gibt es noch ein Szenariobuch, welches den Schwierigkeitsgrad ganz schön anzieht.
Zuerst war ich ein wenig abgeschreckt über den augenscheinlich hohen Zufallsanteil. Das Kartendeck besteht aus 32 Karten, von denen ich anfangs immer nur 8 auf die Hand nehme. Sprich: das verbleibende Deck bietet noch 24 Karten, von denen ich nach und nach eine ziehe. Das ist für ein Stichspiel ein hohes Maß an Unberechenbarkeit. Allerdings hatte ich den gedanklichen Fehler gemacht, dass ich nicht die vier helfenden Sonderfunktionen einbezogen habe. Denn deren wohlüberlegter Einsatz gibt uns deutlich mehr Kontrolle, als ich das am Anfang erahnte. Natürlich wird es gegen Ende der Partie auch mit diesen Helferkarten haarig, weil die Auswahl an noch zu besuchenden Fürstentümer immer eingeschränkter wird und diese nicht zu meiner Hand passen wollen. Aber diese Eingeschränktheit erzeugt einen überzeugenden Spannungsbogen und macht viel von dem besonderen Spielreiz aus.
FÜR NORTHWOOD! war anfangs ein Print & Play Projekt. Der große Erfolg in der Szene hat dann aber dafür gesorgt, dass auch Verlage auf das Spiel aufmerksam wurden. Dabei wurden die Illustrationen von Autor Wil Su übernommen, was in meinen Augen eine richtige Entscheidung war. Denn der naive Stil passt gut zur Geschichte und vermittelt dem Spiel eine besondere Stimmung. Ich weiß nicht, wie in diesem Stil eine Rose aussähe. Auf jeden Fall erhält FÜR NORTHWOOD! von mir eine für dieses außergewöhnliche Solo-Stichspiel.



Für Northwood! | Wil Su | Wil Su | 15 bis 30 Minuten | 1 Person | Schwerkraft-Verlag
Hinweis: für die Besprechung wurden von den Verlagen Rezensionsexemplare zur Verfügung gestellt
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