Urlaubsbedingt konnte ich in diesem Jahr leider nicht bei der Verleihung des Spiel des Jahres 2019 teilnehmen. Glücklicherweise gab es dank Social Media die Möglichkeit, die Entscheidung halbwegs live mit zu verfolgen. Nun bin ich allerdings gespannt, was meine Handyrechnung am Ende dazu sagen wird. Doch unabhängig von meiner fehlenden Anwesenheit in Berlin möchte ich die Preisvergabe nicht unkommentiert lassen – schließlich müssen Traditionen aufrecht erhalten bleiben. Somit also nun mit fast einwöchiger Verspätung meine Meinung zu den Preisträgern.
Spiel des Jahres 2019: JUST ONE von Bruno Sautter und Ludovic Roudy
Ich höre schon wieder einige stöhnen: "Warum wurde kein "echtes" Spiel mit dem Hauptpreis ausgezeichnet? Statt dessen wird mal wieder ein Partyspiel auf Platz 1 gehoben. Das ist doch gar kein Spiel! Und so etwas soll jetzt Vorreiter sein?" Warum aber nicht? Nur weil vor ein paar Jahren CODENAMES ebenfalls zum Spiel des Jahres ausgezeichnet wurde? Darf nach dieser Logik nie mehr ein Deckbuilder oder ein Legespiel gewinnen? Muss zwingend ein Spielbrett, Würfel oder Karten vorhanden sein, um als Spiel zu gelten? Denn unabhängig vom Material und der nur mäßigen Ähnlichkeit zu CODENAMES ist JUST ONE ein verdienter Sieger. Es ist schnell erklärt, kann sehr gut Generationen übergreifend gespielt werden und weiß bestens zu unterhalten. Was will man mehr? Ähnliches kann man auch von L.A.M.A sagen, weswegen es in meinen Augen auch große Siegchancen hatte. Dahingegen fällt WERWÖRTER als drittes nominiertes Spiel etwas ab. Mit diesem Spiel habe ich auch schon unbefriedigende Situationen erlebt und außerdem lässt sich das nur halbwegs sinnvoll in größeren Runden spielen. Wenn man dann noch die Vorgeschichte um INSIDER bei der Entwicklung kennt, hätte ein Gewinn des Titels bei mir Bauchschmerzen erzeugt.
Sehr gut gefällt mir die diesjährige Empfehlungsliste. Über DIZZLE habe ich mich schon häufiger positiv geäußert. Bei den ganzen erschienen Roll-and-Write-Spielen ragt es meiner Meinung nach heraus. Über KRASSE KACKE habe ich hier im Blog leider noch nichts geschrieben. Aber das Spiel ist wesentlich besser als sein Titel vermuten lässt und ich habe schon viele spaßige Runden erlebt (entsprechend mitgenommen sehen meine Karten aus). Besonders gefreut habe ich mich über die Erwähnung von SHERLOCK, weil das wirklich ein innovatives Rätsel-Spiel-System ist, das noch mehr Aufmerksamkeit verdient. BELRATTI hätte vielleicht noch höhere Weihen erhalten, wenn nicht JUST ONE im aktuellen Jahrgang gewesen wäre. Für den Mogel Verlag freut mich aber die Erwähnung und ich bin gespannt, wie Repos das Spiel in Zukunft noch anpasst. Mit REEF werden auch die Freunde des abstrakten Spiels bedient und IMHOTEP – DAS DUELL rundet die Liste als tolles taktisches 2‑Personenspiel ab.
Somit deckt die Empfehlungsliste ganz viele Vorlieben ab. Da fällt es kaum auf, dass das klassische Brettspiel kaum vorhanden ist. Ist aber dieses Fehlen als schallende Ohrfeige gegenüber den Verlagen zu werten? Nein, mitnichten! Vielmehr werden andere Konzepte gewürdigt und somit die Vielfalt des Gesellschaftsspiels aufgezeigt. Und auch mich haben in diesem Jahrgang nur wenig klassische Brettspiele im Familienspiel-Bereich überzeugen können – wobei ich bei manchen im Gegensatz zur Jury auch über objektive Schwächen hinwegsehen kann.
Kennerspiel des Jahres 2019: FLÜGELSCHLAG von Elizabeth Hargrave
Auch beim Kennerspiel des Jahres gab es für mich zwei Favoriten und einen Außenseiter. Dass es schlussendlich FLÜGELSCHLAG geworden ist, freut mich besonders für den Feuerland Verlag. Aber ich finde es zusätzlich toll, dass mit Elizabeth Hargrave endlich mal wieder eine Autorin ausgezeichnet wurde. Meiner Meinung nach ist CARPE DIEM zwar das spielerisch interessantere Spiel, aber FLÜGELSCHLAG hat ein wesentlich zugänglicheres Thema und zudem noch die unglaubliche Tischpräsenz. So bedient es wesentlich besser die anvisierte Zielgruppe als das ziemlich spröde daherkommende CARPE DIEM. So leid es mir für Stefan Feld als Autor tut, so hoffe ich doch, dass mit dieser Entscheidung den deutschen Verlagen nochmals deutlich gemacht wird, wie wichtig heutzutage Design und Ausstattung sind. Hier sehe ich nämlich hierzulande gehörig Nachholbedarf! DETECTIVE als drittes Spiel im Bunde der Nominierten war für mich eine große Überraschung. Ich habe zwar viel Gutes darüber gehört, war aber fälschlicherweise der Meinung, dass es zu anspruchsvoll und speziell für den Preis sei. Ich kann mir vorstellen, dass sich schon die Nominierung für die Macher wie ein Preisgewinn anfühlte.
Im Gegensatz zur letztjährigen sehr kurzen Empfehlungsliste wurden nun wieder mehr Kennerspiele in den Fokus genommen. Glücklicherweise, denn der Jahrgang 2018/19 war meiner Meinung nach im Gegensatz zu den Familienspielen recht stark. Schwergewicht darunter ist sicherlich NEWTON, was mich ebenfalls sehr anspricht. Mit DAS TIEFE LAND ist Feuerland Spiele nochmals vertreten – und auch das völlig verdient, da es ein tolles semi-kooperatives Spielgefühl erzeugt. Die ARCHITEKTEN DES WESTFRANKENREICHS habe ich im letzten Jahr auch schon oft auf den Tisch gebracht, wobei ich immer noch darauf warte, dass Shem Phillips seine guten Ideen mal vollumfänglich in ein überzeugendes Gesamtpaket umsetzt. PAPER TALES wiederum setzt ganz andere Akzente und rundet wunderbar diese Liste ab.
Kinderspiel des Jahres 2019: TAL DER WIKINGER von Wilfried und Marie Fort
Eigentlich kann ich mir zum Kinderspiel des Jahres keine richtige Meinung bilden, da mir in diesem Bereich der Überblick fehlt. Trotzdem konnte ich alle drei Nominierten spielen – und von diesen hat mir das TAL DER WIKINGER am besten gefallen. So gesehen, hat die Kinderspiel-Jury alles richtig gemacht. Allerdings fand ich FABULANTICA und GO GECKO GO! ziemlich mau – im Gegensatz zu manchen Spielen auf der Empfehlungsliste. Aber sowohl CONCEPT KIDS – TIERE wie auch MAGIC MAZE KIDS hatten wohl das Problem, dass ihre erwachsenen Vorgänger schon jeweils zum Spiel des Jahres nominiert waren und man sich hierbei vielleicht etwas abgrenzen wollte. Aber beide Spiele haben mir besser gefallen als die Nominierten.
Abschließend gratuliere ich allen Gewinnern (Autoren, Verlage und Illustratoren), bedanke mich aber genauso auch bei allen Nominierten bzw. Empfohlenen für viele viele Stunden Spielspaß!
Wer sich den Spaß machen will, kann auch gerne nochmals meinen Blick in die Glaskugel lesen. Da hatte ich im Vorfeld der Nominierungen meine Favoriten benannt – natürlich nur mit überschaubaren Übereinstimmungen. Wobei, ganz so schlecht lag ich gar nicht...
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