Glaskugel zum Spiel des Jahres 2019 – ich tippe die Preisträger und die Nominierten

Der Frühling hast seinen Höhepunkt erreicht. So hat man sich mittlerweile an den Anblick von blühenden Pflanzen gewöhnt. Also kann man getrost den Blick weg von der Natur wenden und ein anderes Phänomen unter die Lupe nehmen. Denn in der Brettspiel-Community sprießen derzeit andere Sachen: Glaskugeln! Grund ist die baldige Verkündung der Nominierten zum Spiel des Jahres. Wenn also in ein paar Tagen die Jury die Ergebnisse ihrer Klausurtagung vorstellt, dann kann sie sich ein Maximum der Aufmerksamkeit sicher sein – zumindest in unserer "Blase".
Dabei sollte ein Grundsatz der Jury auch in dieser Blase nicht vergessen werden: Die Auszeichnung ist nicht für das beste Spiel des Jahrgang vorgesehen, sondern für das Spiel, welches die Ziele des Vereins am Besten unterstützt! Das ist bekanntlich ein großer Unterschied. [EDIT: Das ist unglücklich formuliert, wie Harald unten im Kommentar richtig anmerkt. Immer ein Problem, wenn man etwas verkürzt darstellen will. Manchmal sollte man sich dann doch die nötige Zeit nehmen. Bevor ich aber etwas falsch wiedergebe, zitiere ich lieber gleich die FAQ-Seite des Spiel des Jahres e.V.:"Zeichnet die Jury mit dem Titel „Spiel des Jahres“ das „beste“ Spiel des Jahres aus? Ja – allerdings gibt es nicht das eine, objektiv beste Spiel. Je nach Spielerzahl, Spielerfahrung, Zeitrahmen usw. würde ein Jurymitglied mal das eine und mal das andere Spiel auf den Tisch bringen, weil es am besten zur jeweilige Gruppe passt und Spielen ein Gemeinschaftserlebnis ist. Letztlich geht es der Jury darum, jenes Spiel auszuwählen und auszuzeichnen, das am besten geeignet erscheint, für das Kulturgut Spiel in der Breite der Gesellschaft zu werben."]
Aber unabhängig davon, macht das Spekulieren um die Titelträger großen Spaß – wenn man das nicht zu ernst nimmt. So schaue also auch ich in meine Glaskugel. Im letzten Jahr war ich damit einigermaßen erfolgreich, womit sich mein langjähriges Gespür für das Spiel des Jahres bestätigte. Regelmäßig versage ich dahingegen bei der Vorhersage zum Kennerspiel des Jahres. Mal schauen, wie das dieses Jahr aussieht.
Ich hoffe ja, das meine Quote besser wird. Denn mittlerweile bin ich noch mehr in der Szene drin und über viele Gespräche bekommt man dann doch noch andere Blickwinkel. Außerdem habe ich so langsam auch einen einigermaßen guten Überblick über den Jahrgang – aber mehr auch nicht. Ich bin weit davon entfernt behaupten zu können, alle potentiellen Kandidaten gespielt zu haben. Trotzdem wage ich mich an den ein oder anderen Tipp. Beginnen wir beim klassischen...
Spiel des Jahres

Ich haue da gleich mal etwas raus. Denn im Gegensatz zu den letzten Jahren bin ich mir beim Spiel des Jahres dieses Jahr extrem unsicher. Mir fehlt so ein wenig das "Leuchtturmspiel" der letzten Jahre. Trotzdem gehört es zu diesem Format, Butter bei die Fische zu bringen. So lege ich mich auf JUST ONE fest. Es funktioniert zwar nicht besonders gut in kleinen Gruppen, kann dafür aber bei größeren umso mehr überzeugen. Der Einstieg ist extrem leicht und oftmals bleibt es nicht bei den eigentlich 13 zu spielenden Begriffen. Häufig hörte ich in letzter Zeit die Meinung, dass JUST ONE keine Chance hätte, da doch vor drei Jahren schon CODENAMES ausgezeichnet wurde. Allerdings sind beide Spiele nur sehr bedingt miteinander zu vergleichen und definitiv unterschiedlich genug, damit beide Preisträger sein können.
Welche Spiele sind die Konkurrenz? Unter den nominierten Spiele sehe ich HEXENHAUS und DIZZLE. HEXENHAUS ist einfach ein klassisches Familienspiel, wie man es sich vorstellt. Da stimmt das Thema, die Umsetzung und der leichte Einstieg. Mit HEXENHAUS könnte wohl auch jeder gut leben – auch wenn ich selbst BÄRENPARK als das bessere Familienspiel aus dem Hause Lookout Spiele ansehe. Doch das ist leider damals durch den unglücklichen Veröffentlichungszeitraum etwas unter gegangen. So drücke ich nun Phil Walker-Harding die Daumen, dass er nun mit diesem Spiel nach Berlin geladen wird. DIZZLE wiederum habe ich auf diese exklusive Liste gesetzt, weil meiner Meinung nach ein Vertreter der aktuell so prominenten Roll-and-Write-Spiele vertreten sein sollte – und davon ist DIZZLE schlicht der stärkste Vertreter des Jahrgangs.
Heimliches Spiel des Jahres ist meiner Meinung nach aber L.A.M.A. Es hat so viel positives Feedback bekommen, dass es eigentlich auch nominiert werden müsste. Allerdings weist es mir dann doch etwas zu wenig Spieltiefe auf, um wirklich ganz auf dem Thron zu stehen. Aber vielleicht überrascht uns die Jury auch – ich hätte definitiv nichts dagegen! Eine tolle Geschichte fände ich es auch, wenn DOWNFORCE wieder auf der Empfehlungsliste landen würde – nach 1981 und 1996 wird es doch mal wieder Zeit. Außerdem ist es einfach immer noch ein Topp-Familien-Rennspiel und die vorgenommenen Änderungen haben dem Spiel nochmals gut getan. Ehrlicherweise glaube ich aber nicht daran. Dann könnte ich mir eher vorstellen, dass aus dem gleichen Verlag RAIDS nominiert wird. Das kann zwar ein wenig böse sein, aber zumindest werden Emotionen am Tisch geschürt. Relativ sicher bin ich mir dahingegen bei einer Nominierung von WERWÖRTER. Eigentlich hätte es auch BELRATTI verdient, nur kann es für dieses Spiel hinderlich sein, dass JUST ONE schon den Gruppengedanken bedient und man auf der Empfehlungsliste gerne etwas Abwechslung sehen will. Und nachdem ich schon durch DIZZLE dem Trend an Roll-and-Write-Spielen Ausdruck verliehen habe, muss der Trend der Engine-Builder auch noch auftauchen. Deswegen sehe ich auch GIZMOS auf der Empfehlungsliste. Als kooperatives Spiel könnte ich mir noch SPACE ESCAPE vorstellen – wenn das nicht von der Kinderspiel des Jahres Jury für sich geblockt wurde. Als letztes Spiel möchte ich noch HONGA erwähnen, was sicherlich auch seine Berechtigung hätte.
Keine Berücksichtigung sehe ich bei manchen Spielen wegen unklarer Regeln (bspw. WELCOME TO...) oder unglücklichem Material (wie bspw. bei ZWISCHEN ZWEI SCHLÖSSERN). Denn wichtig ist in meinen Augen ein gutes Gesamtpaket. Man kann die Zielgruppe für das Spiel des Jahres nicht überzeugen, wenn nicht auch die Soft-Skills stimmen.
Kennerspiel des Jahres
So leid es mir für Stefan Feld und dem alea Verlag tut, aber mein Favorit für das Kennerspiel des Jahres ist CARPE DIEM – und somit wird es das erfahrungsgemäß nicht. Schade eigentlich, denn in meinen Augen hätte es dieses Spiel verdient. Wobei die Formulierung mit den "Augen" einen wunden Punkt trifft. Die grafische Gestaltung der Erstauflage war nämlich definitiv verbesserungswürdig. Allerdings hat der Verlag nachgesteuert genau in diesem Punkt und vor kurzem eine zweite Auflage mit vernünftigen Anpassungen veröffentlicht. Nun, da diese Mängel ausgeräumt sind, kommt das tolle Spiel noch mehr zur Geltung. Denn CARPE DIEM schafft mit recht überschaubaren Regeln eine hohe Spieltiefe, bei der auch die indirekte Interaktion nicht zu kurz kommt. Für mich jedenfalls ein absolutes Top-Spiel in diesem Jahr!
Wer wird noch nominiert werden? Recht sicher bin ich mir bei NEOM, was sicherlich auch den Titel verdient hätte. Hier könnte nur von Nachteil sein, dass der Vorgänger im Geiste, 7 WONDERS, schon einmal Preisträger war. Allerdings ist das auch schon ein paar Jährchen her und NEOM ist auch wesentlich mehr als nur ein 7 WONDERS Duplikat. Als drittes nominiertes Spiel sehe ich noch FLÜGELSCHLAG. Hier gibt die tolle Gestaltung und das unverbrauchte Thema den Ausschlag gegenüber seinen potentiellen Konkurrenten.
Wer sind diese Konkurrenten, die es dann vielleicht auf die Empfehlungsliste schaffen? Ich rechne in dieser Hinsicht mit HADARA, was sogar manche auch in der roten Kategorie sehen (ich aber nicht). Für einen Spitzenplatz reicht es meiner Meinung nach aber nicht aus, da mir dann doch ein wenig Fleisch fehlt (das erkläre ich die Tage noch genauer). Das ebenfalls allerorten hoch gehandelte DIE TAVERNEN IM TIEFEN THAL sehe ich ebenfalls nicht auf dem Treppchen und "nur" dahinter. Auch hier fehlt mir das berühmte i‑Tüpfelchen, um wirklich ganz oben landen zu können. Das gleiche gilt meiner Meinung nach auch für die ARCHITEKTEN IM WESTFRANKENREICH. Das bringt zwar wieder interessante Ideen in den Worker-Placement-Bereich, ist mir aber letztendlich (wie auch DIE RÄUBER DER NORDSEE) nicht ganz ausgereift. Keine Chance auf den Titel haben dagegen wohl NEWTON und DAS TIEFE LAND – auch deswegen, weil beide etwas zu hohe Komplexität an den Tag legen. Beide Spiele sind aber klasse, so dass ich sie deswegen auf der Empfehlungsliste erwarte. Zu guter Letzt kann ich mir auch noch BASTILLE auf der Liste vorstellen. Das weiß vielleicht nicht ganz so stark zu emotionalisieren, ist aber für das anvisierte Zielpublikum ganz sicher auch keine schlechte Wahl.
Bei der Vorhersage zum Kinderspiel des Jahres mache ich übrigens nicht mit. Aus diesem Bereich bin ich mittlerweile fast komplett draußen, da maße ich mir gar nicht erst an, eine fundierte Meinung zu bilden.
Du schreibst: "Die Auszeichnung ist nicht für das beste Spiel des Jahrgang vorgesehen" (wer sagt das?), "sondern für das Spiel, welches die Ziele des Vereins am Besten unterstützt" (warum sollte das zweitbeste Spiel die Ziele des Vereins besser unterstützen?). Auf der FAQ-Seite https://www.spiel-des-jahres.com/de/faq haben wir formuliert, dass es tatsächlich um das beste Spiel geht.
Da hast du natürlich recht, das war von mir etwas unglücklich formuliert. Entschuldige! Die Intention dahinter sollte aber deutlich geworden sein.